Meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beobachtet bereits seit Monaten, wie die Landesregierung und ihre Ministerien an einem sogenannten „Arbeitsprogramm Integration“ arbeiten und damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, einfach nicht fertig werden. Im November erklärte die Landesregierung auf Nachfrage von Herrn Ritter, dass sie an einer Fortschreibung der sogenannten „Konzeption zur Förderung der Integration von Migrantinnen und Migranten in Mecklenburg-Vorpommern“, die im Übrigen aus dem Jahr 2011 stammt, arbeite.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit Dezember liegt unseres Wissen nach der Entwurf dieses sogenannten „Arbeitsprogramms Integration“, was die Fortschreibung darstellen soll, auf dem Tisch der Staatskanzlei. Jetzt haben wir März und die Landesregierung ist immer noch nicht fertig. Auf den Fluren der Ministerien hört man nun, dass das Papier immer mehr verwässert wird und immer weniger verbindliche Maßnahmen enthält.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel vortragen. Sie können sich sicherlich alle an die sogenannten Integrationslotsen erinnern. Im „Arbeitsprogramm Integration“ stand ursprünglich einmal, dass diese Integrationslotsen örtlich beratend tätig werden sollen. Dann kam das eine Ministerium und strich das Wort „örtlich“, dann kam das andere Ministerium und strich das Wort „beratend“. Jetzt werden die Integrationslotsen nur noch tätig. Aber keiner weiß, wie eigentlich. Das ist leider der aktuelle Stand. So kann Integration natürlich nicht gelingen. Was wir brauchen, sind klar definierte Integrationsaufgaben und Integrationsmaßnahmen, deren Finanzierung für die Kommunen endlich verlässlich geklärt wird. Wir brauchen eine verbindliche Vereinbarung, wie diese Aufgaben zwischen Land, Landkreisen, Gemeinden, Freier Wohlfahrtspflege und den freiwilligen Akteuren und Helferinnen und Helfern verteilt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese verbindliche Vereinbarung von Aufgaben, Finanzen und Verantwortlichkeiten kann das seit Monaten in der Pipeline feststeckende „Arbeitsprogramm Integration“ nicht liefern und nicht leisten. Dafür brauchen wir ein Integrationsgesetz und – das ist mir wichtig – dieses Integrationsgesetz
verwechseln Sie bitte nicht mit dem unsinnigen Integrationspflichtgesetz, was von einigen Kreisen in der politischen Landschaft in Deutschland gefordert wird. Das ist etwas völlig Unterschiedliches.
Ein Integrationsgesetz, wie ich es gerade beschrieben habe und wie es bereits in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin eingeführt wurde, könnte die Integration zu einem Erfolg führen. Ich persönlich bin im Übrigen auch davon beeindruckt, was amtliche und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer im Land und auch in den Kommunen derzeit leisten, obwohl sich die Rahmenbedingungen eher chaotisch darstellen.
Nach dem Grundsatz „Fordern und Fördern“ erkennen die Bürgerinnen und Bürger sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund auf Grundlage eines solchen Integrationsgesetzes, dass sich die Gesellschaft der Herausforderung einer erfolgreichen Integration annimmt und diese strukturiert sowie verbindlich angeht.
Regelungsbereiche eines solchen Integrationsgesetzes beziehungsweise der dazugehörigen Begleitgesetze könnten unter anderem sein – und das können Sie der Begründung des vorliegenden Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entnehmen –: die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung, der Aufbau und die Stärkung interkultureller Kompetenzen im öffentlichen Dienst,
die Integration durch Beruf und Arbeit – das ist, glaube ich, der wichtigste Punkt, denn wer Arbeit hat, kann sich unglaublich gut integrieren –, die Definition und die Finanzierung von Integrationsmaßnahmen durch die Freie Wohlfahrtspflege und durch andere freie Träger, die Definition und die Finanzierung der Ziele der Jugendbildung und Jugendhilfe, die Aufgabenbeschreibung für eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Integration und Migration des Landes, aber auch für eine Beauftragte oder einen Beauftragten für die Integration und Migration in den Landkreisen und Kommunen, die Aufgabenbeschreibung und die Zusammensetzung für einen Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen, aber immer dabei berücksichtigt, dass es bereits bestehende Netzwerke, Strukturen und Beiräte im Land gibt. Das darf natürlich nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Es geht darum, die Freistellung an wichtigen religiösen Feiertagen zu ermöglichen. Es geht darum, eine angemessene Vertretung von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst des Landes sicherzustellen. Es geht unter anderem darum, die Partizipation von Ausländern bei Bürgeranträgen zu ermöglichen, das Bestattungsrecht anzupassen oder auch Regelungen zum islamischen Religionsunterricht zu finden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass die frühe Einbindung möglichst vieler Verbände, Vereine und Interessenvertretungen bei der Erarbeitung eines solchen Gesetzentwurfes zum besseren Gelingen und zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Vorhabens später beiträgt. Deswegen haben wir Ihnen heute auch keinen fertigen
Gesetzentwurf vorgelegt. Wir hätten ja auch einfach den baden-württembergischen Entwurf anpassen können, das wäre das Einfachste gewesen.
Aber das ist nicht unsere Herangehensweise. Im Übrigen finde ich den Gesetzentwurf aus Baden-Württemberg relativ gelungen. Das wäre das Einfachste gewesen, aber das wollen wir nicht. Wir wollen, dass in die Erarbeitung des Gesetzes von Anfang an die kommunalen Landesverbände, die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die Migrantenselbstorganisation, der Flüchtlingsrat, die Gewerkschaften, die Wirtschaftsverbände, die Kirchen, die Religionsgemeinschaften, die ehrenamtlichen Hilfevereinigungen und weitere relevante Institutionen, Verbände und Vereine aktiv einbezogen werden,
so, wie es auch in Baden-Württemberg bei der Erarbeitung des dortigen Partizipations- und Integrationsgesetzes erfolgt ist.
Das hört sich alles sehr umfänglich an, kann aber organisiert werden. Es gibt gute Beispiele aus Deutschland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Forderung nach einem Integrationsgesetz ist keine originär grüne Idee, das gebe ich hier gern offen und unumwunden zu. Wir haben diese Forderung aus den Kommunen nur aufgegriffen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Hier möchte ich auf einen Beschluss, und zwar vom 15. September 2015 vom Deutschen Städte- und Gemeindebund hinweisen, der in einer Pressemitteilung erklärt hat, dass wir ein solches Integrationsgesetz brauchen. Vor wenigen Tagen haben auch die CDU-Fraktionsvorsitzenden von Norddeutschland ein solches Integrationsgesetz, nicht Integrationspflichtgesetz, sondern ein Integrationsgesetz gefordert. Und wie gesagt, in Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen hat man ein solches Integrationsgesetz schon verabschiedet, weil man es als absolut notwendig empfunden hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss möchte ich an dieser Stelle bereits ankündigen, es gibt ja noch die Aussprache, dass wir beim Antrag der LINKEN, der ja in einer gemeinsamen Aussprache und Abstimmung hier erfolgt – na keine gemeinsame Abstimmung, aber eine gemeinsame Behandlung –, die getrennte Ab- stimmung der Ziffer I im Ganzen und die getrennte Abstimmung der Ziffer II bezüglich der Nummern 1 und 2 beantragen möchten, weil die Fraktion DIE LINKE bei der Ziffer II unter Nummer 1 eine Konzeption fordert. Ich habe gerade dargelegt, warum wir glauben, dass eine Konzeption nicht der richtige Weg ist, weil sie eben keine gesetzlich verbindlichen Vereinbarungen darstellt. Wir wollen eher ein Integrationsgesetz. Deswegen werden wir uns bei diesem Punkt, der in die richtige Richtung zielt, einfach enthalten. Den anderen Punkten der Fraktion DIE LINKE werden wir natürlich zustimmen, denn auch hier geht der Antrag in die völlig richtige Richtung. – Ich danke Ihnen an dieser Stelle für Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion DIE LINKE hat der Abgeordnete Dr. Hikmat Al-Sabty.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen beschäftigen uns seit langer Zeit. Es liegen viele Erkenntnisse vor und einige Abläufe haben sich eingespielt. Was jedoch fehlt, sind ein einheitliches Vorgehen und eine verlässliche Struktur und Finanzierung in unserem Land. Der Städte- und Gemeindetag hat die Situation im November letzten Jahres auf den Punkt gebracht. Mit seinem „Drei-WellenPapier“ hat er Arbeitshinweise und Handlungsnotwendigkeiten aufgezeigt. Das Papier beschreibt exakt das, was uns in den nächsten Jahren erwartet und was zu tun ist – von der Aufnahme der Flüchtlinge über die Integration in unsere Gesellschaft bis hin zum Familiennachzug.
Sehr geehrte Damen und Herren, mit unserem vorliegenden Antrag unterstützen wir die Positionen des Städte- und Gemeindetages e. V. Die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge sind eine besondere Herausforderung für das gesamte Land. Gleichzeitig ist es eine Chance, den Auswirkungen der demografischen Entwicklung aktiv zu begegnen.
80 Prozent der Flüchtlinge sind jünger als 35 Jahre. Sie sind damit im erwerbsfähigen Alter, und zwar noch für lange Zeit.
Zudem sind sie motiviert, eine neue Ausbildung beziehungsweise eine Weiterqualifikation zu absolvieren. Sie lernen schnell,
Sie sind damit eine Antwort auf das demografische Problem. Diese große Chance müssen wir erkennen. Und natürlich müssen wir die Menschen zügig in die Gesellschaft integrieren, meine Damen und Herren, um ihnen ein selbstbestimmtes Leben
(Heiterkeit bei David Petereit, NPD: Das klingt ja schon wie ein Schlachtplan „Invasion“, oder was?!)
Die zweite Welle sind die Flüchtlinge, die anerkannt sind und integriert werden sollen. Der benötigte Zeitraum für die Integration wird auf fünf Jahre geschätzt, meine Damen und Herren. Die dritte Welle ist der Familiennachzug.
Allerdings ist der Familiennachzug mit dem vor Kurzem beschlossenen Asylpaket II zunächst für zwei Jahre ausgesetzt. Das bedeutet in der Folge, dass sich die Familienangehörigen weiter auf die lebensgefährliche Route über das Mittelmeer begeben werden. Auf diesem Weg sind bekanntlich allein in den letzten sechs Monaten mehr als 350 Kinder ertrunken, meine Damen und Herren.
Für die kommenden Jahre geht es darum, dass wir uns auf die zweite und dann auf die dritte beschriebene Welle konzentrieren, das heißt auf die Anerkannten und auf den Familiennachzug. Die Herausforderungen sind Folgende: