Die Auseinandersetzung mit Fragen Europas und seiner Entwicklung ist in allen Bildungsgängen und Schularten ein verpflichtender Bestandteil der Fächer Geografie, Geschichte oder Politische Bildung. In den modernen Fremdsprachen ist die interkulturelle Kompetenz als Bildungsziel fest verankert. Sie sehen also, Europabildung findet nicht nur an den Europaschulen statt.
Herr Reinhardt, wenn das alles nicht notwendig ist, warum haben Sie 2009 als Koalition diesen Antrag gestellt und warum haben Sie bis heute nichts getan?
Wenn Sie dem Minister zugehört hätten – wir haben ja zum Beispiel in Löcknitz angefangen, was zu tun,
das ist ein aufwachsender Prozess. Wir hätten auch an zehn Schulen was machen können und Sie hätten wahrscheinlich noch gesagt, es reicht nicht.
Wir lassen uns aber nicht treiben, weil das Stück für Stück und auch vernünftig aufgebaut wird, Frau Oldenburg.
Sie sehen also, Europabildung ist ein fester Bestandteil an allen Schulen. Auch ich bin ja nach 1990 noch zur Schule gegangen.
(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wie alt waren Sie da? – Heiterkeit bei Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)
Ich bin auf das Gymnasium in Teterow gegangen und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass dort die Europabildung immer fester Bestandteil war, nicht nur bei den Schulreisen nach Rom oder London. Insofern glaube ich tatsächlich, dass wir hier keine Probleme herbeireden sollten, die nicht da sind. Deshalb werden wir Ihren Antrag auch ablehnen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! DIE LINKE setzt sich für die Stärkung der Euro- pabildung ein. Wir GRÜNEN halten das für ein berechtigtes und sinnvolles Anliegen.
Der Antrag benennt ja bereits eine Vielzahl von Handlungsfeldern, die den Gedanken der Europabildung berühren: die Rahmenpläne der allgemeinbildenden Schulen, die Arbeit der Europaschulen im Besonderen, den Fremdsprachenunterricht, grenzüberschreitende Kooperationen, Austauschprogramme et cetera. In manchen Bereichen steht das Land bereits relativ gut da, in anderen Bereichen gibt es jedoch erhebliches Verbesserungspotenzial.
Zum Beispiel kritisieren Sie, dass es in Mecklenburg-Vor- pommern nur 28 Europaschulen gibt. Das sehen wir etwas differenzierter. Natürlich wären mehr Europaschulen absolut wünschenswert, aber man muss doch immerhin positiv anerkennen, dass Mecklenburg-Vorpommern mit 28 Europaschulen im Bundesländervergleich schon vorne dabei ist. Das sind beispielsweise mehr Schulen als in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz oder auch Bayern.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Bayern wundert mich jetzt nicht. – Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Marc Reinhardt, CDU)
Dabei ist aber natürlich entscheidend, wie die Rahmenbedingungen für die Europaschulen in unserem Land sind. Auch hier kann man sagen, wer sich mit diesen Schulen etwas beschäftigt, wird hervorragende Schulprogramme vorfinden und Schulen, die es mit dem Europagedanken und der Internationalität ernst meinen.
Und doch gibt es noch manche Reserven. So wird zum Beispiel der zweisprachige Unterricht, der ja ein wichtiges Element für Europaschulen sein soll, häufig nur vereinzelt oder in wenigen Klassenstufen angeboten. Da ist noch einiges mehr möglich und nach unserer Auffassung auch nötig. Ich erinnere an unsere Ausschusssitzung vor Ort in der Europaschule in Ahlbeck, wo der Schulleiter – Frau Oldenburg ist ja darauf eingegangen – sehr eindrücklich geschildert hat, wie aufwendig das bürokratische Verfahren ist, wenn der Austausch zwischen der Partnerschule in Swinemünde, Świnoujście, nicht nur auf dem Papier stattfinden soll, sondern tatsächlich gelebt werden soll durch regelmäßige, und damit meine ich nicht regelmäßig einmal im Jahr, sondern regelmäßige wöchentliche Treffen.
Das gilt natürlich auch für den Kitabereich. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es nur zwei zweisprachige Kindertagesstätten. Das ist im bundesweiten Vergleich schon ein ziemlich trauriger Wert.
Sehr einig sind wir uns in den Fragen der deutschpolnischen Bildungszusammenarbeit und des Polnischunterrichts. Polen ist für Mecklenburg-Vorpommern ein wichtiger europäischer Nachbar. Gerade die Grenzregionen werden im Laufe der Zeit immer mehr miteinander verschmelzen, was ja, wie gesagt, bei unserem Besuch in der Europaschule in Ahlbeck sowohl durch den Bürgermeister als auch den Schulleiter sehr deutlich vermittelt wurde. Wir vergessen oft, für Mecklenburg-Vorpom- mern ist die nächstgelegene Metropole nicht etwa Hamburg und es ist auch nicht Berlin, sondern es ist Szczecin mit ungefähr 400.000 Einwohnern.
Trotzdem haben im vergangenen Jahr nur 492 von 140.000 Schülerinnen und Schülern in unserem Bundesland Polnisch gelernt. Das sind 0,35 Prozent.
Wir sind darum der Meinung, dass dieses Unterrichtsfach an mehr Schulen angeboten werden sollte. Das gilt natürlich besonders für die Grenzregionen.
Außerdem sollte es künftig ermöglicht werden, Polnisch schon vor der 7. Klasse zu wählen, genauso wie es der Standard bei Englisch, Spanisch oder Französisch ist.
Handlungsbedarf gibt es auch bei der Unterstützung von Schüleraustauschen. Der Schüleraustausch ist ein wichtiges Element für die Europabildung und für internationale Erfahrungen überhaupt. Die Landesförderung für solche Maßnahmen fällt jedoch entsprechend spärlich aus. Auch hier erhalten jedes Jahr weniger als ein Prozent der Schülerinnen und Schüler finanzielle Unterstützung. Wie viele Jugendliche in der 8., 9. oder 10. Klasse für ein ganzes Schuljahr ins Ausland gehen, das weiß der Bildungsminister nicht einmal.
Diese prägenden, aber sehr kostenintensiven Auslandsschuljahre müssen vollständig privat finanziert werden. In einem Bundesland mit vergleichsweise geringem Einkommen darf man davon ausgehen, dass weitaus weniger Schülerinnen und Schüler die Chance bekommen als in anderen Bundesländern. Vielleicht ließe sich an dieser Stelle einmal über ein Stipendiumprogramm nachdenken.
In den europapolitischen Schwerpunkten des Landes wurden manche EU-Initiativen für eine höhere Mobilität von Schülerinnen und Schülern in den letzten Jahren überhaupt nicht erst aufgeführt, das heißt, von der Landesregierung für nicht wichtig erachtet. Ich erinnere etwa an das Ansinnen eines internationalen Schülerausweises, der europaweit die ermäßigte Nutzung des Fern- und Nahverkehrs erleichtern sollte. Wer das europäische Bewusstsein und die Europabildung fördern will, sollte
auch die entsprechenden Initiativen auf EU-Ebene kennen, begleiten und dann natürlich für das Land entsprechend nutzen.
Es ist wiederum bemerkenswert, dass es vonseiten der Lehrerinnen und Lehrer offensichtlich wenig Bedarf für Austauschprogramme gibt. Das Land stellt jedes Jahr acht Lehrerstellen für einen Austausch mit Polen, Moldawien und den baltischen Ländern bereit. Aber es finden sich seit Jahren nicht genug deutsche Lehrkräfte, die dieses Austauschprogramm wahrnehmen.