Protocol of the Session on January 28, 2016

(Egbert Liskow, CDU: Das war euer Antrag?)

und dass dieses Thema noch einmal stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt wurde. Das begrüßen wir ausdrücklich und können daher insgesamt ein positives Fazit ziehen.

Noch ein letztes Wort zur gesamtdeutschen Dopingvergangenheit: Natürlich hat es auch in der Bundesrepublik Dopingvergehen gegeben und es gibt auch Betroffene mit Spätfolgen.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

Wir begrüßen darum ausdrücklich jeden Ansatz, diese Vergangenheit aufzuklären und zu erforschen. Aber bevor wir als Landtag Mecklenburg-Vorpommern anderen erklären, wie sie ihre Vergangenheit aufzuarbeiten haben, sollten wir erst einmal unsere eigenen Hausaufgaben machen, deswegen unser Antrag. Wir sind jetzt den ersten Schritt gegangen, vielleicht motiviert es andere, die Aufarbeitung ebenfalls voranzubringen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ums Wort gebeten hat jetzt der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten!

Frau Kollegin Gajek, es steht mir zwar nicht zu, die Fraktionen zu maßregeln, aber meine Wahrnehmung bei diesem durchaus wichtigen Thema im Innenausschuss – zumindest meine – ist eine gänzlich andere gewesen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Ich kann uns nur empfehlen, bei diesem wichtigen Thema nicht zu versuchen, Politik zu betreiben, und dieses Thema auch nicht mit Schaum vor dem Mund zu debattieren, sondern einfach sachlich aufzuarbeiten. Das haben alle dementsprechend verdient.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und eine zweite Bemerkung als Sportminister: Gehen Sie mal fest davon aus, dass die Vertreter des Landessportbundes, ob im Hauptamt oder im Ehrenamt, die vielen Trainer, die vielen Sportlerinnen und Sportler, ob hauptberuflich, also als Spitzensportler, oder als Breitensportler diesem Thema eine sehr große Bedeutung beimessen und sich im Gegensatz zu Ihren Ausführungen nicht salopp – es ist eben so – damit abfinden.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat er aber so gesagt in der Anhörung.)

Das halte ich bei dem Thema für unangemessen. Ich weiß, dass der Landessportbund oder der Deutsche Olympische Sportbund sich in Gänze sehr intensiv mit dieser Thematik befassen, und das ist auch gut so.

Aber was ist denn die Realität? Als eine unabhängige Untersuchungskommission vor zwei Wochen ihren zweiten Bericht über die Dopingmachenschaften in der internationalen Leichtathletik vorstellte, gab es zu Recht eine Welle der Empörung. Als Innenminister bin ich ja auch

zuständig und gut informiert über schwere Straftaten und über Kriminalität und habe immer gedacht, mich haut so schnell nichts um, aber der Sumpf,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tja.)

den der Chefaufklärer Richard Pound beim Internationalen Leichtathletikverband aufdeckte, macht selbst mich sprachlos. Ich habe immer gedacht, schlimmer als bei der FIFA kann es nicht kommen,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

aber offensichtlich sind die Vorstellungsvermögen in dieser Problematik in Gänze grenzenlos. Neben offenkundiger Korruption bei der Vergabe von Großereignissen wurden Dopingfälle in großem Stil vertuscht. Wer genug Geld zahlte, bekam den Persilschein.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Teilnahme überführter Dopingsünder an Olympischen Spielen – kein Problem, solange die Kasse stimmte. Dieses System des Freikaufens offenbart ein erschütterndes Ausmaß an krimineller Energie in Gänze. Es ist Verrat an der Leichtathletik, es ist letztendlich Verrat am sauberen Sport und es ist auch Verrat an den Zuschauern. Solche Machenschaften sind nach meiner festen Überzeugung der beste Weg, den Sport insgesamt zu ruinieren.

(Stefanie Drese, SPD, und Vincent Kokert, CDU: Ja.)

Und wieder einmal zeigt sich, das ist für mich das besonders Bittere an dieser Situation, dass hinter dem Doping eben nicht der einzelne Sportler steht, nein, vielmehr ist es ein Geflecht aus Interessen. Trainer, Ärzte, Wissenschaftler, Funktionäre, ja sogar Politiker stecken tief mit drin. Ohne diese Netze aus Handlangern, Hintermännern und Profiteuren wäre der Betrug viel schwieriger. Deswegen war ich ja auch sehr zurückhaltend beim AntiDoping-Gesetz der Bundesregierung, weil es in erster Linie die Sportler angreift, und diejenigen, die das ganze Netz betreiben und davon profitieren, werden zumindest derzeit in dem Anti-Doping-Gesetz der Bundesrepublik nicht angegriffen.

Besonders im Fokus steht gegenwärtig Russland. Leider müssen wir davon ausgehen, dass auch andere Länder und andere Sportarten massiv von diesem Problem betroffen sind. Als Sportminister ärgert mich das besonders, weil ich sehe, wie hart die Athleten trainieren, nur um dann am Ende – insbesondere in den Laufdisziplinen – fast durchgängig das Nachsehen zu haben. In Deutschland gibt es mittlerweile ein ausgesprochen strenges Anti-Doping-Regime, die allermeisten Sportler sind sauber. Der Lohn dafür ist aber leider eben oft nur Chancenlosigkeit.

Meine Damen und Herren, die konsequente Anti-DopingHaltung resultiert nicht zuletzt aus der kritischen Auseinandersetzung mit dem Staatsdoping der DDR. Ja, es gab auch Doping in Westdeutschland,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

aber wir sind nun mal hier in diesem Teil groß geworden und deswegen ist es folgerichtig, dass wir uns mit dem

Doping in unserer Region beschäftigen. Wir sollten aber nicht davon ausgehen, dass das nur ein einseitiges Geschäft gewesen wäre.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch mit welcher Akribie,...

Das werfe ich Ihnen ja auch nicht vor.

… aber mit welcher Akribie, Konsequenz und auch Hinterhältigkeit ostdeutsche Sportler gedopt wurden, ist nahezu unvergleichlich. Dieser Missbrauch führte zu völlig verzerrten Wettkampfergebnissen und zu Weltrekorden, die für die besten Sportler der Welt derzeit noch nicht mal in Sichtweite sind. Vor allem aber, und das ist das Verwerflichste dabei, führte der Missbrauch bei unzähligen Sportlern zu erheblichen gesundheitlichen Schäden. Bereits Kinder und Jugendliche schluckten Tabletten, wie es sonst nur chronisch Kranke tun. Nicht selten waren irreparable körperliche Schäden die Folge, dramatische Beschreibungen dazu gibt es reichlich.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Anhörung im Innenausschuss hat dies noch einmal eindrucksvoll bestätigt, ebenso wie die Tagung des Verbandes der Sportjournalisten im vergangenen April hier in Schwerin.

Während heute Sportler nur noch in wenigen Fällen ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen gedopt werden, wurden die Aktiven zu DDR-Zeiten meist im Unklaren über die Wirkung der verabreichten Mittel gelassen. Das war aber auch schon der größte Unterschied. Ansonsten galt damals wie heute, viele Täter dieser Aktionen standen und stehen eben leider abseits des Sportplatzes oder der Wettkampfstätte.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die haben es ja auch nicht genommen.)

Es waren immer zuerst jene Menschen, die damals wegen ihrer besonderen Position im System des Sports und der Politik einen besonders großen Einfluss hatten, und es waren jene Personen, denen von Sportlern oft auch ein besonders enges Vertrauen entgegengebracht wurde. Es war eine perfide Organisation, ein perfides System ohne jeden Skrupel. Daher begrüße ich die Initiative, Doping und Zwangsdoping in den drei Nordbezirken der DDR historisch aufzuarbeiten, ausdrücklich.

Ich danke deshalb zunächst der Fraktion der GRÜNEN, die grundsätzlich den Anschub gegeben hat, dass diese Diskussion zustande gekommen ist, sodass die Beschlussempfehlung heute das Ergebnis einer gemeinsamen intensiven Diskussion zu der Thematik ist. Der Beschlussempfehlung des Innenausschusses kann ich nur meine volle Zustimmung geben. Neben dem wissenschaftlichen Aufarbeiten ist mir vor allem wichtig, dass das Thema nicht in Vergessenheit gerät oder dass es, wie so vieles heutzutage, nicht relativiert oder verniedlicht wird. Das war tausendfache Körperverletzung und es war massenhafter Betrug, dafür gibt es keine Entschuldigung. Die Opfer haben Gerechtigkeit verdient und dazu gehört natürlich selbstredend eine komplette Aufarbeitung ohne Wenn und Aber.

Meine Damen und Herren, viel stärker als noch vor 20 oder 30 Jahren geht es heute beim Kampf gegen Doping auch um den Schutz des Sports insgesamt. Es geht inzwischen grundsätzlich um seine Glaubwürdigkeit auf der einen Seite, aber eben auch um die gesellschaftliche Akzeptanz des Sportes. Dass es damit zurzeit auch bei uns in Deutschland nicht zum Besten bestellt ist, hat uns zuletzt – aus meiner Sicht – das ablehnende Votum der Hamburger zur Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 vor Augen geführt. Es waren wohl nicht ausschließlich die Zweifel der Hamburger am Finanzierungskonzept der Olympischen Spiele und ihre Sorge um die Stadtentwicklung, die zu diesem Ergebnis führten. Die Hamburger Bewerbung bekam wohl auch die Glaubwürdigkeitskrise des Leistungssports in Gänze und der olympischen Bewegung insgesamt zu spüren.

Da dürfen wir uns letztendlich auch nicht wöchentlich von den beeindruckenden Zuschauerzahlen beim Fußball blenden lassen. Der Kampf gegen den Dopingmissbrauch ist deshalb auch ein Kampf um die Integrität des Sportes insgesamt. Er ist aber auch ein Kampf um die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft, wie Vertrauen, wie Ehrlichkeit, wie Fairness, wie Teamfähigkeit – all dieses, was wir mit der Frage Sport und sportlicher Betätigung in so vielfältiger Form verbinden. Natürlich ist er auch ein Kampf um den Schutz der Sportlerinnen und Sportler, insbesondere der Kinder und Jugendlichen – aber ich glaube, da sollte man keine Altersgrenze zie- hen –, also der Gesamtheit.

Hilfreich wird dabei sicherlich das gerade erst in Kraft getretene und von mir schon angesprochene AntiDoping-Gesetz sein, wobei es eben aus meiner Sicht nicht alle Fragen abdeckt. Benötigt wird aber ebenfalls der offene und kritische Umgang mit diesem Thema in der Öffentlichkeit – durch die Sportler selbst, durch die Sportorganisationen, durch die Medien, aber eben auch durch uns als Politiker. Verschweigen, Bagatellisieren oder Schönfärben helfen hierbei genauso wenig wie Dramatisieren oder Schwarzmalen. Wir sollten uns alle auch daran erinnern, wenn es wieder einmal um unsere ganz persönlichen Erwartungen bei wichtigen Wettkämpfen geht. Wieso sind das Erreichen der Olympischen Spiele und die Teilnahme an solchen Wettkämpfen nicht an und für sich schon ein großer Erfolg? Wieso ist nur der erste Platz ein Erfolg, der zweite vielleicht noch oder gar erst der dritte und der vierte ganz schrecklich?

Auch da, denke ich, muss der Deutsche Olympische Sportbund umdenken in der Frage der Bewertung, welches Land erhält wie viele Punkte für das Erreichen einer Medaille. Auch das führt zu einem nicht ganz gesunden Wettkampf, was dann mit Förderinstrumentarien und Förderpolitik für die jeweiligen Bundesländer zu tun hat. Auch da, glaube ich, ist ein Umdenken in Gänze wichtig. Aber ich glaube, dass gerade die öffentliche Meinung in dieser Hinsicht – auch mit Unterstützung der Medien – in den letzten Jahren schon ein wenig realistischer und objektiver geworden ist.

Wir können den Sport, dem Woche für Woche Zigtausende Menschen auch hier bei uns im Land leidenschaftlich und zumeist ehrenamtlich fernab jeglichen Dopings nachgehen, von jenen kriminellen Machenschaften trennen, wie sie jetzt in der internationalen Leichtathletik nachgewiesen wurden. Wir sind sensibilisiert, wir sind informiert, wir werden, wir müssen den Kampf gegen Doping unabhängig von der Aufarbeitung, die dafür viele

wichtige Hinweise gibt, fortsetzen, gemeinsam mit den Sportlern, dem organisierten Sport und natürlich auch mit der nationalen Anti-Doping-Agentur.

Ich bin überzeugt davon, wir sind in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern auf einem guten Weg, der aber noch langwierig ist und wo wir in vielen Fällen auch erst am Anfang stehen. Die hier zur Abstimmung stehende Entschließung ist dabei ein ganz wichtiges, ein unterstützendes Signal. Hoffen wir, dass es hier eine ähnliche Entwicklung wie auch in anderen Staaten gibt.

Ich wünsche uns eine interessante, eine spannende Aufarbeitung und möchte auch von dieser Stelle dafür werben, wir sind es den vielen Tausend Sportlern nicht nur im Osten, sondern in Gesamtdeutschland schuldig, dass wir mit diesem Thema ehrlich und offen umgehen,

(Vincent Kokert, CDU: Ja, der Westen soll auch ein bisschen aufarbeiten.)

alle Versäumnisse aufdecken und als Politik dafür Sorge tragen, dass sich solche Sachen in der Form niemals wiederholen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)