Protocol of the Session on October 22, 2015

Es ist ganz wichtig – und deswegen gehe ich so lang und breit auf Sie ein –, wir lassen keinen Keil treiben zwischen Flüchtlinge und Menschen, die sozial bedürftig sind in diesem Land, ob sie aus der Bundesrepublik kommen oder als Flüchtlinge in Not Hilfe und unsere Solidarität brauchen. Wir lassen keinen Keil zwischen diese Menschen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Tino Müller, NPD: Dafür sorgen Sie ja schon.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Gajek hatte gefragt, wie man denn damit umgehen könnte. Also wir beantragen an dieser Stelle die Überweisung unseres Antrages in den zuständigen Fachausschuss, in den Sozialausschuss. Das ist nur zu konsequent, weil Herr Heydorn ja darauf hingewiesen hat in seiner Würdigung unseres Antrages,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na ja, Würdigung?!)

dass man sich eben mit der Absicht …

Ja, er hat schon differenziert.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Würdigung ist zu hoch gegriffen.)

Also zu den anderen würde ich schon einen Unterschied machen. Ich finde es auch beachtlich, dass Herr Heydorn deutlich macht, dass er für Sozialberichterstattung ist.

Wenn das mal raumgreifend wäre in der Sozialdemokratie, wäre das schon sehr schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Er hatte ja deutlich gemacht, dass man im Sozialausschuss damit umgehen möchte. Konsequenterweise können wir das gleich heute klären.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Es ist doch irgendwie ein Affentheater zu sagen, heute lehnen wir ab, aber dann bringen wir es im Wege der Selbstbefassung wieder ein.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Dann können wir das auch als gemeinschaftlichen Antrag machen. Oder geht es hier nicht mehr um die Sache? Geht es nur darum, wer sich wie durchsetzt und dass der Antrag von der falschen Seite gestellt wurde? Also fassen Sie sich ein Herz! Ansonsten bliebe, Frau Gajek, natürlich der Weg der Selbstbefassung.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Frau Ministerin, ich habe in den letzten Jahren hier kein derart vergiftetes Lob so charmant vorgetragen gehört. Sie haben ja damit begonnen, dass Sie sich bei der AWO bedanken, und haben deutlich gemacht, wie wichtig es ist, was die AWO aufgeschrieben hat. Wenige Minuten später haben Sie in Ihrer Rede von unnützen Redundanzen gesprochen,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Genau. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ihr könnt euch alles sparen.)

was ja nichts anderes heißt als: ist übrig, das brauchen wir nicht, das haben wir alles nicht nötig. Das kommt schon einer Verhöhnung des Forschungsberichts sehr nahe, und das ist sehr, sehr bedauerlich, muss ich Ihnen sagen.

Im Übrigen unterliegen Sie einer Fehleinschätzung. Sie haben ja gesagt, wir haben eine erfolgreiche Politik betrieben. Na, welche denn angesichts der Armutsquoten? Welche? Die Tatsache ist doch, dass es in dieser Gesellschaft ein immer weiteres Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich gibt.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist der Keil, den wir meinen.)

Nun ist die Frage: Wie geht man damit um? Man kann damit so umgehen wie der Ministerpräsident gestern, dass das Wort „Armut“ überhaupt nicht mehr auftaucht.

(Udo Pastörs, NPD: Nö! Nur bei Flüchtlingen taucht das auf.)

Armut ist ausgeblendet in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Er verweist auf die Arbeitsmarktzahlen und darauf, dass auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt Wert gelegt wird. Das ist soweit noch nachvollziehbar.

Aber, Frau Ministerin, Sie haben ja selbst gesagt, Familiencoach ist eine, ich sage es jetzt mit meinen Worten,

Erfolgsstory. Die Frage, die mein geschätzter Kollege Herr Foerster Frau Friemann-Jennert stellen wollte, war: Wissen Sie eigentlich, wie hoch die Vermittlungsquote beim Familiencoaching ist? – 28 Prozent! Das ist nicht wenig, aber im Umkehrschluss heißt es auch, dass 72 Prozent nicht vermittelt sind. Arbeitsmarktpolitik, sagt Henning Foerster immer wieder, ist eine Integrationsleiter. Wenn also über Familiencoaching die soziale Situation geordnet wird, Entschuldung herbeigeführt ist und dann bei der Arbeitsvermittlung, wenn es nachhaltig um Existenzsicherung geht, gepatzt wird, ist das schon ein Problem, dessen wir uns annehmen müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Erstaunlich, also wirklich erstaunlich ist: Es kann Studie um Studie vorgelegt werden –

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ja.)

alle Studien, die sich kritisch mit der Regierungspolitik dieses Landes auseinandersetzen, werden runtergemacht, ignoriert oder schlechtgeredet. Nicht wir reden das Land schlecht, Sie reden die Leistung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schlecht, die uns den Spiegel vorhalten.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Ja, die Bertelsmann-Studie – vom 24.08., das hatte ich gesagt, war die Presseerklärung – geht an den Zielen vorbei, heißt es dort. Die Studie von Herrn Junkernheinrich zur Entwicklung der Sozialkosten im Kinder- und Jugendbereich wird runtergemacht.

(Zurufe von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

Die AWO wird hier als unnütze Redundanz diffamiert. Also ich sage Ihnen, Sie ignorieren, Sie blenden auf diese Weise die Lebenssituation von Menschen in Armut aus und es ist nicht hinnehmbar, dass Sie die Leistungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an dieser Stelle derartig abqualifizieren. Wir lassen das nicht zu und sagen, das sind Instrumentarien, die wir brauchen. Herr Heydorn hat doch recht, wenn er sagt, ohne Ziel stimmt jede Richtung. Wir müssen eine Analyse haben – das trifft übrigens auch für Kulturanalysen zu –,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf vonseiten der Fraktion der NPD: Braucht keiner. – Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

dass man schaut, was denn die Grundlage ist. Auf welcher Grundlage machen wir denn Politik? Es kann natürlich sein, dass Sie sagen, das ist Methode, das brauchen wir nicht, damit wir immer eine Form der Rechtfertigung haben.

DIE LINKE, sehr geehrte Damen und Herren, instrumentalisiert das Thema nicht. Wir sind vielmehr der Meinung, man muss den Realitäten ins Auge schauen, wir müssen doch mit der Situation umgehen. Das sind wir diesen Menschen schuldig, das sind wir diesem Land schuldig. Deswegen sind wir für eine bestimmte Zeit gewählt worden.

Dann wurde gesagt, es gäbe – das sind jetzt meine Worte – nichts Neues unter der Sonne in diesem Bericht:

keine neuen Zahlen, Fakten, keine neuen Zusammenhänge. Dem ist ausdrücklich nicht so. Das erste Mal – wer sich das anschaut –, das erste Mal wird der Zusammenhang von regionaler Demografie und Armut beschrieben von Wolfgang Weiß, ein sehr geschätztes Mitglied der Enquetekommission, und Jochen Corthier. Eine solche Darstellung des Zusammenhangs hat es noch nicht gegeben, zumal sich daraus auch eine differenzierte Politik innerhalb des Landes ergibt, weil es ja dieses Ost-West-Gefälle in Mecklenburg-Vorpommern gibt, auch in Sachen Armut/Reichtum.

(Rudolf Borchert, SPD: Sehr richtig.)

Wenn es das gibt, dann hat das doch Konsequenzen, um die richtigen Instrumentarien zur Armutsvermeidung und Armutsbekämpfung anzuwenden. Dafür liefert dieser Bericht sehr interessante und wichtige Anhaltspunkte. Er hat auch nicht den Anspruch, selbst ein Armutsbericht zu sein, er ist ein Forschungsbericht. Das ist ein Unterschied.

Aber es gibt die Anregung, einen Sozialbericht im Sinne eines regelmäßigen Instruments politischen Handelns aufzulegen. Und es gibt den Hinweis darauf, dass man sagt, wir haben jetzt den gesetzlichen Mindestlohn eingeführt, dabei kann man stehenbleiben. Aber man muss die gesellschaftlichen Veränderungen und auch die ökonomischen Prozesse in diesem Land mit im Blick haben und gegebenenfalls Veränderungen vornehmen, also die Mindestlöhne entsprechend anheben, wenn das notwendig wird. Das ist doch eine Sache, die man nicht vom Tisch wischen darf und vieles andere mehr.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass es notwendig ist, mit diesem Bericht umzugehen, wie wir auch andere Berichte einbeziehen müssen.

Frau Friemann-Jennert, Sie sagten in der Begründung Ihrer Ablehnung, es ist nicht notwendig, Konsequenzen aus einem Bericht zu ziehen. Ich sage Ihnen, es wäre schön, wenn Sie wenigstens mal einem Bericht so viel Aufmerksamkeit schenken würden, dass daraus Konsequenzen erwachsen, und nicht, wie es hier tradiert und Mode ist, immer wieder diese Berichte und Hinweise von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Tisch zu wischen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: So wie die Regierungsumfrage. Da ist man sehr aufmerksam.)

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4585 zur Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen von SPD und CDU abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einer Stimmenthaltung und bei Ablehnung der Fraktion der NPD.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4585. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4585 mit den Stim

men von SPD, CDU und NPD abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einer Stimmenthaltung der Fraktion der SPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Konkrete und verbindliche CO2-Obergrenzen zur öffentlichen Kfz-Neubeschaffung festlegen, Drucksache 6/4587.