Protocol of the Session on December 16, 2015

(Helmut Holter, DIE LINKE: Seit wann reden wir hier mit dem Nachnamen? Der ist Ministerpräsident eines Landes! Da bitte ich doch um entsprechenden Respekt!)

Diesen Respekt soll Herr Bodo Ramelow selbstverständlich von mir bekommen.

Also, Herr Bodo Ramelow hat im Übrigen ganz am Anfang gesagt,

(Vincent Kokert, CDU: Trotzdem hat er daran herumgemäkelt.)

das sei ein ostdeutscher Teilerfolg. Später hat er allerdings gesagt,

(Heinz Müller, SPD: Erst hat er Ja gesagt, dann hat er Nö gesagt.)

dass der Soli ab 2020 weg ist und die ostdeutschen Länder die Verlierer wären.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Sind sie doch auch.)

Das muss man dann auch dazusagen. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Meine Damen und Herren, dieses Ausgleichssystem läuft 2019 aus. Es wird zurzeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft und es gehören ja auch noch viele, viele andere Dinge dazu: die Bundesergänzungszuweisungen, dann gehören die Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen dazu, das sind im Wesentlichen die Mittel aus dem Solidarpakt II, also die Mittel, von denen wir jahrelang profitiert haben, die allerdings – so ist es ja vereinbart – 2019 auslaufen und dann nicht mehr da sind.

Dazu gehören aber auch die Haushaltskonsolidierungsmittel, die zum Beispiel Schleswig-Holstein erhält, aber auch die Entflechtungsmittel, die wir infolge der Föderalismuskommission vom Bund zugewiesen bekommen. Es gehören noch weitere Instrumente dazu, bei denen man am Anfang gar nicht vermutet hat, dass sie überhaupt irgendetwas mit dem Länderfinanzausgleich zu tun hät

ten, zum Beispiel die Hochschulpaktmittel – darüber haben wir vor Kurzem hier gesprochen – oder auch die sogenannten BKM-Mittel, also die Mittel, die der Bund seit einiger Zeit für Kulturförderungen ausgibt und uns Länder immerhin von finanziellen Pflichten entlastet.

Ich könnte noch viele weitere Punkte dazu aufzählen, ich werde das allerdings nicht tun. Ich stelle nur eines fest: Eine isolierte Betrachtung des Länderfinanzausgleichs sagt nicht viel darüber aus, wo wir 2020 wirklich stehen werden. Das hat jetzt gar nichts mit Pessimismus zu tun, sondern das hat selbst ein SPD-Fraktionsvize, nämlich Carsten Schneider gesagt: Die Einigung war offensichtlich „nur auf Kosten des Bundes möglich, ohne ihn dabei zu beteiligen“. Und wenn das ein SPD-Genosse gesagt hat, dann ist das für mich zumindest bedenkenswert.

Die entscheidende Frage für uns im Land MecklenburgVorpommern lautet doch: Bekommen wir auch nach 2020 von außen so viel Geld, dass wir weiter solide wirtschaften können, und zwar unterm Strich, das heißt, wenn alles eingerechnet ist? Denn man braucht keine seherischen Fähigkeiten, wir werden auch 2020 noch Geld von außen brauchen, weil wir selbst einfach nicht so stark sein können, dass wir ohne finanzielle Hilfe auskommen. Das ist nichts als die Wahrheit. Ich möchte gar nicht behaupten, dass ich in der Frage besonders pessimistisch bin, sogar im Gegenteil, aber es ist schlicht so, dass das vorliegende Verhandlungsergebnis – bei aller Freude – auf diese Fragen keine abschließenden Antworten gibt.

Lassen Sie mich noch mal kurz auf das Verhandlungsergebnis eingehen. Die Ministerpräsidenten haben sich also auf ein neues Modell geeinigt, und wenn man überlegt, dass 16 Länderchefs zugestimmt haben, dann versetzt das einen schon in Erstaunen. Das ist ein großartiges Ergebnis. Wirklich herzlichen Glückwunsch! Denn wenn die Mittel neu verteilt werden und hinterher haben alle mehr, dann sieht das zunächst so aus, als hätte man die Gesetze von Adam Riese irgendwie außer Kraft gesetzt. Alle einigen sich, es geht eigentlich um einen Kampf um Geld, und am Schluss haben alle mehr.

Passiert ist eben etwas anderes. Stark verkürzt gesagt: Der Finanzausgleich hat ja mehrere Stufen. Eine dieser Stufen fällt künftig weg und den dadurch entstehenden Verlust an Umverteilung soll der Bund kompensieren oder sogar zum Teil überkompensieren. Diese Kompensation, nicht die Überkompensation, aber die Kompensation ist dann das Mehr für uns in Mecklenburg-Vorpommern, worüber auch die Medien berichtet haben. Es liegt bei uns immerhin bei 224 Euro pro Einwohner. Das ist, finde ich, ein großartiger Erfolg, ja, wenn es denn einer am Ende des Tages ist. Für Mecklenburg-Vorpommern würde sich das finanziell durchaus lohnen, denn wir würden über den Finanzausgleich unterm Strich etwa 15 Prozent mehr erhalten.

Neu ist zum Beispiel auch eine Ausgleichszahlung, die diejenigen Länder erhalten sollen, die über keine großen Forschungseinrichtungen verfügen. Na ja, das versetzt einen dann schon in Erstaunen. Ich bin gespannt, ob der Bund zum Beispiel dieser Forderung am Ende irgendwie zustimmen kann. Ich glaube, nicht.

Wie dem auch sei, zunächst einmal herrscht auch in meiner Fraktion große Erleichterung, ganz einfach deshalb, weil ein wichtiger Schritt in Richtung einer Einigung

getan ist. Mit dem Konsens der Ministerpräsidenten liegt jetzt zumindest der Ball erst mal auf der Seite des Bundes. Das ist schon richtig. Dass überhaupt diese Einigung zustande gekommen ist, so vorsichtig man das alles auch bewerten muss, war lange wirklich nicht zu erwarten. Ich habe die Verhandlungsrunden der Länderchefs jedenfalls stets mit ganz schöner Sorge verfolgt. So war mehrfach aus den Medien zu vernehmen, dass eine Einigung wohl kaum möglich sei und zu viele unterschiedliche Interessen wären aufeinandergeprallt. Es war auch offenkundig, dass es bei den Verhandlungen irgendwo einen Schwund von Solidarität gegeben hat. Das war einfach so, weil sich entweder mal neue und alte Bundesländer gegenüberstanden, mal die Stadtstaaten gegenüber den Flächenländern, mal einfach Bayern und der Rest der Welt und mal der Norden gegenüber dem Süden.

Ich kann nur sagen: Wenn man sich die Haltung der Geberländer anschaut, kann man es menschlich durchaus verstehen, dass diese von dem Geld, das sie erwirtschaften, nicht gern freiwillig etwas abgeben. Das kann man einfach verstehen. Deswegen sage ich vor dem Hintergrund der Tatsache, dass von jedem zusätzlichen Euro, den die Geberländer erwirtschaften, …

Herr Ringguth, mir tut schon langsam der Finger weh, mit dem ich die rote Lampe drücke.

Ich bin gleich fertig.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

… der kleinere Teil im Land bleibt und der größere Teil umverteilt wird, dass man mit Solidarität vorsichtig umgehen muss und sie nicht einfordern, sondern immer nur bekommen kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heute herrschenden Missstände bleiben bestehen, wenn sich die Länder mit ihrem Änderungsmodell – Reformmodell würde ich dazu nicht sagen – zum Länderfinanzausgleich durchsetzen sollten. Schlecht wirtschaftende, hemmungslos Schulden machende Länder wie Bremen oder Berlin können weitermachen wie bisher und würden auch noch belohnt. Bremen hätte sogar noch Anspruch auf Sondertransfers.

Man kann sich natürlich dumm stellen wie der Ministerpräsident und sagen, Bremen und Berlin sind nur die armen Opfer irgendwelcher übergeordneten Umstände. Das eine Land hat Strukturprobleme, das andere hat die Last des Hauptstadtstatus zu tragen. Aber wenn man mal ehrlich ist und die Welt fünf Minuten ohne rosarote Brille betrachtet, muss man zugeben, dass die da eine unglaubliche Schluderwirtschaft betreiben und auf Kosten der Länder leben, die weniger schlecht wirtschaften.

Und zweiter Missstand: Es lohnt sich immer noch nicht, mehr Steuerfahnder einzustellen und damit mehr Steuern

einzunehmen, weil man die zusätzlich erzielten Mittel gleich wieder mit denen teilen muss, die sich ganz bewusst zurückhalten bei Betriebsprüfungen. Dem Gesamtstaat entgehen so Milliarden. Aber der Gesamtstaat interessiert keinen. Wenn die Länder „Bundesmittel“ hören, ist für sie alles in Ordnung, als ob sie nicht Teil des Bundes wären. Ihr neuester Geniestreich, für den sie sich sehr loben, in langen Verhandlungen hervorgebracht, lautet: Der Bund zahlt alles. Dazu brauche ich keine 20 Monate, um das als Land zu sagen.

Für die neuen Länder gilt der Solidarpakt II nach diesem Modell einfach weiter unter anderer Flagge und die Geberländer werden zusätzlich auch noch entlastet, was in der Tat bei Adam Riese Kritik hervorgerufen hätte. Dabei verstecken sich die Länder hinter Artikel 72 Grundgesetz, der dem Bund Gesetzgebungskompetenzen verleiht zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Einige sehen darin aber die Lizenz zum Auf-Pump-Leben ohne Hemmungen und zum bewussten Verzicht auf Steuererhebungen, um damit Unternehmen anzulocken, so, wie das überall auf der Welt Niedrigsteuerländer wie Irland machen auf Kosten anderer Länder, die höhere Steuern erheben.

Angebrachter wären Neuregelungen, denen zufolge solche Praktiken Konsequenzen hätten. In den USA können Bundesstaaten pleitegehen.

(Jochen Schulte, SPD: Zum Beispiel Kalifornien.)

Das wissen die Regierenden da auch und halten sich dran, während Bremen und Berlin als Obersünder genau wissen, dass ihnen nichts passieren kann. Warum soll eigentlich wie in den USA ein Bundesstaat nicht pleitegehen können mit den Konsequenzen, die die Pleite für Griechenland hat? Dann müssen die zugeben, wir sind bankrott, wir haben schlecht gewirtschaftet, dann übernimmt der Bund und es bleibt ihnen so viel Selbstständigkeit übrig wie der griechischen Regierung. Warum eigentlich nicht?

Wenn man das nicht macht, geht das ewig so weiter. Der Föderalismus in der Bundesrepublik ist verkorkst und bedürfte dringend einer Reform. Die kann aber nicht lauten, mehr Geld vom Bund. Das ist die ganze Weisheit. Der Bund ist nur scheinbar reich. Dank der wahnsinnigen Geldpolitik der EZB zahlt er im Augenblick kaum Zinsen, aber ein sicherer Grund ist das nicht. Schon mittelfristig kann die Geldschwemme Folgen haben, die noch gar nicht auszudenken sind. Wenn man die Steuererhebung zentral beim Bund ansiedeln würde, würden genug Milliarden hereinkommen. Dann würden in vernünftigem Abstand Betriebsprüfungen möglich sein, es würden genug Steuerfahnder eingestellt werden, und man hätte Milliarden, die man in die Länder verteilen könnte, die die ausgeben könnten.

Aber solange dieses Grundübel besteht, dass die Steuererhebung bei den Ländern liegt, die Länder miteinander konkurrieren und diejenigen, die mehr Steuern einnehmen, an die was abgeben müssen, die weniger Steuern einnehmen, so lange wird sich daran nichts ändern. Das ist der Hauptpunkt. Es bleiben einfach viele Steuermilliarden uneingenommen. Die Reform müsste in eine ganz andere Richtung gehen. Das würde dem Föderalismus nicht widersprechen. Es wäre nur die Steuererhebung beim Bund, nicht aber die Ausgabe der Mittel.

Aber das hier ist einfach nur ein frommer Weihnachtswunsch. 16 Länderchefs tun sich zusammen und sagen, wir wollen mehr Geld vom Bund. Wenn der das mitmacht, schön, aber das kann er nur so lange machen, wie er Geld hat, und es weiß auch keiner, wie lange das noch der Fall sein wird.

(Vincent Kokert, CDU: Der Beifall hält sich in Grenzen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Für das Protokoll: Kein Beifall!)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, mache ich, um allen Irritationen vorzubeugen, jetzt noch mal einen Test, ob die rote Lampe leuchtet oder nicht.

(Am Rednerpult leuchtet die rote Lampe. – Zurufe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aaah!)

Sie leuchtet, ja.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Jetzt rufe ich auf für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Abgeordneten Herrn Saalfeld.

(Heinz Müller, SPD: Ich glaube, der Kollege Ringguth hat da eine alte Socke rübergestülpt.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehen Sie es mir nach, aber ich finde, das war eine der ödesten Aktuellen Stunden, die ich bisher erleben durfte. Wir haben allerdings einen Lampentest gehabt, das hatten wir auch noch nicht. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, verlangen Sie jetzt nicht von mir,

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

dass ich in den Lobgesang von SPD, CDU und LINKE jetzt einstimmen werde.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warum eigentlich nicht? – Heinz Müller, SPD: Wir kennen Sie ja, Herr Saalfeld. – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Ich bin demokratische Opposition und ich werde jetzt natürlich auch wieder so ein bisschen den Finger in die Wunde legen müssen,

(Vincent Kokert, CDU: Entschuldigen Sie sich doch nicht dafür! Das ist Ihre Art. Da haben wir uns dran gewöhnt.)

denn das Verhandlungsergebnis zum Länderfinanzausgleich ist in unseren Augen kein wirklicher Grund zum Jubeln. Die ostdeutschen Bundesländer, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind aus unserer Sicht eher über den Tisch gezogen worden,