ein Landesbegrüßungsgeld für deutsche Neugeborene und ein mit steuerlichen Anreizen gefördertes Ansiedlungsprogramm für kleine und mittlere Betriebe.
(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat ja nun wenig mit Ehrenamt zu tun. Da haben Sie wohl wieder nicht aufgepasst in der Enquetekommission.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Jetzt haben wir reichliches Lob für die Ehrenamtsstiftung gehört und auch ein präventives Bashing der Opposition,
vor allen Dingen der Bündnisgrünen-Fraktion, dafür, dass sie es wagt, nicht zu applaudieren, sondern den Prozess kritisch zu begleiten,
Guten Morgen, Herr Sellering, wir sind die Opposition und wir dürfen das! Das ist sogar unser Auftrag.
(Beifall Regine Lück, DIE LINKE, und Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Andrejewski, NPD: Willkommen im Verfassungsschutzbericht!)
(Torsten Renz, CDU: Aber Aufgabe ist es auch, Alternativen zu benennen. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
und offensichtlich auch schon koalitionswillig zeigt und leider nicht widerständig geblieben ist. Ich hätte mir das sehr gewünscht,
(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ach, Frau Gajek, es geht doch jetzt um die konkrete Arbeit vor Ort.)
Wir reden auch nichts schlechter, als es von Ihnen gemacht ist, Herr Sellering, aber zehn Jahre Große Koalition verzerren offenbar doch ein bisschen den Blick für die Realitäten und für die Minderheitenrechte im Parlament
und machen empfindlich für jede Form von Kritik. Sewan Latchinian weiß, wovon ich spreche. Und auch in dieser Angelegenheit sieht der Ministerpräsident Veränderungsbedarf nicht etwa bei der Ehrenamtsstiftung selbst, sondern vor allem in der Berichterstattung darüber, nur scherzhaft natürlich.
Wir hatten auch überlegt, ob wir nach gutem Brauch nicht schon im vergangenen Herbst nach hundert Tagen eigentlich Bilanz ziehen sollten, aber das schien uns dann doch zu früh. Und nun hat die Koalition mit dieser Aussprache selbst den Anlass für ein Geburtstagsständchen gegeben. Also happy Birthday, liebe Ehrenamtsstiftung!
Schön, dass wir seit einem Jahr eine Stiftung für das Ehrenamt haben, schön, dass kleine Initiativen nun leichter an Geld für ihre Projekte kommen.
Schön, dass Engagierte mehr Beratung und Weiterbildung bekommen, aber schade, dass das schon alles gewesen sein soll.
(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Heinz Müller, SPD: Aber das ist doch eine ganze Menge, ne?)
Eine Stiftung ist ja an sich schon eine eigene Form von Engagement, unabhängig, eigensinnig und gemeinnützig, überall da eingreifend, wo Hilfe gebraucht wird.
Doch eine Stiftung, die per Satzung von einem Geschäftsführer geleitet wird, der von einem Vorstand aus lauter Mitgliedern der Koalitionsparteien bestimmt wird, der von einem Stiftungsrat aus mehrheitlichen Staatskanzleiangehörigen kontrolliert wird, dem der Ministerpräsident selbst vorsitzt, noch dazu mit einem Kuratorium, das überhaupt nichts zu sagen hat, eine solche Stiftung kann weder Unabhängigkeit noch Eigensinn, noch Gemeinnützigkeit für sich in Anspruch nehmen
Und es ist natürlich die Frage, inwiefern gerade diese Stiftung möglicherweise dafür nutzt, den Spitzenkandidaten der SPD prominenter zu setzen, zu fördern. Da habe ich am Ende mehr davon, als beim MP stiften zu gehen. Ich denke, das ist eine Frage, die wir hier auch noch mal betrachten müssen.
Bürgerschaftliches Engagement will aber selbst gestalten und nicht von außen verwaltet werden. Als Kinder vieler Bürgerbewegungen wissen und schätzen wir Bündnisgrüne das. Aber so, wie Erwin Sellering seine Stiftung versteht, nämlich als Dienstleister, so versteht er offenbar auch die Ehrenamtlichen im Land – als Dienstleister,
eine Landesbehörde mit höheren und niederen Beamten. Nichts könnte weiter von der Wirklichkeit gerade kleiner Engagementinitiativen entfernt sein, die Sie fördern wollen.
Alle Engagementförderungen inklusive der Ehrenamtsstiftung verpuffen jedoch ohne ihre Einbindung in integrierte Engagementstrategien von Land, Kreisen, Ämtern und Gemeinden. Grundlage einer solchen Engagementstrategie wäre ein Engagementetat im Landeshaushalt. Diese Strategie müsste auch das Verhältnis von Hauptamt zu Ehrenamt klären sowie die Erziehung zum Engagement angehen. Solange es aber keinen Engagement- etat und keine Engagementstrategie gibt, werden immer zuerst die Wohlfahrtsverbände, die freiwilligen Rettungs- und Katastrophendienste sowie die Sportverbände, dann die Vereinslandschaft und erst zuallerletzt die freien Initiativen und Projekte den Rahm der Ehrenamtsförderung abschöpfen – der zuerst kommt und am lautesten schreit.