Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes und anderer Gesetze, Drucksache 6/376.
Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes und anderer Gesetze (Erste Lesung) – Drucksache 6/376 –
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gerade mit großer Einmütigkeit einen Gesetzentwurf zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen, weil wir uns im Thema einig waren. Ich verhehle nicht, dass ich den Wunsch habe, dass dieses mit unserem vorgelegten Gesetzentwurf ebenso geschieht. Ich bitte also schon zu Beginn meiner Rede um eine Überweisung unseres Gesetzentwurfes in die vorgeschlagenen Ausschüsse. Allerdings erlauben Sie mir, dass ich dann doch schon zu Beginn Zweifel anmelde. Vielleicht überraschen Sie mich heute, aber einige Dinge auch des heutigen Tages nähren diese Zweifel.
Als der Kollege Saalfeld heute in der Haushaltsdebatte den Ministerpräsidenten mit der Bemerkung angesprochen hat, die „Gleichstellungsministerin“ wird dieses oder jenes schon machen, meinte Herr Sellering „Arbeitsministerin“. Das sagt schon vieles über die Schwerpunktsetzung in dem Haus aus, und ich weiß eben nicht, ob es gut ist, dass der Bereich Gleichstellungspolitik unter
Lassen Sie mich ein anderes Beispiel anführen: Auf der letzten Sitzung des Innenausschusses hatten wir 13 Gäste aus dem Innenministerium und aus dem Landesrechnungshof, darunter war eine Frau. Lassen Sie mich einen Blick noch weiter zurückwerfen. Auf den Wahlveranstaltungen vor der Landtagswahl hat die SPD und hat vor allen Dingen
der Ministerpräsident nicht nur einen Paukenschlag versprochen, sondern auch eine zeitnahe Novelle des Gleichstellungsgesetzes angekündigt.
Lassen Sie mich noch weiter zurückschauen. Ich zitiere: „Für den Unterhalt der Streitmacht und für die Kosten der Verwaltung sind die Abgaben der Frau und des Mannes gleich; sie hat Anteil an allen Strapazen, an allen beschwerlichen Arbeiten; sie muss deshalb ebenso Anteil an der Besetzung von Stellen, Ämtern, Arbeitsplätzen, Würden und Gewerben haben.“ Zitatende. Dieses Zitat, liebe Kolleginnen und Kollegen, stammt aus dem Jahre 1791 von der Frauenrechtlerin Olympe de Gouges. Obwohl dieses Zitat mehr als 300 Jahre alt ist,
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe. In allen fachpolitischen Bereichen müssen die unterschiedlichen Belange von Frauen und Männern von vornherein und kontinuierlich berücksich- tigt werden. Trotz dem, dass von der Landesregierung immer wieder betont wird, dass die Ansiedlung des Gleichstellungsthemas im Sozialministerium mit Beginn der 6. Legislaturperiode eine gut durchdachte und sinnvolle Maßnahme war, sind wahrlich nur wenige in der Gleichstellungsarbeit Tätige von dieser Sinnhaftigkeit überzeugt, denn sie spüren nichts von Aufbruch, von Nachhaltigkeit, von Förderung und Unterstützung. Sie bemerken Stillstand und Rückschritt. Auch wenn Gleichstellungspolitik nicht als Abteilung, sondern als Leitstelle im Sozialministerium angesiedelt wurde, ist die Betrachtung der Gleichstellung als Querschnittsaufgabe in der Landespolitik aus meiner Sicht und aus Sicht vieler Betroffener nicht mehr gewährleistet.
Die Gleichstellungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern wurde aus ihrer fast zwei Jahrzehnte währenden übergeordneten Position mit Ansiedlung in der Staatskanzlei in ein Fachministerium abgeschoben und personell zusammengeschrumpft. Das können Sie nun wahrlich niemandem als fortschrittliche oder sinnbringende Maßnahme verkaufen. Um der Gleichstellung die Bedeutung beizumessen, die ihr gesellschaftlich zukommen muss, und um Gleichstellung im Land weiter voranzubringen, müssen weitere Schritte eingeleitet und vor allem rechtliche Regelungen geschaffen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Ihnen liegt ein Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst, das im
Jahr 1994 erstmals in Kraft trat, sowie zur Änderung beziehungsweise Ergänzung des Landesstatistikgesetzes, des Landes- und Kommunalwahlgesetzes und des Gesetzes zur öffentlichen Auftragsvergabe. Wir wollen, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in Mecklenburg-Vorpommern weiter vorangebracht wird. Dazu gehört, dass Gleichstellungskriterien nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern in weiteren Bereichen mit staatlichem Einfluss fest verankert werden.
Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet im Wesentlichen vier Artikel sowie in Artikel 5 die Schlussbestimmungen. Der umfangreichste Teil des Gesetzentwurfes betrifft in Artikel 1 die Änderung des Gesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst. Wir wollen den Wirkungsbereich erweitern und es zu einem Gesetz zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Mecklenburg-Vorpommern machen und nicht nur im öffentlichen Dienst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst wurde im Jahr 1998 einer grundlegenden Neufassung unterzogen, Änderungen, die in den Jahren 2002, 2006 und 2009 vorgenommen wurden, betreffen Teilbereiche dieses Gesetzes. Damit wird deutlich, dass das Gesetz dringend einer Überarbeitung und Modernisierung bedarf, zumal sich auch auf Bundesebene einiges getan hat. So ist zum Beispiel im Bundesgleichstellungsgesetz das Alter des Kindes, bis zu dem Familienpflichten bestehen, auf 18 Jahre angehoben worden.
Mit dem Gesetzentwurf wird der Geltungsbereich des Gesetzes ausgeweitet. Die Bestimmungen sollen nicht nur für den öffentlichen Dienst gelten, sondern auch für die Beteiligungsunternehmen des Landes sowie darüber hinaus für Unternehmen und Einrichtungen, die privatisiert und veräußert wurden. Rechtlich steht dem nichts entgegen. Werden durch das Land Unternehmen veräußert, gelten grundsätzlich die gleichen Rahmenbedingungen wie im privaten Recht allgemein. Nebenabreden zur Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes können somit in den Verträgen geregelt werden.
Bei Veräußerungen von kommunalen Unternehmen ist der Eingriff in die Finanzhoheit und somit die kommunale Selbstbestimmung damit zu rechtfertigen, dass die Gleichberechtigung Zielstellung des Landes und als solche in Paragraf 13 der Landesverfassung festgeschrieben ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, neu im Gesetzentwurf ist auch die Aufnahme und explizit die Formulierung von Gleichstellungsgrundsätzen sowie der Gleichstellungsverpflichtung. Darin wird verankert, dass Frauen und Männer wegen ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und des familiären oder lebenspartnerschaftlichen Standes nicht diskriminiert werden dürfen. Damit sollen Vorbehalte gegenüber bestimmten familiären oder lebenspartnerschaftlichen Modellen ausgeräumt und insgesamt das Umdenken in der Gesellschaft befördert werden,
denn Familie bedeutet heute viel mehr, Herr Pastörs, als die im rechtlichen Status der Ehe verankerte Mutter
Wichtig ist auch die Aufnahme des Gebots zur Umsetzung angemessener Vorkehrungen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile für Menschen mit Behinderungen. Menschen, insbesondere Frauen mit Behinderungen, soll eine größtmögliche gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden. Ebenso sollen Menschen mit Migrationshintergrund, Herr Petereit, insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund, im Sinne dieses Gesetzes gezielt gefördert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, anstelle eines Förderplanes ist zukünftig in jeder Dienststelle im Sinne dieses Gesetzes ein Gleichstellungsplan zu erstellen. Das ist nicht nur ein Wortwechsel, denn damit soll der Blick für den gesamten Prozess der Doppelstrategie GenderMainstreaming geschärft werden. Gleichstellung betrifft Frauen und Männer gleichwohl. Beide Geschlechter müssen bei dem Prozess mitbedacht werden, beide Geschlechter sollen bei der Verwirklichung des Ziels der Gleichstellung mitwirken, sich angesprochen und verantwortlich fühlen.
Eine zentrale Aufgabe ist bei der Erstellung der Gleichstellungspläne daher weiter, die Unterrepräsentanz von Frauen in Funktionen mit Vorgesetzten und Leitungsfunktionen zielgerichtet abzubauen. Die Kriterien zum Auswahlverfahren bei Ausbildung, Einstellung und Beförderung werden deutlich ausgeweitet, um Diskri- minierungen entgegenzuwirken und Frauen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, gezielt zu fördern.
Anfang des Jahres wurden in Mecklenburg-Vorpommern 36 Frauen in Aufsichtsräte landeseigener Unternehmen entsandt. Dies macht bei insgesamt 66 Aufsichtsratsposten einen Frauenanteil von über 50 Prozent. Das begrüßen wir ausdrücklich, zumal wir bereits im Jahr 2009 hier im Landtag einen Antrag gestellt haben, eine Frauenquote für Aufsichtsräte einzuführen. Wie Sie sich vielleicht noch erinnern können, schmorte der Antrag fast 2 Jahre lang im Ausschuss vor sich hin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um die geschlechterparitätische Besetzung von Gremien auch langfristig zu sichern, muss sie per Gesetz geregelt werden. Die bisherige Bestimmung zur Besetzung der Gremien und Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern in Aufsichtsräte und andere Gremien außerhalb der Verwaltung wird mit dem Gesetzentwurf ausgeweitet und verbindlicher geregelt.
Auch die staatliche Leistungsgewährung ist zu nutzen und gezielt auf die Übernahme von Gleichstellungskriterien, unter anderem in der Privatwirtschaft, hinzuwirken. So soll ab einem Betrag von 25.000 Euro für Leistungsempfangende mit mehr als 10 dauerhaft Beschäftigten die Gleichstellungsverpflichtung gemäß Paragraf 2c Absatz 1 Anwendung finden.
Der Bericht zur Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes soll laut Paragraf 15 des bisherigen Gleichstellungsgesetzes im Abstand von 5 Jahren vorgelegt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die letzte Berichterstattung fand im Juni 2006 statt. 2011 hätte der nächste Bericht vorliegen müssen – bis jetzt ist nichts passiert. Die Landesregierung ist mit der Berichterstattung bereits ein Jahr in Verzug. Und ich hoffe, Frau Ministerin, dass Sie demnächst Ihrer gesetzlichen Verpflichtung umgehend nachkommen und den Gleichstellungsbericht vorlegen.
Zukünftig soll die Landesregierung, so unser Vorschlag, dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern einmal in der Mitte der Legislaturperiode über die Umsetzung berichten. Damit soll gewährleistet werden, dass keine Landtagswahlen dazwischenkommen und man dann einfach vergisst, den Bericht vorzulegen. Und damit soll gewährleistet werden, dass dem Parlament ausreichend Zeit zur Beratung und Kontrolle der Gesetzesumsetzung zur Verfügung steht.
Unabdingbare Voraussetzung für eine zielgerichtete Gleichstellungspolitik sind verlässliche Daten zur Situation von Frauen und Männern in Mecklenburg-Vorpommern. Um dies zu erreichen, sehen wir in Artikel 2 des Gesetzentwurfes eine Ergänzung des Landesstatistikgesetzes vor. Alle Merkmale, die zu natürlichen Personen erhoben werden, sollen differenziert nach Geschlecht erhoben und ausgewertet werden. Bisherige Bemühungen, auf eine geschlechterdifferenzierte Datenlage hinzuwirken, sind unzufriedenstellend ausgegangen. Auch die im Jahr 2010 mit einem gemeinsamen Antrag der demokratischen Fraktionen geforderte Fortschreibung der Sonderhefte des Statistischen Landesamtes „Frauen in M-V im Spiegel der Zahlen“ liegt bis heute nicht vor.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir haben viel zu tun. Unser Gesetzentwurf leistet einen Beitrag, diesen wichtigen Weg zu gehen, und wir leisten damit einen Beitrag zur Umsetzung des Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung. Dieser trägt die Überschrift „Neue Wege – gleiche Chancen, Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf“. Lassen Sie uns also diese gemeinsamen Wege gehen! Ich bitte Sie um Überweisung unseres Gesetzentwurfes. – Danke schön.
Herr Abgeordneter Ritter, ich möchte Sie aber trotzdem darauf aufmerksam machen, dass Sie zu Beginn Ihres Redebeitrages zur Einbringung einen unparlamentarischen Begriff benutzt haben, den ich zurückweise.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache vereinbart worden mit einer Dauer von 60 Minuten. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erste spricht die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales. Bitte schön, Frau Ministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit Interesse habe ich den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes zur Kenntnis genommen. Wie Sie wissen, ist es ein zentrales Vorhaben der Landesregierung, das beste
hende Gleichstellungsgesetz weiterzuentwickeln. So ist es bereits in Punkt 248 des Koalitionsvertrages vereinbart. Insoweit werde ich natürlich gerne Ihre Anregungen prüfen, inwieweit diese im Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, gestatten Sie mir einen kleinen Ausflug in die Historie des Landesgleichstellungsgesetzes: Am 27. Juni 1998 trat das Gleichstellungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern in Kraft. Seit seinem Inkrafttreten ist das Gesetz mehrfach geändert worden. 2002 wurde die Berichterstattung zum Gesetz neu geregelt. Die Berichterstattung erfolgt nunmehr alle fünf Jahre, beinhaltet aber neben einer reinen quantitativen Analyse des Personals auch qualitative Untersuchungen zur Bestimmung von Ursachen zu Ungleichheiten. Die letzte Änderung ist seit 2006 gültig, sie betraf insbesondere die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung, die die Gleichstellungsbeauftragten in Angelegenheiten vertritt, die von allgemeiner Bedeutung sind und über den Geschäftsbereich einer obersten Verwaltungsbehörde hinausgehen.
Eine Überarbeitung der Gleichstellungsgesetze steht zurzeit bei vielen Ländern auf der Tagesordnung. Eine länderoffene Arbeitsgruppe, auf Anregung von Mecklenburg-Vorpommern, tauscht dazu Erfahrungen aus, sodass auch Erkenntnisse aus anderen Ländern in die Konkretisierung unseres Gleichstellungsgesetzes einfließen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete von der Fraktion DIE LINKE, mit einigen Ihrer Vorschläge stimme ich überein. So unterstütze ich Ihren Ansatz, dass zukünftig nicht nur die Beseitigung von Diskriminierung von Frauen als Ziel zu formulieren ist, sondern dass auch der Blick auf die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu richten ist. Auch die stärkere Berücksichtigung der Gleichstellung bei der Personalentwicklung ist eine gute Idee, die Sie aus unserem Koalitionsvertrag aufgegriffen haben. Die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten wird damit gestärkt, mehr Frauen können so für Führungspositionen in der Landesregierung gewonnen werden.
Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf die Arbeit der vergangenen Wochen und Monate hinweisen. Wir haben im Bereich der Führungspositionen Fortschritte erzielt. So haben wir mittlerweile drei beamtete Staatssekretärinnen, wir hatten bisher zwei Abteilungsleiterinnen, jetzt sind es sechs. Da gibt es noch weiterhin viel zu tun, aber ein Anfang ist gemacht. Ich will ausdrücklich betonen, alle diese Besetzungen sind sehr gute Besetzungen von Fachfrauen.