Protocol of the Session on April 20, 2016

Die Auswirkungen dieser schlechten Infrastruktur waren banal bis fatal. Wer auf der Autobahn schneller als 100 fuhr, war selbst schuld, aber das war vor allem ärgerlich und nur bedingt gefährlich. Andere Versäumnisse haben weitaus schlimmere Folgen. Die Umweltverschmutzungen hatten ein furchtbares Ausmaß angenommen, frei nach dem Motto: Steinkohlekraftwerke von kapitalistischen Unternehmen sind pfui und volkseigene Braunkohlekraftwerke sind hui.

Ganz schlimm sah es bei den Versorgungsleitungen und der Abwasseraufbereitung aus. Ich weiß nicht, wie oft Kläranlagen hier in der Region überliefen und wie oft das Baden im Schweriner See möglicherweise verboten werden musste. Und in der Fläche war es keinesfalls besser als in der Landeshauptstadt. Um vernünftige Standards sicherzustellen und sauberes Trinkwasser garantieren zu können und um das Abwasser vollständig aufbereiten zu können, waren Investitionen in Milliardenhöhe notwendig. Das war ein Kraftakt sondergleichen.

Um das Ziel zu erreichen, wurden verschiedene Geldquellen genutzt. Allein an öffentlicher Förderung flossen Hunderte Millionen von D-Mark. Auch die Gemeinden beteiligten sich direkt an dieser Investition nach der Wiedervereinigung. Aber natürlich wurden auch diejenigen herangezogen, die direkt von den Leitungen profitierten – die Nutzer. Zu diesem Zweck wurde das Kommunalabgabengesetz ins Leben gerufen. Es organisierte und organisiert die Solidarität und Gleichbehandlung für die Nutzung lebenswichtiger Infrastruktur wie der Trinkwasserversorgung, aber auch der -aufbereitung – mit Erfolg. Sehen Sie sich an, wo wir heute und wie wir heute le

ben! Die Gewässerqualität ist so gut wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Das Trinkwasser gehört zum saubersten weltweit und kann bedenkenlos getrunken werden. Heute können wir sagen: Ja, wir werden unseren Kindern und Enkeln eine intakte und gesunde Natur hinterlassen. Ja, wir haben in der Frage eine Umweltkatastrophe abgewendet. Dieser ökologische Turnaround gehört ganz wesentlich zu der tollen Entwicklung der ostdeutschen Bundesländer nach der friedlichen Wiedervereinigung.

Mit dem KAG – bei allen Problemen, die es mit ihm gab und möglichweise in Zukunft immer wieder mal geben wird – haben wir einen nicht unwesentlichen Anteil zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. Ich kann verstehen, wenn der eine oder andere aus persönlichen Motiven diese Hintergründe ausblendet, dennoch will ich noch einmal in Erinnerung rufen, um so manche Aussage ins rechte Licht zu rücken: Das KAG ist eine Erfolgsgeschichte und wir können froh und dankbar sein, dass es diese Erfolgsgeschichte gab und dass es damals Erfinder gab, die diese Idee entwickelt haben.

Meine Damen und Herren, der Regelungsinhalt des vorliegenden Gesetzes ist klein, dafür aber nicht gerade unkompliziert. Derzeit stellt sich die rechtliche Lage so dar, dass Beiträge für Wasser- und Abwasseranschlüsse nach dem KAG nur innerhalb einer Frist von vier Jahren erhoben werden können. Diese Frist lief aber erst, wenn eine wirksame Satzung vorlag, unabhängig davon, wann der Anschluss überhaupt erfolgte. Aus unterschiedlichen Gründen war das mit der wirksamen Satzung nicht selten schwierig. Viele Satzungen waren nichtig und die Frist für die Beitragserhebung konnte nicht beginnen. Für den Fall, dass ein Zweckverband niemals eine wirksame Satzung auf den Weg bringt, könnte die Beitragspflicht also theoretisch unbegrenzt hinausgeschoben werden.

Da hat das Bundesverwaltungsgericht gesagt, so geht das nicht. Einen Hausbauer kann man nicht irgendwann zur Kasse bitten für einen Anschluss, der vor 50 Jahren gelegt wurde. Juristen sprechen hier von Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit. Demzufolge wären alle Beitragsbescheide nach dem KAG rechtswidrig. Tatsächlich sagt das Bundesverwaltungsgericht aber, so einfach ist das nun auch wieder nicht, denn bis Ende 2008 hätten die Grundstückseigentümer aufgrund einer Regelung im KAG damit rechnen müssen, für die leitungsgebundene Abwasserentsorgung herangezogen zu werden. Bis hierhin gibt es also kein Problem.

Das Problem entsteht ab 2009, denn die seitdem ergangenen und noch nicht bestandskräftigen Beitragsbescheide sowie die noch zu erstellenden Beitragsbescheide wären rechtswidrig. Damit würden den Kommunen beziehungsweise den Zweckverbänden Beiträge in Höhe von 37,3 Millionen Euro entgehen. Das ist viel Geld. Da droht manchem Zweckverband gar die finanzielle Schieflage. Nicht zuletzt deshalb würden die Zweckverbände auf dieses Geld nicht verzichten wollen. Schließlich gibt es ja auch eine Gegenleistung für die Anschlussnehmer. Also bliebe nur eine Gebührenerhöhung mit allen damit verbundenen praktischen und rechtlichen Problemen. Ich sage nur das Stichwort „gespaltene Gebühr“.

Auf diese unsicheren Spiele möchten wir, möchte ich mich nicht einlassen. Stattdessen schlage ich dem Landtag eine Gesetzesänderung vor, die alle berechtigten Interessen gleichermaßen berücksichtigt. Der Zeitraum,

in dem eine Beitragspflicht geltend gemacht werden kann, wird neu definiert. Statt maßgeblicher auf die Wirksamkeit der Satzung, die wie gesagt unbegrenzt hinausgeschoben werden kann, abzustellen, orientieren wir uns zukünftig an dem Jahr, in dem der Anschluss gelegt wird. Ab dann läuft eine Frist von 20 Jahren. Wessen Grundstück beispielsweise im Jahr 2002 angeschlossen wurde, kann also nur bis einschließlich 2022 zur Zahlung der Beiträge verpflichtet werden. Schafft es der zuständige Zweckverband nicht, bis dahin eine wirksame Satzung auf den Weg zu bringen, bleibt er in der Tat auf den Kosten sitzen. Die 20 Jahre gelten für alle Anschlüsse, vergangene und zukünftige.

Mit der Frist von 20 Jahren bleiben wir deutlich unter den maximal möglichen 30 Jahren. Damit kommen wir den Grundstückseigentümern entgegen. Ich meine: Welcher Hausbauer möchte schon für eine Leistung zahlen, die vor 30 Jahren erbracht wurde, zumal er keinen Einfluss darauf hat, dass die Beiträge so spät erhoben wurden? Bei der 20-Jahres-Frist wird es aber eine Einschränkung geben: Sie läuft frühestens mit Ablauf des Jahres 2000. Das bedeutet, dass für alle Anschlüsse, unabhängig davon, wann sie gelegt wurden, Beiträge mindestens bis zum Jahr 2020 erhoben werden können.

Damit tragen wir der Sondersituation nach der deutschen Einheit Rechnung. Damals mangelte es an richtungsweisender Rechtsprechung. Entsprechend groß waren auch die Unsicherheiten. Dies betrifft insbesondere die sogenannten altangeschlossenen Grundstücke aus DDRZeiten. Für diesen Altanschließer forderte die Rechtsprechung ebenfalls eine Beitragspflicht. Das wird mit der neuen Regelung erreicht. Altanschließer können nun bis 2020 zur Beitragszahlung verpflichtet werden.

Ich persönlich finde übrigens, dass der Begriff „Altanschließer“ missverständlich ist. Auch diejenigen, die schon zu DDR-Zeiten einen Wasseranschluss hatten, profitierten von den Investitionen nach der Wiedervereinigung. Selbstverständlich sind sie an der Gesamtanlage angeschlossen worden, in die investiert wurde. Und deswegen ist es absolut gerechtfertigt, dass auch diese Nutzer herangezogen werden. Es gab da zwar wegen unterschiedlicher Grundstücksgrößen gewisse Härtefälle, aber die Zweckverbände waren dabei immer sehr kooperativ und haben Erleichterungen gewährt.

Alles in allem, bin ich der Meinung, haben wir eine gute neue Regelung gefunden. Wir haben die berechtigten Interessen der Betroffenen abgewogen und ihnen Rechnung getragen. Natürlich sind nicht immer alle 100 Prozent zufrieden, aber das ist nun mal so bei einem Kompromiss. Ich denke, unterm Strich können alle damit leben. Und das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist mir sehr wichtig.

Meine Damen und Herren, es gab ja Befürchtungen, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom November 2015 zum KAG Brandenburg auch Auswirkungen auf Mecklenburg-Vorpommern und dieses Gesetzgebungsverfahren hat. Ich habe das im März an dieser Stelle bereits zurückgewiesen, dennoch möchte ich heute noch einmal ausdrücklich betonen: Zwar war die Gesetzeslage in Brandenburg und MecklenburgVorpommern identisch, die Rechtslage jedoch war eine andere, weil die Gerichte die Gesetze unterschiedlich auslegten. So ist das in einem Rechtsstaat, wenn zwei Juristen drei Meinungen haben. Als Techniker kann ich

mich da nur wundern, aber davon geht die Welt nicht unter, meine Damen und Herren.

Abschließend möchte ich Ihnen noch versichern, dass das Innenministerium keine, ich wiederhole das noch mal, keine Empfehlung gegeben hat, Abwassergebühren zu erhöhen. In den letzten Wochen gab es dahin gehend immer wieder ein paar Gerüchte, die jedoch jeder Grundlage entbehrt haben. Nun, da das auch geklärt ist, wünsche ich den Kolleginnen und Kollegen eine konstruktive Beratung hier im Plenum und in den Ausschüssen und bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Heinz Müller, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Heinz Müller.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Einbringungsworten unseres Innenministers kann ich mich hier sehr kurz fassen, weil er auf die wesentlichen Aspekte hingewiesen hat.

Lassen Sie mich noch mal das zentrale Problem beim Namen nennen. Nach unserem KAG – und das ist ja durchaus eine nachvollziehbare Regelung – brauche ich eine rechtsgültige Satzung, damit eine Beitragsschuld entsteht. Nur eine Beitragsschuld, die entstanden ist, kann auch verjähren. Ist also keine Beitragsschuld entstanden, kann auch nichts verjähren. Und gibt es keine rechtsgültige Satzung, dann gibt es keine Beitragsschuld. Genau diese zunächst mal einleuchtende rechtliche Situation führt dazu, dass in einigen Zweckverbänden – und ich will betonen, es sind einige, das sind durchaus nicht alle, sondern es gibt eine sehr differenzierte Situation in unserem Land, dass das Erstellen einer Satzung lange gedauert hat – Satzungen durch Gerichtsbeschluss ganz oder teilweise für ungültig erklärt worden sind und anderes, in jedem Fall eine Situation entstanden ist, dass eine Satzung erst sehr spät oder vielleicht sogar überhaupt nicht erlassen worden ist. Und das führt dann dazu, dass der Bürger dasteht und wartet, ob die irgendwann aus dem Knick kommen und eine Satzung beschließen und ob das noch zwei Jahre dauert, noch fünf Jahre oder wie lange noch.

Genau hier hat das Bundesverwaltungsgericht gesagt – und auch das finde ich wiederum nachvollziehbar –, so geht das nicht, ihr müsst irgendwann, ich sage das mal unjuristisch, einen Deckel einziehen und bis dahin muss es gewesen sein. Und genau dies tun wir mit diesem Gesetz. Das ist notwendig aufgrund dieses Urteils. Das führt genau zu der Rechtssicherheit, die unsere Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN mit ihrem Antrag in der letzten Sitzungswoche hier verlangt haben. Genau das machen wir, wir machen die Sache rechtssicher.

Dabei allerdings, meine Damen und Herren, müssen wir uns eines immer wieder vor Augen führen: Wir haben – der Minister hat darauf verwiesen und er hat es sehr klug

hergeleitet – riesige Investitionen getätigt und wir werden womöglich auch in der Zukunft noch Investitionen zu tätigen haben. Und wenn wir darüber reden, wie solche Investitionen finanziert werden, dann gibt es natürlich immer wieder eine interessengeleitete Diskussion, die diese Form der Finanzierung der Investitionen ablehnt. Aber das, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf uns nicht über einen fundamentalen Grundsatz hinwegtäuschen: Irgendwie müssen unsere Investitionen finanziert werden. Und wenn wir es nicht auf dem einen Weg tun, dann müssen wir es auf dem anderen Weg tun, denn diese Investitionen sind nicht vom Himmel gefallen, sie haben sehr viel Geld gekostet und das muss irgendwo herkommen. Wenn wir sagen, wir wollen vielleicht lieber nicht über Beiträge finanzieren, dann stellt sich die Frage: Wie tun wir es denn dann?

Nun gibt es natürlich Verbände, die sagen: Finanziert das doch komplett über ein Gebührenmodell! Das könnte man rein theoretisch tun, meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber kann man durchaus nachdenken. Wir haben aber in unserem Land eine Situation, wo wir einen riesigen Teil dieser Investitionen über Beiträge finanziert haben, teilweise auch innerhalb eines Zweckverbandes. Und wenn wir uns jetzt von dieser Beitragsfinanzierung verabschieden würden, dann würden wir in eine rechtlich wie politisch, wie ich finde, völlig unmögliche Situation kommen. Dann haben die einen nämlich Beiträge bezahlt und die anderen nicht, und dann wollen wir den Rest über Gebühren finanzieren. Es stellt sich natürlich sofort die Frage: Zahlen die, die Beiträge bezahlt haben, und die, die keine Beiträge bezahlt haben, die gleiche Gebühr? Das kann ja wohl nicht sein! Müssen wir etwa mit einer gesplitteten Gebühr arbeiten?

Dieses, meine Damen und Herren, wäre praktisch kaum durchführbar, wäre rechtlich außerordentlich problematisch und dient ganz sicher nicht dem politischen Frieden in dieser Frage. Also lassen Sie uns diesen Weg gehen zu sagen, wir ermöglichen die Beitragserhebung auch für Anlagen, für Grundstücke, die vor längerer Zeit an das Netz angeschlossen worden sind, und setzen wir dort den Deckel drauf, genau in der Weise, wie der Innenminister es beschrieben hat.

Lassen Sie mich noch ein Wort – und auch da knüpfe ich an die Worte von Lorenz Caffier an – zum Begriff „Altanschließer“ sagen. Das ist in der Tat ein irreführender Begriff. Es wird immer wieder mit dieser Begrifflichkeit suggeriert, die Zahlung werde für den Hausanschluss erhoben, also für die Meter Rohrleitung vom Rohr in der Straße auf das Grundstück und ins Gebäude hinein. Dann verweisen uns die Bürgerinnen und Bürger vielleicht zu Recht darauf, dass sie dieses vor 40 Jahren selbst gebuddelt haben. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Beiträge werden eben nicht für diese Hausanschlüsse erhoben, sondern als Anteil an den Investitionen, die in einem solchen Abwassernetz insgesamt zu tätigen waren, und die liegen hochgradig in den Klärwerken, in den Pumpstationen und in anderem. Und da – auch das sagt uns das Bundesverfassungsgericht – müssen diejenigen genauso herangezogen werden, die schon vor 30 Jahren ans Netz angeschlossen worden sind, wie die, die erst vor drei Jahren angeschlossen wurden. Alles andere sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schließen eine rechtliche Lücke, wir machen etwas

rechtssicher und wir finden einen solchen Deckel, ein solches Enddatum für diese Anschlussbeiträge. Dass dies von verschiedenen Seiten unterschiedlich bewertet wird, liegt in der Natur der Sache. Wenn wir uns die Stellungnahmen der kommunalen Verbände, die es ja jetzt schon gibt, anschauen, dann begrüßen die dieses Gesetz unisono. Wenn wir Verbände der Grundstücksnutzer hören, dann möchten die natürlich gern eine andere Art der Finanzierung. Auch das ist aus ihrer Interessenlage heraus verständlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf im Innenausschuss diskutieren, lassen Sie uns die streitenden Parteien, die es hier durchaus gibt, in eine Anhörung holen und lassen Sie uns einen Weg suchen, wie wir vernünftig diese getätigten Investitionen zu Ende finanzieren, wobei ich glaube, dass der Weg, der von der Landesregierung vorgeschlagen worden ist, ein sehr vernünftiger ist.

Und lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken äußern, ich habe das beim letzten Mal schon getan, als wir über den Antrag der Fraktion DIE LINKE geredet haben: Ich fände es richtig und richtungweisend, wenn wir uns nicht allein mit diesem Thema befassen würden, sondern wenn wir auch den Blick öffnen auf die Zukunft, auf die Investitionsbedarfe, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen, und auf die Fragen, wie wir dieses alles stemmen wollen, welche rechtlichen Instrumente zur Verfügung stehen und welche Unternehmensgesichtspunkte von Gerechtigkeit, Sozialverträglichkeit und Akzeptanz für uns die richtigen sind.

In diesem Sinne bitte ich um Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss federführend und hoffe auf sehr, sehr ruhige, sachliche und konstruktive Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Innenminister, mit Ihrer Rechtssicherheit scheinen Sie ja nicht alle Beteiligten überzeugt zu haben, wenn ich der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Schwerin am 11. März 2016 folge.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie beim Verfassungsschutzgesetz und den nicht fristgerecht beantworteten Fragen muss ich auch unsere heutige Debatte zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes mit Kritik am Innenministerium beginnen. Gemeint ist die Debatte am 11. März zum KAG-Antrag meiner Fraktion. Der Innenminister meinte, dieser Antrag sei durch den Gesetzentwurf erledigt. Mein Kollege Heinz Müller meinte, der Antrag sei durch das Gesetz überholt und könne zurückgezogen werden. Und der Kollege Innenausschussvorsitzende verstieg sich zu der Aussage, der Gesetzentwurf liege allen Fraktionen vor.

Wie wir wissen, war es nicht so. Dennoch werden uns die im Antrag meiner Fraktion angesprochenen Probleme auch bei der Beratung des nun vorliegenden Gesetzes beschäftigen, denn sie sind alles andere als erledigt. Wir

werden uns heute Abend im Anschluss zu einer Innenausschusssondersitzung treffen und uns über eine Anhörung und Anzuhörende verständigen. Eventuell besteht ja fraktionsübergreifend Einigkeit, bei dieser Gelegenheit auch unser OVG zu laden, unabhängig vom Fraktionsproporz. Hier könnten wir dann aus erster Hand erfahren, welche Auswirkungen die Entscheidungen des Bundesverwaltungs- sowie des Bundesverfassungsgerichtes auf die abgabenrechtliche Situation in unserem Land haben.

Zentraler Punkt des Gesetzentwurfes ist die vorgesehene Einführung einer Verjährungshöchstfrist von 20 Jahren, wobei der Fristbeginn bis zum Ablauf des Jahres 2000 gehemmt sein soll. Das haben wir bereits gehört. Ein- gebettet sind diese Fragen in Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes zum KAG MecklenburgVorpommern, und zwar entgegen der von unserem OVG vertretenen Auffassung sowie Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zum KAG Brandenburg.

Meine Damen und Herren, hier wirft der Gesetzentwurf Fragen auf, die über die bisher fehlende zeitliche Höchstgrenze hinausgehen. Zum einen haben für die Landesregierung etwa die Bundesländer Brandenburg oder Sachsen-Anhalt eine mit Mecklenburg-Vorpom- mern vergleichbare Rechtslage, der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom November 2015 zu Brandenburg sei aber wiederum nicht auf die für Mecklenburg-Vorpommern geltende Rechtslage übertragbar.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Wie verhält es sich aber, wenn man den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes nicht allein auf den Aspekt der Wirksamkeit der Satzung beschränkt? Der Gesetzentwurf gibt vor, eine Abwägung zwischen den Interessen der kommunalen Abgabenträger einerseits und den Interessen der Abgabenpflichtigen andererseits vorgenommen zu haben. Zu einem Abwägungsprozess selbst habe ich jedoch nichts gefunden im Gesetz. Hier ist die Rede von ausstehenden 37 Millionen Euro. Daher sei maßgebliches Ziel des Landesgesetzgebers, die kommunalen Aufgabenträger vor Beitragsausfällen zu bewahren.

Als Kommunalpolitikerin kann ich dieses Ziel sehr wohl nachvollziehen, nur eine Abwägung ist das noch lange nicht. Ich zitiere aus dem Novemberbeschluss des Bundesverfassungsgerichtes zu Brandenburg, Zitat: „Das allgemeine Ziel der Umgestaltung des Abgabenrechts sowie fiskalische Gründe – nämlich das öffentliche Interesse an der Refinanzierung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage – rechtfertigen die rückwirkende Abgabenbelastung hier nicht … Dies gilt auch vor dem Hintergrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, insbesondere den Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung, bei der Gründung von Zweckverbänden, der erstmaligen Schaffung von wirksamem Satzungsrecht und der Lösung des Altanschließerproblems …“

Ich frage Sie allen Ernstes: Diese Aussagen des Gerichts sollen für uns unerheblich sein, weil sie im Zusammenhang mit dem KAG Brandenburg getroffen wurden?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Schwer vorstellbar.)

Auch unser Gesetzentwurf und der Innenminister begründeten die bis zum Ablauf des Jahres 2000 gehemmte Frist mit der Sondersituation nach der deutschen Einheit. Auch hier ist der Gesetzentwurf widersprüchlich. Einerseits wird die Verjährungshemmung bis zum Jah- re 2000 unter anderem mit dem vollständigen Wechsel des Rechtssystems begründet, gleichzeitig zitiert der Gesetzentwurf fleißig aus dem OVG Entscheidungen älteren Datums, etwa den Beschluss vom 21. April 1999.

Meine Damen und Herren, meine letzte Anmerkung knüpft an eine Aussage des Kollegen Heinz Müller in der Debatte zum KAG-Antrag meiner Fraktion an, Stichwort „Erneuerungsbeitrag“.

(Heinz Müller, SPD: Ja.)