Protocol of the Session on September 25, 2015

uns an der Südbahn etwas gelegen sein. Wir sind uns einig, die Südbahn so stümperhaft weiterzubetreiben wie in den letzten Jahren, also mit maroden Bahnhöfen und Streckenabschnitten, wo ich nur unter 60 km/h fahren darf, das macht den Nutzern keinen Spaß, da kriege ich keine Nutzergruppen. Wir brauchen ein starkes Signal, dass wir sagen, wir haben jetzt noch 40 Millionen in der Kasse und können einschätzen, was wir für die Zukunft brauchen, denn es gibt eine Einigung, die besser ist, als wir vermuten mussten. Deswegen ist jetzt der Zeitpunkt zu sagen, lasst uns dieses Projekt als ein Vorzeigeprojekt wieder aufnehmen.

Es gibt viele Beispiele in der Bundesrepublik Deutschland, wo schwierige Strecken – und das ist eine schwierige Strecke, das will ich gar nicht bestreiten – als Zukunftsinvestition ertüchtigt wurden und wo uns die Zahlen am Ende auch recht geben würden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Pegel. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Verwendung von Regionalisierungsmitteln in Mecklenburg-Vorpommern“ – so nüchtern und zaghaft der unschuldige Titel der heutigen Aussprache. Gemeint sein dürfte wohl etwas anderes, das haben Sie auch gesagt: das Thema Südbahn. Dann hätte ich es auch hilfreich gefunden, es ganz offen so anzusprechen.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich nehme Sie, …

Den habe ich ja auch beinahe vorher erahnt.

… ich nehme Sie gerne erst mal beim Wort und sage etwas zu Regionalisierungsmitteln, zu deren Verwendung im Land.

Wir finanzieren daraus in kleinstem Maße die Verkehrsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern, die uns für den Schienenpersonennahverkehr beiseitesteht und ihn organisiert. Wir finanzieren daraus in geringem Umfang Investitionen in Infrastruktur. Wir bezahlen in kleinem Umfang Gelder an die Kreise für Busverkehre, die ehemalige Bahnverkehre substituieren, im Übrigen nicht nur auf der Südbahnstrecke. Und wir bezahlen mit dem absoluten Gros der Mittel die vielen Regionalbahnlinien, die wir im Land haben, denn – das scheint bei manchen hier im Lande noch nicht angekommen zu sein – jede dieser Regionalbahnlinien ist defizitär und bekommt Geld vom Land. Diese Subventionen brauchen sie über die gesamte Vertragslaufzeit. Im Übrigen bräuchte es auch die Südbahn.

Das sind üblicherweise Verträge, die für 12 bis 15 Jahre geschlossen werden. 12 bis 15 Jahre! Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wer Verträge schließt – alter juristischer Grundsatz aus dem lateinischen Recht –, muss sich daran halten. Wenn wir im vierten oder fünften Jahr merken, oh, das Geld reicht ja doch nicht aus, müssen wir trotzdem bis zum 15. Jahr weiterbezahlen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig.)

Um diese Vertragslaufzeit mal etwas nassforsch umzurechnen – dafür bin ich vielleicht nicht Politiker genug –: Das sind genau drei Legislaturperioden eines Landtages, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich bin mir sehr darüber im Klaren, dass für Wiederwahlen ein 15-Jahres-Blick nicht zwingend hilfreich ist. Aber Infrastrukturpolitik ist langfristig, genau wie die Bestellungen von Schienenpersonennahverkehrsleistungen langfristige Projekte sind. Deshalb – das sehen Sie mir jetzt nach – habe ich die künstliche Aufregung um einen vorausschauenden Umgang mit unseren Regionalisierungsgeldern nicht nur nicht verstanden, ich halte es sogar für brandgefährlich, was seit vielen Monaten in diesem Parlament geschieht, weil dabei für einen kurzen vermeintlichen Punktsieg den Menschen in unserem Land unverantwortlich Sand in die Augen gestreut wird.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich weiß, das stößt jetzt selbstverständlich nicht auf Ihre Zustimmung,

(Egbert Liskow, CDU: Herr Minister, die Gutmenschen brauchen das ab und zu für ihren Erfolg.)

ich weiß auch, dass nur das Beste gewollt ist, um gar nicht in einen Streit zu kommen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur das Beste für jetzt und für sofort wollen. Was schert uns die Sorge des nächsten Landtages oder des übernächsten, das ist mir klar, und trotzdem sind das genau die Perspektiven bei 10 und 15 Jahren, die wir im Blick haben müssen.

Ich will gerne noch mal auf Ihre Medienarbeit eingehen, weil Sie sagen, Mensch, wir wollten das nur objektiv beleuchten. Da ließ die GRÜNEN-Landtagsfraktion verlauten, das Land habe „über Jahre“ die Regionalisierungsmittel „nicht in voller Höhe ausgegeben“ – klares Signal, eine permanente lineare Linie.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das lässt mich dann staunen angesichts der Tabelle, die wir Ihnen mit der Beantwortung Ihrer Kleinen Anfrage an die Hand gegeben haben. Selbst bei schnellem Lesen muss klar gewesen sein, 2006 hatten wir eine Rücklage von 1,6 Millionen Euro. Nur binnen drei Jahren, bis 2008, war diese auf fast 13 Millionen Euro angeschwollen. Danach, wiederum nur binnen drei Jahren, haben wir aus diesen 13 Millionen quasi null gemacht. Seit 2012 haben wir in der Tat wieder einen Puffer aufgebaut.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau in der Zeit, wo Sie zur Südbahn erzählt haben, haben wir 40 Millionen reingenommen.)

Ich bin ja noch gar nicht fertig. Warten Sie ab! Ich versuche, Sie wieder auf die 10 bis 15 Jahre zu lenken und nicht auf die nächsten anderthalb bis zur Landtagswahl.

Schon bei flüchtigem Lesen unserer Antwort war also klar, eine vom schnellen Auf und Ab geprägte Wellenbewegung – dankenswerterweise von Ihnen eben angesprochen – kennzeichnet die letzten Jahre. Von „über Jahre nicht in voller Höhe ausgegeben“ keine Spur, meine sehr geehrten Damen und Herren, keine Spur.

Und noch etwas wird dabei deutlich. In den Jahren von 2009 bis 2011 haben wir zum Teil deutlich mehr für unseren Regionalverkehr ausgegeben, als der Bund uns an Mitteln zur Verfügung gestellt hat. Denn nur so erklärt sich ja, dass die 13 Millionen binnen zweieinhalb Jahren auf beinahe null abgeschmolzen sind. Und ja, die Tabelle in der Antwort auf die Kleine Anfrage der GRÜNEN zeigt auch, dass wir seitdem bis Ende 2014 wieder einen Puffer für schlechte Zeiten – im Übrigen von 41,8 Millionen Euro – zurückgelegt haben.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In der Zeit, wo wir diskutiert haben.)

Wir haben also Jahre, in denen wir weniger Mittel ausgeben, als der Bund uns überweist.

Diese Finanzpuffer bleiben aber – das ist mir wichtig, das klingt so, wir konsolidieren da irgendwas – im System, und genau deshalb werden sie im System des Haushaltes auch entsprechend ausgewiesen und werden als Rücklage für schlechte Jahre in diese Folgejahre übernommen. Noch mal: Die Gründe für diese Wellenbewegungen sind vor allem die schon genannten Vertragslaufzeiten von 12 bis 15 Jahren – ein ziemlich langer Zeitraum. Die Verträge – das muss man immer im Hinterkopf behalten – mit den Bahnunternehmen enthalten wegen dieser langen Vertragslaufzeit sogenannte Preisanpassungsklauseln.

Wenn die Tarifverträge und damit im Übrigen die Gehälter sich deutlich verändern, wenn die Trassen- und Stationsentgelte – übersetzt die Zugmaut für die Bahnhofs- und Schienenbenutzung – deutlich ansteigen, haben die Nahverkehrsbahnen einen Anspruch gegen das Land, höhere Preise für ihre gefahrenen Zugkilometer zu bekommen. Diese über einen langen Zeitraum laufenden Verträge führen also zu einem Bremsweg für uns in der Steuerungsmöglichkeit, für Vertragsanpassungen von 10 bis 15 Jahren. Das ist unser vertragsmäßiger Bremsweg, während die Einnahmeseite sich deutlich schneller verändern kann – wenn wir Pech haben, innerhalb eines Jahres.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bisher lagen die Kostensteigerungen deutlich über den Beträgen, die der Bund pro Jahr mehr gibt. Der Bund überwies nach dem bisherigen System jährlich 1,5 Prozent mehr, das war die sogenannte Dynamisierung. Allein die Stationspreise stiegen zwischen 2009 und 2014 um 14 Prozent und die Trassenpreise, die Schienenmaut sozusagen, jährlich – jährlich! – um 2,4 Prozent. Wir haben also bisher jedes Jahr schon real weniger Geld für Zugbestellungen zur Verfügung gehabt, weil die Kostensteigerungen höher ausfielen als die Dynamisierung.

Wir haben aber zudem zwei große neue Ausschreibungen in den kommenden Jahren vor uns. Beim Usedom-Netz, gerade aktuell, zeichnet sich ein deutlicher Preisanstieg verglichen mit der Istsituation ab. Das lässt sich auch gut erklären über Tarifverträge, die zwischenzeitlich geschlossen worden sind. Oder in den nächsten Jahren das ge

samte Netz entlang der Ostseeküste Hamburg–Schwerin– Rostock–Stralsund – auch da ziehen jetzt schon erkennbar dunkle Kostensteigerungswolken am Horizont auf.

Diese Situation ist aber noch einmal deutlich unkalkulierbarer geworden als bisher. Die Bundeszuweisung und vor allem der Verteilungsschlüssel auf die Länder, Sie haben es eben angesprochen, liefen nach knapp 20-jähriger Bindung Ende 2014 aus. Eine Anschlussregelung ist bisher noch nicht im Gesetz- und Verordnungsblatt, sie zeichnet sich aber ab.

Aber ziemlich sicher zeichnete es sich in der gesamten Zeit schon ab – seit mindestens anderthalb Jahren –, die etwas über drei Prozent, die wir bisher vom großen Regionalisierungsmittelkuchen abbekommen haben – das ist in etwa die Quote –, werden wir künftig nicht mehr haben. Das war 1994 für alle ostdeutschen Bundesländer auch ein Schluck obendrauf zur Hilfe. Da sind zu große Begehrlichkeiten, vor allem der großen Länder – Sie haben auch welche angesprochen, ich habe als Verkehrsminister Ihre Kollegen von den GRÜNEN sehr schätzen gelernt in der Fairness, aber auch in der Hartnäckigkeit – und einiger Stadtstaaten.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben das klar thematisiert bei uns.)

Der Königsteiner Schlüssel, nach dem alle anderen laut gerufen haben – um auch das ehrlich zu sagen, die haben gesagt, wenn ihr bei den Flüchtlingen nur Königstein nehmt, bei anderen Geldern immer Königstein wollt, hier auch –, wurde zumindest unter den Verkehrsministern als neuer Schlüssel abgewehrt. Auf 2,02 Prozent sinken wir also nicht ab. Aber schon vor der heutigen Nacht war klar, wir werden wohl allenfalls irgendwo zwischen 2,2 und 2,3 Prozent landen, von über 3 Prozent kommend. Wir verlieren beinahe einen Prozentpunkt.

Damit zeichnen sich schon seit Längerem mindestens 30 Prozent weniger Regionalisierungsmittel als heute ab. Genau auf diese Situation stellt sich das Land mit seiner Rücklage von knapp 42 Millionen Euro schon seit geraumer Zeit, auch neben den anderen Risiken, ein.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber nicht absolut.)

Uns war klar, …

Doch.

… sofern in den nächsten ein bis zwei Jahren die Bundesmittel, …

(Unruhe bei Jochen Schulte, SPD, und Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich bis zum Ende kommen! Ich kläre das auf.

… sofern in den nächsten ein bis zwei Jahren die Bundesmittel für M-V deutlich weniger werden sollten, der Bremsweg für die Bahnverträge aber 10 bis 15 Jahre beträgt, dann brauchen wir ein Rücklage, um nicht sofort Verträge hochkant zu stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Auseinanderklaffen von Dynamisierung und Kostensteigerungen, vor allem aber die Ungewissheit der künftigen Ausstattung mit Regionalisierungsmitteln und das erhebliche Risiko massiver Mindereinnahmen in der Zukunft machen natürlich einen möglichst großen Puffer unbedingt erforderlich.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Genau auf den haben wir uns zubewegt. Und wenn Sie das Zitat nehmen, da war die Frage, trägt das Land Geld dazu bei, wenn die Kreise übernehmen. Da habe ich immer gesagt, nein. Das Zitat ist an der Stelle nach meiner Überzeugung weiterhin richtig. Wir lesen das gerne noch mal gemeinsam.

Ich halte das, was wir da gemacht haben, im Übrigen nicht, wie die „Ostsee-Zeitung“ sagt, für „schwäbisch“, ich halte das schlicht für hanseatisch, für kaufmännisch vorausschauend. Ich weiß, dass es total verlockend klingt – das ist mir doch auch klar, das wäre mir auch lieber, da hinzugehen und zu sagen, ich packe die Geschenkbox aus –, das Geld schnell in Geschenke umzuwandeln und Leuten eine Freude zu machen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Geld, das wir jetzt leichtfertig ausgeben, wird uns spätestens Anfang der 20er-Jahre bitterlich fehlen. Wir werden das bitterlich vermissen. Dann werden die noch länger laufenden Verträge nicht zu ändern sein, wegen der 12- bis 15-jährigen Bremszeit.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Dann würden wir, wenn wir reagieren müssen, nichts anderes tun können, als den nächstbesten Vertrag, dessen Laufzeit rein zufällig in dem Moment ausläuft,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, Landesmittel in die Hand nehmen.)