Protocol of the Session on April 22, 2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 119. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 36: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Mecklenburg-Vorpommern in einem Europa ohne Binnengrenzen – Errungenschaften der europäischen Integration bewahren, Drucksache 6/5306. Hierzu liegen Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5371 und ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/5372 vor.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Mecklenburg-Vorpommern in einem Europa ohne Binnengrenzen – Errungenschaften der europäischen Integration bewahren – Drucksache 6/5306 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/5371 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/5372 –

Das Wort zur Begründung des Antrages hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Detlef Müller.

Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von mir noch mal ein herzliches guten Morgen!

(Stefanie Drese, SPD, Wolf-Dieter Ringguth, CDU, Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Guten Morgen! – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, vielen Dank.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Europäischen Union haben wir gegenwärtig eine Vielzahl, wenn man das so sagen darf, von Baustellen, und ich persönlich mache mir schon große Sorgen, was die Beräumung der einen oder anderen Baustelle betrifft.

Zu laut? Zu leise?

(Manfred Dachner, SPD: Kannst weitermachen. –

Die Anlage ist irgendwie ein bisschen komisch.

Das war aber oben schon, das hört sich

so komisch an. – Stefanie Drese, SPD:

Aber man kann das doch nicht verändern. –

Detlef, du klingst ganz komisch.)

Also ich bitte doch mal die Technik, es gibt hier einige Reklamationen mit dem Rednerpult, ob da eventuell Abhilfe geschaffen werden kann.

(Manfred Dachner, SPD: Der soll sich nicht so anstellen.)

Aber ich würde sagen, Herr Müller, solange sich keiner zu sehr belästigt fühlt, versuchen Sie es vielleicht mal etwas leiser.

Okay, dann versuche ich es mal etwas leiser.

Also ich hatte gerade darüber gesprochen, dass ich mir durchaus persönlich Sorgen mache, was die Beräumung einiger dieser Baustellen betrifft. Die Herausforderungen, die hier vor der EU stehen, sind durchaus, ich glaube, das kann man so sagen, historisch. In unserem Antrag skizzieren wir einige dieser Herausforderungen und, völlig klar, eine verbindliche Lösung der Flüchtlings- und Migrationsfrage gehört natürlich zu den dringendsten Aufgaben, die auf der europäischen Agenda zu erarbeiten sind. Die damit verbundene reflexartige Forderung zur Aufgabe des sogenannten Schengen-Abkommens ist, wie ich finde, auch keine Lösung, denn das Schengen-Abkommen gehört zu den größten Errungenschaften der europäischen Integration.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Die Geschichte des Schengen-Abkommens steht sinnbildlich für das Zusammenwachsen Europas und darum, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, kann und will ich mir ein Europa ohne Schengen jedenfalls nicht vorstellen. Diese Baustelle sollte unbedingt einvernehmlich abgeräumt werden, denn unser Bundesland hat im großen Maße vom vollendeten Binnenmarkt und den Bestimmungen des Schengen-Abkommens profitiert. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit diesem Antrag auch die Landesregierung noch einmal auffordern, sich für ein Europa ohne Binnengrenzen einzusetzen, damit unser Land sich auch weiterhin wirtschaftlich gut entwickeln kann.

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, seit vielen Jahren setzen sich die in die Parlamentsforen entsendeten Vertreter des Landtages für zivilgesellschaftliche Kontakte vor allem im Jugendbereich ein. Diese dürfen wir nicht gefährden und deshalb ist es wichtig, das Forum Ostsee als wichtigste Schnittstelle der Akteure im Ostseeraum auszubauen. Dabei hat die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Beratungen der Parlamentsforen immer einen exponierten Platz eingenommen. Diesen dürfen wir auch nicht durch das Rütteln am sogenannten Schengen-Abkommen gefährden. Wir sollten in der nächsten Woche das Vorbereitungstreffen für das nächste Parlamentsforum in Hamburg dazu nutzen, einen entsprechenden Passus für die Resolution zu finden, und diesen Passus dann in die Resolution reinschreiben, denn in der Regel werden diese Resolutionen ja, wie es auch bei uns gängige Praxis ist, jeweils in den Parlamenten noch mal behandelt und beschlossen und sind somit Auftrag für die jeweilige Landesregierung.

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, uns ist klar, dass wir mit diesem Antrag die angesprochenen Baustellen nicht abräumen werden. Er könnte aber vielleicht dazu beitragen, dass die eine oder andere Baustelle etwas aufgeräumter wird. Mit unserer Positionierung würden wir ein klares politisches Zeichen aus dem Ostseeraum und aus Mecklenburg-Vorpommern senden, das der Kommission bei ihren Bestrebungen, zum alten

Schengen-Abkommen zurückzukommen, durchaus Rückenwind geben könnte. Ich bitte Sie daher um Zustimmung für unseren Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Dr. Brie.

Liebe Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um es offen zu sagen, ich habe mich in meiner Fraktion sehr positiv zu diesem Antrag von SPD und CDU geäußert.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Es gab aber Kollegen, die mehr gefordert haben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig. – Minister Harry Glawe: Herr Ritter war es. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

und sie haben auch recht, dass es weit mehr als die von den beiden Regierungsfraktionen genannten Herausforderungen für die Europäische Union gibt – Kollege Müller hat selbst darauf hingewiesen – und dass die Gefahren für die europäische Integration noch wesentlich größer geworden sind.

Eigentlich wissen wir es alle, die Medien und viele Politikerinnen und Politiker in der EU und auch in der Bundesregierung haben es deutlich geäußert: Es ist dankenswert und dringend erforderlich, dass SPD und CDU die äußerst positiven europäischen Seiten im Allgemeinen und für Mecklenburg-Vorpommern hervorgehoben haben und verteidigen. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist, dass SPD und CDU sich diesmal vor allen Dingen auf ein konkretes und praktisches Problem konzentrieren. Dazu gehört die Verteidigung der Arbeitnehmerfreiheit als eine der vier grundlegenden Freiheiten der Europäischen Union.

Wie meine Kolleginnen und Kollegen in der LINKEN würde ich das Schengener Abkommen jedoch nicht allein auf die wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen reduzieren, sondern – ähnlich, wie das die GRÜNEN in ihrem Antrag gemacht haben – auch auf die Flüchtlingssituation an den Grenzen deutlicher hinweisen. Das war auch der Grund für die Diskussion in meiner Fraktion zu diesem Antrag. Dennoch habe ich mich für eine klare Zustimmung eingesetzt.

Dass sich in der Europäischen Union oder in Mazedonien statt offener Grenzen Zäune, Mauern, Nationalismus, Grenzkontrollen und Abgrenzung durchsetzen, ist in jeder Hinsicht bedrohlich. Gerade ein Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern hat jeden Grund, sich dagegen zu wenden. Anders als die CSU in Bayern würden demokratische Parteien in unserem Land sich daher nicht für verstärkte Grenzkontrollen einsetzen. Die Regierungsfraktionen haben es in ihrem Antrag gut begründet. Ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür.

Gerade deshalb aber bitte ich Sie auch herzlich, sich den Änderungsantrag meiner Fraktion genau anzusehen und ihn nicht einfach abzulehnen.

(Stefanie Drese, SPD: Das machen wir nicht.)

Ich werde dazu jetzt sehr persönlich. Gestern musste ich mich aus einem anderen Grund in Berlin an den Außenminister Herrn Steinmeier wenden. Ich habe das aber auch genutzt, um an dem Egon-Bahr-Symposium an diesem Tag teilzunehmen. Dort haben der Außenminister, führende Politiker der SPD, der CDU, der GRÜNEN, Wissenschaftler sowie Diplomaten aus Polen und Russland gesprochen und miteinander diskutiert. Praktisch alle haben sich größte Sorgen um die europäische Integration und Einigung gemacht. Gernot Erler aus der SPD sagte, dass er sich keine gesamteuropäische Friedensordnung vorstellen könne, wenn die europäische Integration nicht erhalten bleibe. Ich sehe das genauso. Alle Sprecherinnen und Sprecher setzten sich mit der Zunahme des rechten und antieuropäischen Populismus auseinander. Von der Zunahme, wie es im Antrag von SPD und CDU heißt, eines linken europäischen Populismus gab es dort kein einziges Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, insbesondere lieber Kollege Müller, ich habe mich umfangreich kundig gemacht und auf meinem Platz könnten Sie sich jetzt zahllose Äußerungen von Frau Merkel, von Herrn Steinmeier, Herrn Gabriel, Herrn Schulz und Herrn Juncker aus vielen europäischen Zeitungen über die Zunahme von rechtem Populismus in Europa angucken. Nicht einen einzigen Artikel werden Sie über die Zunahme eines linken Populismus finden. Aber das ist auch nicht mein größtes Problem. Ich denke, Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, verwässern damit Ihren eigenen Antrag und die wirklichen Gefahren, wenn Sie das in einen Topf schmeißen.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, um wenigstens eine Sache zu zitieren, hat hinsichtlich des rechten Populismus wörtlich gesagt: „Diese Typen muss man bekämpfen.“

(Michael Andrejewski, NPD: Küken?)

Ich denke, wir sollten das gemeinsam machen, und deshalb bitte ich Sie dringend, zu überlegen, ob Sie nicht unserem Änderungsantrag zustimmen. Ansonsten kann ich meiner Fraktion nur empfehlen, sich der Stimme zu enthalten, und das wäre sehr schade. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Stefanie Drese, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Texter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Dr. Brie, für Ihren engagierten Vortrag.

Meine Damen und Herren, mit dem Ihnen hier vorliegenden Antrag wollen die Koalitionsfraktionen ein klares Zeichen setzen, ein Zeichen für die europäische Idee, ein Zeichen in einer Zeit, in der Europa eine schwere, wenn nicht sogar die schwerste Krise durchlebt. Kommissions

präsident Juncker hatte kürzlich festgestellt, dass die Europäische Union in keinem guten Zustand sei. Grundwerte der Union wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Wahrung der Menschenrechte scheinen bisweilen zu leeren Worthülsen verkommen zu sein. In Ungarn wurden Kritiker und Journalisten eingeschüchtert und verfolgt, in Polen wurden die Rechte des Verfassungsgerichts massiv beschnitten, in verschiedensten Ländern sitzen Rechts- wie Linkspopulisten und Europakritiker in den Parlamenten, und als wenn derartige innenpolitische Entwicklungen nicht schon genug wären, sind die Mitgliedsstaaten in der aktuellen Flüchtlingskrise zerstrittener denn je.

So gibt es nach wie vor keine gesamteuropäische Lösung, im Gegenteil, manche Staaten sprechen sich offen für die Wiedereinführung dauerhafter Grenzkontrollen aus. Dies wäre nichts anderes als eine Aufkündigung des Schengen-Abkommens.