Protocol of the Session on April 25, 2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 15. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 15. und 16. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 15. und 16. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung ernenne ich für die heutige Sitzung die Abgeordnete Frau Dr. Ursula Karlowski zur Schriftführerin sowie für die heutige und morgige Sitzung den Abgeordneten Professor Dr. Fritz Tack zum Schriftführer.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 6/687 zum Thema „Anrufung des Vermittlungsausschusses in Bezug auf die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ vorgelegt, der in die Tagesordnung aufgenommen werden soll. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 6 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zum Thema „Frühkindliche Bildung stärken – Fernhalteprämie stoppen“ beantragt.

Aktuelle Stunde Frühkindliche Bildung stärken – Fernhalteprämie stoppen

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Heydorn für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! „Frühkindliche Bildung stärken – Fernhalteprämie stoppen“, das ist das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde und das Thema ist topaktuell.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja.)

Wenn man in die Zeitung guckt oder die Nachrichten hört, dann ist das ein ganz aktuelles Thema. Wir erinnern uns: Ziel der jetzigen Bundesregierung war es, ab 2013 einen Betreuungsplatz für alle Kinder unter drei Jahren anzubieten. Davon sind wir Legionen entfernt. Nach Aussage des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der kommunalen Spitzenverbände fehlen zurzeit noch 230.000 Krippenplätze und es ist nicht erkennbar, wie dieses Ziel, jedem Kind einen entsprechenden Platz anzubieten, bis 2013 erreicht werden soll.

Das Betreuungsgeld war von Anfang an ein fauler Kompromiss, denn das Geld wird dem Krippenausbau entzogen, das Geld steht letztendlich dafür nicht zur Verfügung und es ist kein zeitgemäßes Konzept. Insofern hat man sich damals die Zustimmung der CSU eingekauft, bei

dieser Sache mitzumachen. Inzwischen hat sich die schwarz-gelbe Bundesregierung bei dem Thema völlig verrannt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht nur bei dem.)

Die Familienministerin Frau Schröder, Herr Kokert, da sind wir uns einig, ist der Prototyp einer absoluten Fehlbesetzung. Die kommt jetzt mit dem Vorschlag

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

und sagt, Betreuungsgeld soll nur derjenige kriegen oder diejenige kriegen, die auch zum Arzt geht und das Kind untersuchen lässt, ein bisschen abwegig. Jetzt meldet sich der CDU-Fraktionsvorsitzende und sagt, ja, wenn ihr dem Betreuungsgeld zustimmen könntet, dann könnten wir uns vorstellen, noch was bei der Rente zu machen. Ich bin auch nicht gegen Rentenerhöhung,

(Vincent Kokert, CDU: Ist klar, ja.)

aber was Rente mit Kindertagesstättenbetreuung zu tun hat, das bleibt man an der Stelle schuldig. Darauf gibt es keine Antwort.

Und dann meldet sich unsere Kanzlerin zu Wort und sagt, das ist ein Gebot der Fairness. Wir machen das Betreuungsgeld, das ist ein Gebot der Fairness, die Kanzlerin mittendrin. Und heute Morgen mache ich das Radio an und habe gedacht, ich höre nicht richtig, weil die Nachricht war folgende: Kompromiss beim Betreuungsgeld gefunden, Hartz-IV-Empfänger sollen von der Leistung ausgeschlossen werden. Das heißt, das ist falsch, sie sollen nicht ausgeschlossen werden, sie sollen zwar einen Anspruch haben,

(Michael Andrejewski, NPD: Das wird angerechnet.)

aber die Leistung wird ihnen dann quasi bei den SGB-IILeistungen angerechnet. Sie wird ihnen angerechnet. Und da muss man sich doch die Frage stellen: Was hat das auf der einen Seite mit der Hartz-IV-Einführung zu tun? Es geht doch hier um eine ganz andere Frage. Es geht um die Frage: Was haben diese Leute für ein Menschenbild?

(Zurufe von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Was haben diese Leute für ein Menschenbild, Herr Ritter? Das lassen wir uns von Ihnen nicht an die Backe heften. Da können Sie sicher sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja, ja.)

Es werden Personengruppen hier pauschal betrachtet. Sie werden isoliert und stigmatisiert,

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

indem man ihnen unterstellt in toto, ihr könnt mit euren Kindern nicht umgehen. Und die ganze Sache ist ja noch viel fataler. Wie sieht es denn beispielsweise mit den Aufstockern aus? Also wie sieht es mit denen aus, die jeden Tag acht Stunden arbeiten und deren Lohn nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu finanzieren?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Haben die denn auch keinen Anspruch auf Betreuungsgeld, weil sie jetzt hier ergänzende Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen müssen?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das wird angerechnet wahrscheinlich, oder?)

Und das Ganze wird ja immer perfider. Das wird ja immer perfider, denn Sozialleistungen werden unter dem Grundsatz der Nachrangigkeit gewährt. Das steht ganz vorn drin. Sozialleistungen erhält nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen erhält. Und der Paragraf 12a im SGB II präzisiert die ganze Sache. Ich zitiere: „Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist.“ Das ist Satz 1 des Paragrafen 12a SGB II.

Was heißt das? Werden jetzt Hartz-IV-Empfänger verpflichtet, Betreuungsgeld in Anspruch zu nehmen, um ihre vorrangigen Leistungsansprüche zu realisieren? Und bedeutet das quasi, dass sie über die kalte Küche letztendlich auch nicht mehr in der Situation sein werden, ihre Kinder in Einrichtungen zu bringen? Das, finden wir, ist alles eine sehr schwierige Geschichte und dem muss man sich entgegenstellen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber apropos Fairness, um noch mal auf die Kanzlerin zurückzukommen. Was ist denn fair?

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

Die ganze Sache hat zwei Seiten, einmal: Was ist fair unter dem Gesichtspunkt der Familien und Eltern? Ich habe diese Woche im Internet gesehen, in der FAZ war ein Artikel, der sich noch mal bezog auf Bayern nach dem Motto: Die Bayern – das war ja immer so in der Diskussion – puschen das Thema Betreuungsgeld, weil viele halt zu Hause sind und das gern auch zu Hause mitnehmen. Und dann brachte man andere Beispiele, wo das nicht so ist, aber wo die Eltern dann ihre Kinder auch nicht in Einrichtungen haben.

Das erste Beispiel: Die Frau war Ärztin, Anästhesistin, und der Mann war Urologe. Fünf Kinder waren schon da, das sechste war unterwegs. Und die wurden jetzt als Beispiel berühmt, wie toll die sich um Kinderbetreuung letztendlich kümmern.

Zweites Beispiel war eine erfolgreiche Rechtsanwältin mit ihrem Mann, die die Kinderbetreuung organisiert bekommen.

Und das dritte Beispiel war eine CSU-Abgeordnete im Europaparlament, die die Kinderbetreuung auch so organisiert bekommt.

Das ist doch keine Frage: Natürlich sind das Leute, die die Ressourcen haben, diese Dinge eigenverantwortlich organisieren zu können, aber das ist doch nicht die breite Masse. Bei der breiten Masse sieht es doch ganz anders aus. Die sind auf das Thema Kinderbetreuung in dem

Umfang angewiesen. Also einmal der Aspekt Familien- und Elternseite – Fairness, dazu wird sich unsere Kollegin Tegtmeier noch äußern, und das Zweite ist der Bereich der Kinder. Und die Frage ist ja in dem Kontext zu stellen: Wie konsistent ist denn eine Politik?

Gestern fand bei der Kanzlerin der Demografiegipfel statt und ein Schwerpunkt, den man herausgearbeitet hat, ist der Bereich der Bildung. Und zwar will man sich bildungsmäßig auf Kinder aus sozial schwächeren Familienverhältnissen und auf Kinder aus Migrantenfamilien konzentrieren, wenn man sagt, die haben oft Hemmnisse. Das ist doch kein roter Faden, dass man diese Erkenntnis hat. Dann muss man doch gerade bei den Kleinen anfangen. Bei den Kleinen wird der Grundstock gelegt. Und deswegen ist das eine Politik, die von Brüchen gekennzeichnet ist, von faulen Kompromissen.

Ich kann nur darum bitten, dass wir aus MecklenburgVorpommern das nicht mitmachen und ein klares Signal von uns nach Berlin geht, dass wir einen solchen Unfug nicht unterstützen und uns klar dagegenstellen. – Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Heydorn, das klare Signal wird es nicht geben, weil der Antrag, den Sie mit der CDU ja vorbereitet hatten, zurückgezogen wurde und damit eine Beschlussfassung des Landtages zu diesem Thema zur Ablehnung des Betreuungsgeldes nicht zustande kommen kann.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Da können wir alle hier unsere Positionen formulieren, aber eins bleibt offen, wie denn die Position der Koalition, und zwar als Koalition, so, wie es im Vertrag auch steht, zu dieser Frage tatsächlich im Einzelnen aussieht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das haben Sie doch gehört, Herr Holter. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Das sind nicht die Aussagen der Koalition, das sind die Aussagen der SPD. Die Aussage der CDU wird sicher eine andere sein. Da bin ich mal ganz gespannt, was Herr Kokert, oder wer von Ihnen hier spricht, zum Besten geben wird.