Protocol of the Session on September 25, 2015

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Landesregierung auf Drucksache 6/4405. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der

Landesregierung auf Drucksache 6/4405 mit den Stimmen der SPD, der CDU und der LINKEN angenommen, bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Gegenstimmen der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 37: Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 der Geschäftsordnung des Landtages – Verwendung von Rationalisierungsmitteln in Mecklenburg-Vorpommern.

(Egbert Liskow, CDU: Was für Mittel? – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Regionalisierungsmittel!)

Regionalisierungsmittel.

Aussprache zum Thema gemäß § 43 Ziffer 2 der GO LT Verwendung von Regionalisierungsmitteln in Mecklenburg-Vorpommern

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 150 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn der Bund Aufgaben an die Länder gibt, dann gibt er in der Regel das Geld mit. Die Regel ist, es ist zu wenig Geld und der Bund stößt Aufgaben ab, die er bisher übernommen hat –

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist immer so.)

immer, fast immer zulasten der Länder.

Das ist auch passiert am 1. Januar 1996. Es gab eine Bahnreform und es wurde festgelegt, dass der Regionalverkehr der Bahn in Zukunft in Länderhoheit zu betreiben ist. Dazu hat der Bund den Ländern Mittel zugesagt, auch dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Diese Mittel wurden entsprechend dynamisiert, und zwar mit 1,5 Prozent. Nun wissen wir alle, dass lange Zeit und eigentlich sogar jetzt noch die Inflation höher ist als 1,5 Prozent, sodass absehbar war, dass diese Mittel nicht ausreichen und zunehmend Landesmittel hinzugeschossen werden müssen, um das gleiche Angebot im Land aufrechtzuerhalten.

Das war unter anderem auch die Aussage der beiden Verkehrsminister, die ich im Verkehrsausschuss und Energieausschuss erlebt habe, nämlich von Volker Schlotmann und von Ihnen, Herr Pegel, dass also die Mittel nicht ausreichen, sondern aus Landesmitteln nachzuschießen ist, weil jeder – das kann man sofort sehen – weiß, dass die Angebote der Bahnbetreiber – das hängt mit Tarifsteigerungen zusammen, mit Trassenpreisen, mit Bahnhofsgebühren und so weiter –, dass diese Preise deutlich schneller steigen als 1,5 Prozent.

Dann kam die Diskussion zur Südbahn und die ist eng verknüpft mit dem Thema Regionalisierungsmittel, weil es darum ging zu sagen, erstens, die Südbahn hat ein zusätzliches Investitionsvolumen von etwa 40 Millionen nötig, um auf der Strecke einen vernünftigen Schienenverkehr zu betreiben. Klammer auf: Das wird von denen, die für die

Südbahn kämpfen, bestritten. Die sagen, wenn, dann wäre dort in vielen Jahresscheiben zu investieren, da ist keine Investition von 40 Millionen nötig. Und die zweite Aussage ist, wenn wir auf den Busverkehr umstellen, können wir etwa 4 Millionen im Jahr sparen. Die Zahlen der Nutzer der Südbahn würden dicke für einen Bus reichen, aber eine Bahn nicht rechtfertigen. Tatsächlich ist diese Strecke seit Jahren massiv vernachlässigt worden. Wer auf der Strecke mal mit den Zügen unterwegs ist oder sieht, wie die Bahnhöfe aussehen, kann das bestätigen.

Aber wir haben das heiß diskutiert. Fünf Anträge von den LINKEN, aber auch von uns, waren in diesem Landtag zu hören zum Thema Südbahn. Wir haben immer wieder dafür gekämpft und es gab, wie gesagt, scheinbar schlagende Argumente. Ich nenne jetzt mal drei. Erstens gibt es zu wenig Nutzer. Das zweite Argument ist, dass uns, um die Strecke attraktiv zu machen, das Geld fehlt. Vielleicht gibt es ja das Potenzial, aber das Geld haben wir nicht, um sie so attraktiv zu machen. Das müssten wir woanders abziehen. Das dritte Argument: Im Moment sind es viel zu wenig Nutzer, das rechtfertigt nicht. Dass auch die Kreise aus meiner Sicht eine gewisse Mitschuld tragen – Thema „Schülerverkehr – Umstellung auf Busverkehr“ –, das haben wir hier ausführlich diskutiert, aber darum soll es heute nicht gehen.

Die Regionalisierungsmittel für 2015 betragen also jetzt etwa 245 Millionen und wir wissen durch die Kleine Anfrage, aber wir hätten es auch wissen können, wenn wir in den Haushalt reingeguckt hätten –

(Jochen Schulte, SPD: Eben.)

ja, das will ich deutlich selbstkritisch bemerken –, dass immer ein Restposten dahinterstand bei diesen Regionalisierungsmitteln. Im letzten Haushalt waren es über 7 Millionen und im jetzigen stehen diese 41 Millionen als Restmittel dahinter. Die Behauptung, wir hätten in Größenordnungen in den letzten Jahren Mittel des Landes in dieses Thema gesteckt,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Falsch.)

ist schlicht falsch.

Und jetzt das Zitat, Herr Minister, vom 24. April 2015. Das kann ich Ihnen nicht ersparen. Es ging um einen Antrag der LINKEN zum Thema Südbahn und um die Frage, wie man das eigentlich finanzieren kann, das sind doch alles Blütenträume. Da haben Sie gesagt, und mit Genehmigung der Präsidentin will ich gerne den kurzen Abschnitt vorlesen: „Entweder es gibt mehr vom Land,“ – das bezieht sich auf das Geld – „dann sollte redlicherweise gesagt werden, was dafür an anderer Stelle wegfällt, oder es bleibt aufseiten der Kreise eine zusätzliche Finanzierungsaufgabe, denn wenn das Land lediglich das Geld für den Busersatzverkehr überweist, muss der Mehrbedarf durch die Landkreise am Ende aus ihren Haushalten getragen werden.“

Das war das schlagende Argument, um zu sagen, liebe Opposition, eure Anträge könnt ihr in die Tonne hauen, ihr habt nicht das Geld für die Südbahn, ich habe es auch nicht, deshalb lasst uns das Projekt gemeinsam beerdigen und durch einen billigeren Busverkehr ersetzen.

(Zurufe von Jochen Schulte, SPD, und Egbert Liskow, CDU)

Wir sehen heute, dass diese Argumentation definitiv falsch war, sie war definitiv falsch. Die andere Argumentation, die wir jetzt hören, will ich ja gar nicht in Bausch und Bogen wegwischen. Die jetzige Argumentationslinie heißt, wir konnten nicht damit rechnen, was uns der Bund überweist. Wir mussten als vorsichtige Kaufleute davon ausgehen, dass wir nicht genügend Mittel zur Verfügung haben. Deswegen war es sinnvoll – das sieht man auch auf der auf- und absteigenden Kurve der Regionalisierungsmittel oder der Rücklagen des Landes, die Regionalisierungsmittel sind natürlich immer aufgewachsen, aber wir haben mehr oder weniger davon gebraucht –, es war kaufmännisch völlig korrekt, Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden. Die hätten wir gebraucht. Für einen Kaufmann mag das richtig sein, in der Politik gelten tatsächlich andere Regeln. Und die Regel heißt: Wenn dir ein Thema wirklich wichtig ist, dann bist du bereit, bis an die Grenzen des Machbaren im Haushalt zu gehen,

(Dietmar Eifler, CDU: Das spielt keine Rolle.)

weil es nur so eine politisch sinnvolle Forderung ist, auf Bundesebene zu sagen, wir brauchen eigentlich mehr Mittel.

Wenn man von vornherein zeigt, dieser Bereich ist uns eigentlich nicht wirklich wichtig, da gehen wir keine Haushaltsrisiken ein, dann brauche ich im Bund nicht aufzutreten mit 40 Millionen, die ich nicht ausgegeben habe, um zu sagen, ich bräuchte für das Thema eigentlich deutlich mehr. Das ist ein Dauerbrennerthema zwischen Bund und Ländern, dass uns der Bund sagt, wir überweisen euch für bestimmte Themen Geld und wir stellen fest, ihr verwendet es für andere, aus eurer Sicht sicherlich wichtigere Projekte, aber nicht dafür, wofür ihr das Geld bekommen habt. Dies ist so ein Fall und der macht es extrem schwer, für mehr Geld zu sorgen.

Jetzt gibt es ein weiteres Problem. Andere Bundesländer, bevölkerungsreichere Bundesländer, auch die oft zitierten Länder Baden-Württemberg oder NRW, wo auch die GRÜNEN mit in der Regierung sitzen,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Ach?!)

sagen, wir brauchen deutlich mehr Geld, weil bei uns mit weniger Geld viel mehr im Bereich Klimaschutz zu machen ist, weil bei uns einfach mehr Menschen mit diesen Zügen fahren werden. Das hat dazu geführt, dass unter der Führung, ich glaube, von Schleswig-Holstein – deswegen heißt es der Kieler Schlüssel –, ein neuer Schlüssel zur Verteilung der Mittel beraten wurde.

Dort ist herausgekommen, dass das bevölkerungsschwache Land Mecklenburg-Vorpommern abschmelzende Mittel bekommt. Damit wir nicht traurig sind, hat man gesagt – jetzt gehen wir mal davon aus, 7,3 Milliarden gibt es aktuell –, wir gehen hoch auf 8,5 Milliarden. Bei den 8,5 Milliarden kriegt ihr sogar mehr Geld, da müsst ihr euch gar keine Sorgen machen. Das Problem war bloß die Frage, ob der Bundesminister diese 8,5 preisgeben würde oder ob der nicht einfach sagt, ich bleibe bei den 7,3.

Nun gibt es das grundsätzliche Problem zwischen Bund und Ländern, dass der Bundesfinanzminister sagt, das ist doch totaler Mumpitz, ständig Einzelsummen an die Länder zu überweisen, das ist ein riesiger Verwaltungsaufwand. Wir wollen das in Zukunft so handhaben, dass wir eine Summe an die Länder überweisen und dann

sind wir in unserer Weisheit schon in der Lage, das Richtige damit zu tun. Es gibt unterschiedliche Meinungen zu dem Thema, vorsichtig gesagt. Und weil das so ist, kam es gestern Nacht zu einem Durchbruch, offensichtlich auch beim Thema Regionalisierungsmittel.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.)

Das ist sozusagen in einem Zuge mitbehandelt worden.

Nun ist das Ergebnis nicht dramatisch schlecht. Wir kriegen statt 7,3 nämlich 8 Milliarden für das Thema, aber eben nicht die 8,5. Wir haben das mal mit einer Verhältnisgleichung ausgerechnet. Im Hintergrund steht jetzt immer dieser Kieler Schlüssel, der ist ausdrücklich erwähnt, das ist der neue Verteilungsschlüssel. Das bedeutet, wir hätten für das Jahr 2015 nach dem Kieler Schlüssel 273 Millionen bekommen sollen. 273 Millionen! Da muss man fairerweise sagen, diese Mittel sollten bis 2023 immer mehr abschmelzen.

(Jochen Schulte, SPD: Bis 30.)

(Jochen Schulte, SPD: Bis 30.)

Nee, bis 23.

Danach würden die Mittel absolut steigen, absolut steigen. Das hängt mit der Steigerung dieser geplanten 8,5 Milliarden zusammen, aber in absoluten Zahlen wären sie ab 2015 bis zum Jahr 2023 gesunken. Dann wären sie angestiegen, weil ja diese 2,8 Prozent Steigerungsrate geplant war, die übrigens höher ist als die 1,5, aber eben nur die 1,8. Also das kommt jetzt nicht alles rein.

Aber jetzt die Verhältnisgleichung: Wir würden, wenn der Kieler Schlüssel zugrunde gelegt wird, statt 245 Millionen in diesem Jahr – es gilt natürlich wahrscheinlich nicht für dieses Jahr – 255 bekommen. Aber Pustekuchen mit der Aussage, das könnte uns bis zu 90 Millionen – solche Summen wurden da zum Teil aufgerufen – in einem Jahr kosten.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Wenn ihr das jetzt über alle Jahre gemeint habt,

(Jochen Schulte, SPD: Nee.)

dann wäre es auch nicht fair gewesen.

(Jochen Schulte, SPD: Nee, da müssen Sie schon mal richtig zuhören.)

Aber wenn man einfach eine Verhältnisgleichung macht mit dem, was wir momentan hatten, und sagt, wir bleiben bei 7,3 Milliarden, es kommt nicht zu dem Mittelaufwuchs, dann wären wir von jetzt 245 auf 234 gesunken. Das ist ein harter Schlag, aber es sind nicht die mehrfach angekündigten zweistelligen Millionenbeträge. Es sind über 10 Millionen, ja, aber eben nicht das andere.

Der Grund für mich, das hier zur Aussprache zu bringen, ist das Thema, wie gehen wir mit Regionalisierungsmitteln um. Wenn wir – und das sollte unser gemeinsames Anliegen sein – die Themen Klimaschutz, Energiewende und Verkehrswende wirklich ernst nehmen, dann muss

uns an der Südbahn etwas gelegen sein. Wir sind uns einig, die Südbahn so stümperhaft weiterzubetreiben wie in den letzten Jahren, also mit maroden Bahnhöfen und Streckenabschnitten, wo ich nur unter 60 km/h fahren darf, das macht den Nutzern keinen Spaß, da kriege ich keine Nutzergruppen. Wir brauchen ein starkes Signal, dass wir sagen, wir haben jetzt noch 40 Millionen in der Kasse und können einschätzen, was wir für die Zukunft brauchen, denn es gibt eine Einigung, die besser ist, als wir vermuten mussten. Deswegen ist jetzt der Zeitpunkt zu sagen, lasst uns dieses Projekt als ein Vorzeigeprojekt wieder aufnehmen.