Protocol of the Session on December 18, 2015

(Zuruf aus dem Plenum: Nein, das glaube ich nicht. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Er stellt aber fest, die gegenwärtigen „Missstände“ sind „so groß, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für diesen Sektor schwinde“.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Deshalb schlagen sie Leitlinien für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung vor. Konkret wird gefordert, dass der Bodenbelag in den Ställen besser wird, dass die Tiere mehr Platz bekommen und ein Umfeld erhalten, in dem sie sich artgemäß beschäftigen, artgemäß fressen und Körperpflege betreiben können. Der Arzneimitteleinsatz in der Tierhaltung müsse sinken und es müsse auf Amputationen wie das Schnabelkopieren bei Geflügel oder das Entfernen der Schweineschwänze verzichtet werden.

(Thomas Krüger, SPD: Ist das jetzt ein Thema?)

Dann geht es um die Diskussion, dass die Betriebsgröße keinerlei Einfluss habe auf das Tierwohl. Es gibt kleine Betriebe mit schlechtem Tierwohl und große mit gutem Tierwohl. Das ist richtig. Das stellt niemand in Abrede. Aber niemand kann ausblenden, dass sich Tierseuchen in großen Ställen viel schneller ausbreiten und dann noch einen wesentlich höheren Einsatz von Medikamenten erforderlich machen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung, meine Damen und Herren, bezieht sich nicht allein auf das Wohl der Tiere. Die mit der Tierhaltung verbundenen Umweltbelastungen und Gesundheitsgefahren für Menschen spielen eine ebenso wichtige Rolle. Niemand möchte im Gestank einer so großen Tierhaltungsanlage leben, wie ich sie eingangs geschildert habe.

(Thomas Krüger, SPD: Die haben in der Regel Filteranlagen. Die haben in der Regel Filteranlagen, Frau Dr. Karlowski.)

Die potenzielle Keimbelastung in der Luft und bei Ausbringung der Gülle sowie die Belastung durch den Lieferverkehr – Futter, Jungtiere, Abtransport der schlachtreifen Tiere – kommen hinzu. Die Bewahrung des ländlichen Raums als Wohnraum, als Lebensraum, die Konkurrenz zum Wirtschaftsfaktor Tourismus, das alles muss beleuchtet werden.

(Egbert Liskow, CDU: Bloß keine Tiere im ländlichen Raum!)

Ich kann noch einmal auf eine Quelle eingehen aus „top agrar“. Sehr bemerkenswert sind hier die Aussagen von Professor Albert Sundrum von der Universität Kassel. Der hat im deutschen Landwirtschaftskolloquium „Zukunft Nutztierhaltung“ davor gewarnt, die aktuelle gesellschaftliche Ablehnung der jetzigen Tierhaltung zu unterschätzen. Professor Sundrum betrachtet diese exportorientierte Wirtschaftsweise als einen Irrweg und sieht die heutige Viehhaltung in einer grundlegenden Krise, meine Damen und Herren.

Die Landwirtschaft ist nach Darstellung des Kasseler Agrarwissenschaftlers zudem Verursacher hoher Umweltkosten – darauf ist unsere Fraktion hier schon oft eingegangen – und zudem in der gesellschaftlichen Kritik. Sie kann sich nach seiner Ansicht auch nicht über immer neue Labels und einzelne Initiativen der Diskussion um eine Neuausrichtung entziehen. Sundrum empfiehlt eine konsequente Umsteuerung der Produktion auf qualitätsorientierte und tierwohlorientierte Ziele. Ihm zufolge müssen dafür Produkt, Qualität und Prozessqualität – und darum geht es ja heute, wie entstehen das tierische Produkt, das Fleisch, die Milch oder die Eier – eindeutig definiert werden. Nötig seien neben effizienten Kontrollsystemen verifizierbare Indikatoren auf Betriebsebene. – Danke, meine Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Karlowski.

Im Ältestenrat ist eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Till Backhaus.

(Peter Ritter, DIE LINKE: 20 Minuten Fachvortrag vom Landwirtschaftsminister.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum einen

begrüße ich natürlich, dass wir heute diese Debatte kurz vor Weihnachten führen,

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

denn ich bin mir ziemlich sicher, dass wir an den Weihnachtsfeiertagen wieder vor einem reich gedeckten Essenstisch sitzen werden.

(Zuruf aus dem Plenum: Hoffentlich.)

Ich hoffe, Ihre Planungen sind bereits weit fortgeschritten. Ich hoffe und erwarte auch von uns gemeinsam, dass wir regionale Produkte zu uns nehmen, die insbesondere in unserem Bundesland hergestellt worden sind,

(Vincent Kokert, CDU: Genau. Richtig.)

weil die neusten Untersuchungen, die wir ganz bewusst noch mal durchgeführt haben, uns bestätigen, dass die Lebensmittel, die hier in einer sauberen Umwelt produziert werden, ohne Probleme zu sich genommen werden können. Ich bin gespannt, ob sich jemand melden würde hier aus unseren Reihen, der sagt, dass es ein fleischloses Weihnachten geben wird.

(Egbert Liskow, CDU: Bei mir nicht.)

Zurzeit meldet sich niemand.

(Vincent Kokert, CDU: Frau Karlowski würde ich das jedenfalls zutrauen.)

Insofern gehe ich davon aus, dass sich neben Fleisch und Fisch ganz besonders – bei uns jedenfalls – auch Obst und Gemüse aus regionaler und nachhaltiger Produktion auf der Speisekarte, aber auch auf unseren Gabentischen finden. Auch das ist für mich ein wichtiges Instrument der Verbraucherpolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit Langem diskutieren wir über die Frage der Tierhaltung. Wir führen diese Diskussion aus guten Gründen. Tierschutzaspekte, negative Umweltauswirkungen der Tierhaltung, die Sozialstandards oder insbesondere die Auswirkungen auf die ländlichen Räume sind sicherlich berechtigt. Aber was immer zu kurz kommt bei all den Diskussionen, ist, es muss sich auch ein wirtschaftlich tragender Prozess daraus entfalten lassen, sonst wird es Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern in der Form nicht mehr geben. Wer das nicht begreift und nicht erkennen will, der muss zur Kenntnis nehmen, dass neben der Landwirtschaft mit 20.000 Beschäftigten – und das betone ich immer wieder – eine Arbeitskraft zwischen 8 und 10 Beschäftigte in der weitergehenden Verarbeitung und Aufbereitung an diesem Wirtschaftsprozess bedingt. Das heißt unterm Strich: Das sind über 200.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit sind und bleiben wir in der Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft und den Dienstleistungen der wichtigste Arbeits- und Wertschöpfungsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern.

(Egbert Liskow, CDU: Das vergessen die GRÜNEN immer.)

Das erfüllt mich mit Stolz.

Es geht auch nicht allein um die Frage, ob öko gut ist und konventionell schlecht. Ich bin auch dankbar, dass heute

Frau Karlowski die Frage „Groß oder klein?“ ein Stückchen relativiert hat. Es geht nicht um „Groß oder klein“. Es geht darum, ob die moralischen, die wirtschaftlichen und die sozialen Aspekte mit dem, was wir in Deutschland, in Europa an Maßstäben setzen wollen, übereinstimmen.

(Manfred Dachner, SPD: Genau. Gut.)

Wenn wir da auf einen Nenner kommen würden, glaube ich, dass wir in der gesellschaftspolitischen Debatte einen ganz wichtigen Punkt setzen können.

Im Übrigen glaube ich persönlich sehr klar daran, dass die breite Masse der Bevölkerung bei uns in Deutschland stolz, glücklich und zufrieden mit den hochwertigen Lebensmitteln, die wir jeden Tag, 365 Tage im Jahr, bereitstellen, hochgradig zufrieden ist.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Auch das erfüllt mich mit Stolz.

Ich bin dankbar, dass wir das heute hoffentlich in Ruhe durchbringen können. Wenn Sie sich die reale Lage anschauen in der Landwirtschaft – ich bin in mehreren Landwirtschaftsbetrieben gerade in den letzten Tagen noch mal gewesen –, dann muss ich sagen, in der ökologischen Landwirtschaft geht es den Betrieben gut. Da ist Ruhe, da ist Perspektive drin. Wir haben gute, stabile Preise.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gut, dass Sie das mal sagen.)

Das war immer mein Ziel. Wir bauen auch den ökologischen Landbau aus, ganz klar.

Wenn Sie sich die konventionelle Landwirtschaft anschauen, dann will ich Ihnen nur mal die aktuellen Fleischpreise sagen. Ein Schwein, das heute in Mecklenburg-Vorpommern gehalten wird, hat in dieser Woche 1,25 Euro Lebendgewicht erlöst. Wenn Sie sich vorstellen, ein ganzes Schwein hat, weil es um die 90 Kilogramm schwer wird und dann zum Schlachten geht, zwischen 80 und 90 Euro erbracht – ein ganzes Schwein! Das ist für mich lebensmittelrechtlich und marktwirtschaftlich ein Skandal. Ich sage das so.

(Thomas Krüger, SPD: Ein Zwergkaninchen kostet mehr im Gewicht.)

Jedes Schwein, jeder Liter Milch, der in MecklenburgVorpommern zurzeit produziert wird, bringt auf den Höfen Verlust. Das müssen wir bedenken bei all den Diskussionen um Tierobergrenzen, um Tierwohl, die wir hier selbstverständlich führen wollen. Ich glaube, wir sind mit dem – auch das will ich an dieser Stelle sagen –, was wir hier in den letzten 25 Jahren auf den Weg gebracht haben, was das Tierschutzrecht anbetrifft, was das Tierwohl anbetrifft, mit auf der Siegerstraße, denn jeder Stall, jede Einrichtung, auch in der modernsten Technologie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alles, was hier neu gebaut worden ist, hat die höchsten und neuesten Standards, die wir in Deutschland, in Europa und damit weltweit haben.

Ich will Ihnen auch sagen, wenn das Kilogramm Pute, das wird sicherlich auch bei dem einen oder anderen an

Heiligabend oder an den Weihnachtsfeiertagen oder zum Jahreswechsel auf dem Mittagstisch oder auf der Speisekarte liegen beziehungsweise stehen,

(Egbert Liskow, CDU: Nö. – Torsten Renz, CDU: Nee.)

bei 1,35 Euro liegt, ist das ebenso nicht zum Lachen. Wenn man zu den Weihnachtsfeiertagen im Lebensmitteleinzelhandel – das ist für mich eine der schlimmsten Entwicklungen, die wir haben, die Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels – die polnische Hafermastgans mit vier Kilogramm zu 8,88 Euro angeboten bekommt oder das gemischte Hackfleisch für 3,39 Euro, ist das kein kostendeckender Preis für die Landwirtschaft. Das sind Lock- angebote – nicht ohne Wirkung, denn der Verbraucher profitiert. Die Lebensmittelpreise sind nach wie vor die Inflationsbremse der Bundesrepublik Deutschland und Europas. Auch das wird oftmals verkannt.

Dass auf der anderen Seite der Lebensmitteleinzelhandel horrende Gewinne einfährt und diese nicht an den Landwirt heruntergibt, ist für mich nach wie vor ein Riesenproblem. Deswegen werde ich auch mit der Übernahme der Agrarministerkonferenz im Jahr 2016 alles daransetzen, dass wir zu faireren Rohstoffpreisen in der Landwirtschaft kommen.