Protocol of the Session on March 9, 2016

Wir als Sozialdemokraten wollen Freihandel. Dazu müssen wir aber auch den mühsamen Weg gehen, um den Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile des Freihandels zu erklären.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Welche denn?)

Wir lehnen den Antrag und den Änderungsantrag ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Hellseher! Sozialdemokraten sind Hellseher!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kollegin Drese, ich finde, das ist eine spannende Frage, was Sie den Menschen vor Ort so erzählen, wenn Sie in die Veranstaltungen hineingehen und sagen, wir sind die Hüter der Transparenz, wenn selbst Ihre Abgeordneten, nachdem sie in diesem geheimen Raum waren und die geheimen Unterlagen eingesehen haben, dann

herauskommen und zum Beispiel auch den Medien überhaupt nichts sagen können.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Also wahrscheinlich der Blick in die Glaskugel,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Hellseher.)

die Andeutungen an der Grenze des Geheimnisverrats, wie auch immer. Also das sind schon in der Tat spannende Prozesse, mit denen Sie dann sehr transparent mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern umgehen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Milchglasscheibe.)

Denn nach wie vor – und das ist eine Tatsache – verhandeln Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika über TTIP im Geheimen.

(Torsten Renz, CDU: Nicht alles.)

Das ist Fakt. Das ist auch der zentrale Punkt der Auseinandersetzung und der zentrale Punkt des Antrages, den Herr Brie hier begründet hat.

Und seit dem 1. Februar dieses Jahres können die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Mitglieder des Bundesrates in der Tat – nicht die Mitglieder der Länderparlamente – in einem eigens dafür eingerichteten Leseraum des Bundeswirtschaftsministeriums die konsolidier- te Fassung der TTIP-Verhandlungsdokumente einsehen. Immerhin! Immerhin! Das ist nicht mit Ironie vorgetragen. Wir sind da einen kleinen Schritt weiter. Bisher war das geheime Kommandosache. Immerhin können die Bundestagsabgeordneten – für mich bisher eine Selbstverständlichkeit – jetzt die Unterlagen einsehen. Herr Gabriel hat das, wie ich finde, auch richtig erklärt, indem er gesagt hat: Nur durch Transparenz und enge Einbindung der nationalen Parlamente kann die erforderliche bessere Akzeptanz und Legitimität für die Verhandlungen der EU-Kommission mit den USA geschaffen werden. Da hat er recht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja.)

Und Herr Brie hat vorhin richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir es vermutlich mit einem geteilten Abkommen zu tun haben werden, also dass auch die Landesparlamente vor dem Hintergrund der notwendigen Zustimmungsnotwendigkeit im Bundesrat einbezogen werden müssen.

Insofern kann ich auch mit dem Antrag der LINKEN mitgehen, wenn wir denn zu einem späteren Zeitpunkt – dass sich das Parlament damit beschäftigt, glaube ich, muss ja eine Selbstverständlichkeit sein – uns damit auseinandersetzen. Dann müssen wir aber auch wissen, worüber wir reden, und dann müssen wir zumindest wie die Abgeordneten des Deutschen Bundestags die Möglichkeit haben, in die Unterlagen hineinzuschauen. Das ist eine logische Konsequenz und sollte eigentlich parlamentarisches und demokratisches Selbstverständnis sein, ist es aber offensichtlich nicht.

Nun wissen wir, das ist ja in allen Fraktionen wahrscheinlich so gewesen, dass Bundestagsabgeordnete diese Möglichkeit in dem geheimen Leseraum wahrgenommen haben

(Torsten Renz, CDU: Insbesondere die SPD.)

und auch zu bestimmten Erkenntnissen gekommen sind. Ich habe mal geschaut, was mein grüner Kollege Anton Hofreiter, seines Zeichens Vorsitzender der Bundestagsfraktion, nach diesem Erlebnis gesagt hat. Ich zitiere: „Wir haben uns jetzt über eine Stunde mit den Texten beschäftigt. Die Texte sind hochspannend. Ich kann nur so viel sagen: Meine Skepsis ist absolut bestätigt worden.“

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

„Das Hochproblematische ist allerdings, dass ich Ihnen“ – er sprach da vor Journalisten – „darüber nichts berichten darf, den Bürgern darüber nichts berichten darf und wir auch öffentlich nicht darüber diskutieren können. Das macht natürlich eine Kontrolle extrem schwierig.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dolle Sache!)

Ich finde, das passt gut zur Debatte, die wir heute Morgen hier geführt haben, wo wir – es waren, glaube ich, die Redner und Rednerinnen aus allen demokratischen Fraktionen – die die Wichtigkeit der Medien als vierter, kontrollierender, kommentierender Gewalt hier betont haben. Die Medien sind ausgeschlossen, die Bürgerinnen und Bürger sind ausgeschlossen, die Landtagsabgeordneten, die irgendwann mal abstimmen sollen, sind ausgeschlossen – ein schlicht und ergreifend nicht akzeptierbarer und unhaltbarer Zustand, sehr geehrte Damen und Herren.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Und wir reden ja an der Stelle nicht über Kleinigkeiten. Ich will da mal meine Kollegin Ska Keller zitieren, die am Rande der größten Demonstration, die nach meiner Kenntnis in einer großen deutschen Stadt, nämlich in Berlin, mit 250.000 Teilnehmern seinerzeit gegen das TTIP-Abkom- men stattgefunden hat, vor dem Hintergrund auch der mangelnden Transparenz gesagt hat: „Deutschland ist ein globalisiertes Land“ – Ska Keller ist Europaabgeordnete –, „das bedeutet auch, dass TTIP Auswirkungen auf unser aller Leben hat. Unsere Lebensmittelstandards sollen verändert werden, die Art und Weise, wie wir öffentliche Bildung, Altenpflege und Krankenhäuser organisieren …“

(Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

„Es geht also um richtig viel. Doch das TTIP-Abkommen wird noch immer intransparent, unter dem Einfluss mächtiger Lobbyorganisationen und ohne echte demokratische Beteiligung gestaltet.“ Das sagt eine Europaabgeordnete.

Verehrte Damen und Herren, wie ist denn jetzt die Lage? Die Lage ist, der Kreis der Abgeordneten ist zwar erweitert, aber es wird ihnen verboten, darüber zu berichten und zu diskutieren. Es gibt Abgeordnete erster und zweiter Klasse, nämlich diejenigen, die die Landesregierungen im Rahmen eines demokratischen Prozesses begleiten sollen. Und: Die öffentliche Kontrolle ist schlicht und ergreifend ausgeschaltet. Dass das Misstrauen hervorruft, muss doch nun wirklich niemanden verwundern, und dass das eine Viertelmillion Menschen auf die Straße bringt in Berlin, halte ich für eine logische Konsequenz, ebenso, dass sie zu Recht einfordern, wir wollen mehr wissen von dem, was dort verhandelt wird, und wir wollen wissen, ob unsere Bedenken, die wir inhaltlich haben, sich tatsächlich in den Dokumenten auch wiederfinden.

Wir haben, sehr geehrte Damen und Herren, Ihnen aber einen Änderungsantrag vorgelegt, weil wir in der Tat auch der Auffassung sind, dass umfassender Transparenz geschaffen werden soll. Ich weiß, dass das rechtlich auf tönernen Füßen steht, ich halte es aber als politische Forderung für überaus gerechtfertigt und richtig. Wird der Änderungsantrag abgelehnt, werden wir dem Antrag der LINKEN-Fraktion unsere Zustimmung geben. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Lenz von der CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja wirklich so, dass wir uns, ich weiß nicht, zum wievielten Male, mit dem Thema TTIP beschäftigen. Ich bin auch ein bisschen erschrocken gewesen, dass das wieder auf der Tagesordnung steht, konnte mir das aber gut vorstellen, als etwas über diesen Leseraum in den öffentlichen Medien gesendet worden ist, dass man, ich darf es mal kurz machen, das, was man da drin gesehen hat, nachdem man das Handy abgegeben hat, nicht mit rausnehmen darf, das heißt also: vorm Lesen verbrennen.

Auf der anderen Seite …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Der Kopf muss in den Tresor.)

Wie bitte?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Der Kopf muss in den Tresor, weil der darf ja da auch nicht raus.)

Das kenne ich von woanders, wenn man zu viele Goldzähne im Mund hat. Aber das ist eine andere Geschichte.

(allgemeine Heiterkeit – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Besser, wir machen das zusammen. – Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, und Udo Pastörs, NPD)

Nein. Es ist nun wirklich ein Thema, was uns alle seit Jahren bewegt, seitdem die Verhandlungen begonnen worden sind, ganz im Dunkeln, keiner von uns wusste etwas. Durch die Medien ist dann irgendetwas an die Öffentlichkeit gekommen, was uns alle in Angst und Schrecken versetzt hat. Nachdem durch die Medien, durch die Europäische Kommission, auch durch einige Bundestags- mitglieder etwas mehr Linie in die öffentliche Diskussion gekommen ist, glaube ich, sah sich das Europäische Parlament, die Kommission gezwungen, etwas mehr Öffentlichkeit und Transparenz in die Verhandlungen zu bringen. Die Veröffentlichungen des Mandates 2014 waren ein Schritt, ebenso die Einladungen nach Brüssel, die wir wahrgenommen haben, wo über TTIP gesprochen worden ist, wo auch gesagt worden ist, welche Themen eigentlich ausgeschlossen sind von den Verhandlungen.

Ich weiß nicht, Herr Suhr, warum Sie auch die Daseinsvorsorge immer wieder ansprechen. Die soll laut Aussagen hochrangiger Politiker gar nicht mehr mitverhandelt werden. Die ist raus.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Soll!)

Ein Ergebnis der Öffentlichkeitsarbeit oder der Zuarbeit durch die Öffentlichkeit zeigt auch das CETA-Abkom- men, wo die Schiedsgerichte rausgekommen sind. Außerdem gibt es ja, was die Öffentlichkeit betrifft, auch noch einen TTIP-Beirat, der also die Bundesregierung, die verhandelnden Politiker in der Kommission, unterstützt, und der besteht unter anderem aus Gewerkschaften, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie auch Kulturschaffenden, die dafür sorgen werden, dass bei den Verhandlungen zu TTIP – auch das, was Sie immer so in den Vordergrund schieben, sage ich mal, um TTIP schlechtzumachen –

(Peter Ritter, DIE LINKE: TTIP ist schlecht. Das muss man nicht schlechtmachen.)

die bei uns entstandenen Standards und die Kulturgüter, auch die mediale Welt, denke ich,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das, was er hier erzählt, ist alles nichts Gutes.)