Protocol of the Session on September 25, 2015

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, Landesmittel in die Hand nehmen.)

einzukürzen, wenn wir keine Vorsorge getroffen haben. Dann würden wir total unsystematisch und vor allem ohne Alternativmöglichkeiten arbeiten.

Landesmittel sind eine Alternative. Dann sind Sie bei meiner Frage aus der letzten Sitzung. Sagt, woher! Dann ist wenigstens die Alternative klar. Das ist doch auch eine faire politische Debatte zu sagen, ich bin bereit, folgende Schule, folgendes Modellprojekt oder folgenden Investtopf dafür aufzugeben.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Deshalb, sehr geehrter Abgeordneter, stellen wir beispielsweise immer dann, wenn ein Vertrag ausläuft, wenn man ihn nach 15 Jahren wieder prüfen kann, jeden Vertrag auf den Prüfstand, so auch die Südbahn, wenn er denn jeweils ausläuft. Deshalb schließen wir dann auch keinen neuen Vertrag, wenn wir wissen, dass wir uns das nicht mehr leisten können, und warten nicht, bis das Geld alle ist. Und wenn ich weiß, dass mich der Vertrag viele Millionen pro Jahr kostet, rechne ich nicht, ich habe noch vier Jahre Geld, holla, die Waldfee, sondern ich rechne, kann ich den 15 Jahre lang bezahlen, und zwar neben den anderen acht oder zehn Verträgen, aufsummiert – kaufmännisch vorausschauendes Blicken.

Noch einmal: Wenn das Geld alle wäre – es sei denn, man nimmt es aus dem Landeshaushalt, aber wenn man beim Bundesgeld bleibt, ist es eine Bundesaufgabe, die wir 1994 aufgenackt bekommen haben, mit dem Versprechen, ihr macht das mit unserem Geld –, wenn das Geld alle ist, dann müssen wir sofort reagieren und würden den nächstbesten Vertrag anfassen, der zufällig zu diesem Zeitpunkt ausläuft, das kann nicht richtig sein.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wenn Schienenverkehr keine Priorität hat, dann machen Sie das genauso.)

Deswegen gehen wir vorausschauend auf die Verträge zu. Sie würden Riesenschäden anrichten mit dieser Forderung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe zu lange unternehmerische Verantwortung getragen und gemeinsam mit fünf Mitgesellschaftern – das ist hier ja kritisiert worden in den Sommerferien – für über 80 Arbeitnehmergehälter jeden Monat eingestanden, als dass ich mir das vorausschauende Steuern jetzt abgewöhnen könnte. Und genau mit diesen Erfahrungen steuere ich auch bei den Regionalisierungsmitteln weiter, im Übrigen in treuer Folge dessen, was auch vor mir schon geschehen ist, nicht nach dem Motto – ein bisschen boshaft zugestanden –, Schampus und Kaviar, wenn das Geld da ist, und kurze Zeit später zum Insolvenzverwalter, nicht Management by Kontostand, weil da gerade Geld irgendwo draufsteht, sondern planend, vorausschauend und den sehr langen Bremsweg, den ich bei Vertragsanpassungen habe, möglichst vorher erahnend. Mir ist klar, für Politiker ist das total unsexy, aber ich halte das für seriös, ich halte das für solide und ich halte das für verantwortungsbewusst.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle muss ich Sie sicherlich ein weiteres Mal deutlich enttäuschen. Ich bin nicht nur lange genug selbstständig gewesen, ich kann, auch in der Finanzpolitik, nicht aus meiner vielleicht ein bisschen konservativen Haut eines Familienvaters raus: langfristig, vorausschauend, planend und Verantwortung tragen für die Mädels, bis sie 18 sind,

(Egbert Liskow, CDU: Einfach konservativ. – Unruhe und Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

nicht auf den kurzfristigen finanzpolitischen Vollrausch aus, um dann verkatert vor Problemen nicht aus den Augen gucken zu können.

Wenn hier der Ruf lautet – und das ist ja Ihr Wunsch –, 42 Millionen Rücklage, da können wir doch einen Teil ausgeben, dann antworte ich Ihnen norddeutsch, sachlich kühl: Bei Istausgaben Ende 2014 für den Regionalverkehrsbereich in unserem Land von knapp 222 Millionen Euro sind allein 5 oder 6 Prozent Kostensteigerung statt der vom Bund gegebenen 1,5 Prozent Dynamisierung schnell mal eben solide zweistellige Millionenbeträge an Mehrkosten pro Jahr, wie wir es im Übrigen schon erlebt haben in den vergangenen Jahren, wo Haushaltsmittel eingestellt waren und zum Teil tatsächlich nicht gebraucht worden sind. Das – zwei oder drei Jahre nacheinander als Worst-Case-Szenario – frisst binnen kürzester Zeit eine komplette Rücklage. Das will ich nicht hoffen, wir brauchen die nämlich noch für andere Dinge.

Wenn Sie das reale Risiko der nicht unerheblichen Verluste bei der Neuverteilung der Regionalisierungsmittel für die Zukunft hinzurechnen – und dazu sage ich gleich gern etwas, wie es konkret geworden ist –, brauchen wir eigentlich noch eine deutlich höhere Rücklage, meine Damen und Herren, nicht um des Sparens willen, um da mal aus der schwäbischen Ecke rauszukommen, nein, um diesen 10- bis 15-jährigen Bremsweg abzumildern. Ich muss leider, da wiederhole ich mich gern, in Zeiträumen von zwei bis drei Legislaturperioden dieses Hohen Hauses denken.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Völlig klar.)

Und da ist er dann auch wieder, der nüchterne hanseatische Kaufmann – sorry –, der aus seiner vielleicht etwas spießig wirkenden Familienvaterhaut nicht raus will und für den vor allem langfristige Verantwortung zählt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für finanzpolitische One-Night-Stands à la „hoch die Tassen“ bin ich nicht zu haben.

(Heiterkeit bei Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Um das deutlich zu formulieren, der Kompromiss des Bundes mit den Ländern aus der heutigen Nacht gibt mir leider recht, entgegen Ihren Berechnungen. Künftig sollen in der Tat die Regionalisierungsmittel des Bundes zwar 8 Milliarden statt 7,3 betragen, die Dynamisierung steigt von 1,5 auf 1,8.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich vorhin gesagt.)

Und noch viel wichtiger: Die in den letzten Jahren ungebremste und vollkommen unkalkulierbare Kostenexplosion – die muss wirklich wehgetan haben – bei den Trassen- und Stationsentgelten, also bei der Bahnhofs- und Schienenmaut, soll durch Gesetze nach oben begrenzt werden. Den Erfolg gucken wir uns dann in den nächsten Jahren an.

Wir bekommen den sogenannten Kieler Schlüssel, der ist besser als der Königsteiner Schlüssel. Wir rutschen aber deutlich unter das bisher auf Mecklenburg-Vorpommern entfallene Tortenstück an den Regiomitteln.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Tortenstück?!)

Da wird man bei 8 Milliarden und 1,8 Prozent Dynamisierung jetzt erst recht rechnen müssen, zumal später noch Detailfragen mit finanziellen Auswirkungen – auf 15 oder 16 beginnend – bestimmt werden. Aber nach ersten überschlägigen Rechnungen müssen wir, und da sind wir deutlich auseinander – aufsummiert auf 15 Jahre und verglichen mit einer linearen Weiterrechnung vom jetzigen Status quo –, von mehreren 100 Millionen Euro weniger innerhalb von 15 Jahren ausgehen und nicht von mehr. Sie rechnen fälschlicherweise ab 15 oder 16.

Der Kieler Schlüssel hat Folgendes gemacht: Er hat uns quasi auf dem alten Schlüssel gelassen und dann langsam auf Mitte der 20er abgesenkt. Und der kommt richtig schmerzhaft in den 20ern an.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir steigen doch nach Kieler Schlüssel mit 15 deutlich mehr ein. Ich kann Ihnen das zeigen.)

Ja, und dann sind Sie schon ab 17 raus, wenn Sie seriös weiterrechnen. Anders als noch bei den 8,5 Milliarden, wo wir bis Mitte der 20er durchgehalten hätten, sind wir jetzt bereits zum Jahrzehntwechsel aus den nominell höheren Beträgen raus.

Nach vorläufiger Einschätzung dürften wir schon ab 2019 – schon ab 2019! –, die gleiche Zahl wie heute, nominell weniger Regionalisierungsmittel bekommen als 2015. Dann ist keine Inflation drin, keine Kostensteigerungen, die schmälern den nominellen Wert noch mal entsprechend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß, dass ich nicht bekannt bin für emotionale Reden,

(Heiterkeit bei Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach, das mit dem One-Night-Stand war gut.)

und ich bin auch nicht der Typ, der immer auf die Sahne haut, aber Schampus, Kaviar und One-Night-Stand waren gestern Abend. Willkommen in der harten Realität!

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Das wundert mich nicht, dass dieser Kompromiss herausgekommen ist. Das wundert mich nicht.)

Schon mit unserer langfristigen Vorsorge wird es jetzt schwer genug werden, Herr Ritter, es wird schon schwer genug werden.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Das ist doch Ihr permanentes Reden: Raus mit der Kohle – Schampus, Kaviar!

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das Geld zusammenzuhalten, ist jetzt das Gebot der Stunde,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

weil Sie genau das in den 20er-Jahren brauchen werden, um überhaupt die 12 bis 15 Jahre mit dem Auslaufen der Verträge hinzubekommen. Und schon dann wird es noch schwer genug werden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nicht weiter Hoffnungen bei den Menschen in unserem Land wecken, die, objektiv gesehen, in der Perspektive vollkommen unrealistisch sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Zeit für ein Katerfrühstück der Opposition und dann für seriöses gemeinsames planendes Handeln, damit Regionalbahnen weiterhin und langfristig in unserem Land in einem sinnvollen Netz, das wir uns leisten können – und das wird deutlich weniger sein als bisher – fahren können. Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit und wünsche viel Erfolg bei der Diskussion. Sie werden fast 500 Millionen verlieren. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD, Dietmar Eifler, CDU, und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Anliegen dieser Aussprache – Herr Kollege Jaeger hat es schon gesagt – war nicht allein die Tatsache, dass es einen ziemlich großen Rest an Mitteln gibt, der noch nicht ausgegeben ist für den SPNV, vielmehr ist für mich diese Debatte Anlass, Sie, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, und den Minister zu fragen, wann Sie denn beginnen wollen, mit der Energiewende im Verkehrsbereich Ernst zu machen und den Landtagsbeschluss vom vergangenen Jahr umzusetzen.

Sie reden davon, Infrastrukturpolitik ist Langfristpolitik.

(Andreas Butzki, SPD: Ja, das ist auch so.)

Das kann ich nachvollziehen, selbstverständlich, das geht nicht über eine Legislatur. Aber nach dem, was Sie hier gesagt haben, verstehe ich Ihre Langfristpolitik immer weniger. Das bedeutet, wir warten auf die besten Zeitpunkte, wo wir noch mehr abschneiden können.

(Rainer Albrecht, SPD: Das ist Quatsch! Das ist doch Quatsch! – Andreas Butzki, SPD: Quatsch!)

Das verstehe ich nicht unter einer Strategie. Das ist auch für mich keine Planung. Allerhöchstens heißt das, Vorsorge zu treffen für den schlimmsten Fall. Das muss man machen, sicherlich, aber eine Planung ist nicht zu erkennen. Dann sagen Sie doch lieber: Zug in M-V ist out!

(Andreas Butzki, SPD: Das ist doch Quatsch! Das ist doch Quatsch!)

Aber was dann? Anders kann ich die Rede hier nicht verstehen.