Die direkte Demokratie ist eine andere Demokratieform, aber nicht zwingend eine bessere. Aus meiner Sicht können sich beide gut ergänzen. Dafür muss aber das Verhältnis zu den beiden Formen gut austariert sein und ich denke, dass das in Mecklenburg-Vorpommern der Fall ist. Die GRÜNEN möchten aber die Gewichtung verändern. Das sehe ich kritisch und kann Ihnen das auch gern erläutern.
Meine Damen und Herren, zunächst einmal möchte ich auf die Zahlen der GRÜNEN eingehen. In Sachen „direkte Demokratie“ scheinen wir ja überall nur Vorletzter zu sein.
Interessanterweise führt uns der Verein Mehr Demokra- tie e. V. aber im Mittelfeld seiner Statistik. Das klingt jedoch vermutlich nicht reißerisch genug. Als Opposition muss man schließlich dramatisieren und Betroffenheit verursachen. Also pickt man sich einen Teilaspekt heraus. Für die GRÜNEN ist die absolute Zahl der direktdemokratischen Verfahren in allen Städten und Gemeinden zwischen 1994 und 2014 maßgeblich. Das kann man so machen. Wenn man also Länder wie NordrheinWestfalen, Bayern, Baden-Württemberg anhand absoluter Zahlen mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichen möchte, kann man das so machen. Aber dann, lieber Herr Saalfeld, hat Deutschland auch eine höhere Arbeitslosigkeit als Griechenland. Auch hier gilt also wieder: Traue keiner Statistik, wenn du sie nicht selbst gefälscht hast.
Auch sonst teile ich die Ansicht nicht, dass unsere Verfahrensanforderungen zu hoch sind. Wenn wir Ihrer Auffassung zufolge zu wenig Bürgerentscheide haben, liegt das wohl eher an einer bürgernahen Gemeindestruktur als einem Demokratiedefizit.
Wenn ein Land Einheitsgemeinden mit 20.000 Einwohnern und mehr hat, die zudem auch noch flächenmäßig sehr groß sind, ist die Gefahr, dass Gemeindevertretungen an den Bürgern vorbei entscheiden und durch Bür
gerentscheide wieder eingefangen werden müssen, natürlich viel größer. Aber eine solche Situation haben wir nicht im Land. Das wissen Sie. Und deswegen traten sie hier aus einer Situation hervor, die hier im Land so nicht gegeben ist.
Dass gleichwohl Bürgerbegehren in Städten wie München oder Stuttgart wesentlich seltener für unzulässig erklärt werden als bei uns, mag einen einfachen Hintergrund haben:
In Städten und großen Gemeinden sind Bürgerbegehren auch von der Struktur her ganz anders organisiert, als das in den großen Flächen der Fall ist. Und je professioneller und strukturierter etwas gemacht wird, desto weniger Fehler passieren.
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber umso dringender ist es doch, das zu unterstützen, Herr Caffier.)
Meine Damen und Herren, die GRÜNEN haben fünf Punkte des Vereins Mehr Demokratie in ihren Antrag mitaufgenommen. Ich werde die einzelnen Vorschläge kurz bewerten:
Die Entscheidung über den sogenannten Negativkatalog ist in erster Linie rechtspolitisch zu treffen. Aus meiner Sicht sprechen folgende Aspekte gegen eine generelle Erweiterung des Abstimmungskatalogs: Je komplexer eine Entscheidung ist, desto wichtiger ist eine ausführliche Befassung. Da fällt ins Gewicht, dass dies oftmals nur in Gemeindevertretungen mit seinen Fraktionen und Ausschüssen angemessen möglich ist. Außerdem gibt es nun mal Mitwirkungsverbote, sodass Personen aus den Beratungs- und Entscheidungsprozessen herausgehalten werden, die persönlich von der Entscheidung Vor- oder Nachteile erleiden. Bei Bürgerbegehren sind es dagegen gerade oft diese Personengruppen, die die Meinungsführerschaft übernehmen. Senkt man dann auch noch, wie vorgeschlagen, die Quoren, kann es beispielsweise bei der Ausweisung neuer Baugebiete oder bei der Umwandlung von Kleingärten in Gewerbeflächen zu problematischen Entwicklungen beziehungsweise sogar zu einem kompletten Stillstand kommen.
Hinzu kommt, ich mache mir viele Gedanken um die Motivation und Entscheidungsfreude ehrenamtlich engagierter Mitbürger. Ich frage mich allerdings, wie man diese bei Gemeindevertretungen langfristig sichern will, wenn man jeder spontan zusammengewürfelten Minderheit der Bevölkerung das Recht gäbe, an der schweigenden Mehrheit vorbei jede von der Gemeindevertretung oder anderen Vertretern getroffene Entscheidung wieder umzustoßen.
Wenn wir das zuließen, dürften wir uns nicht wundern, wenn sich vor Ort niemand mehr politisch engagieren will.
Über die haben wir ja nun schon mehrfach diskutiert. Ich kann mich da nur wiederholen: Ich bin da skeptisch.
Auf der einen Seite beklagen wir die geringe Wahlbeteiligung und kritisieren, dass die demokratische Legitimation sinkt. Auf der anderen Seite wollen wir möglichst niedrige Hürden bei Volksbegehren. Das passt irgendwie nicht ganz zusammen. Außerdem käme ja auch niemand auf die Idee, die analogen kommunalrechtlichen Regelungen über die Beschlussfähigkeit in Gemeindevertretungen infrage zu stellen. Die wirken ja auch wie ein Quorum.
Die Einführung einer verbindlichen Unterschriftenzulässigkeitsprüfung vor dem Start der Unterschriftensammlung lehne ich strikt ab. Da schaffen wir nur zusätzliche Bürokratie. Den Initiatoren eines Bürgerbegehrens würde nämlich ermöglicht werden, in ihrer Gemeinde ein auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtetes Verwaltungsverfahren zu erzwingen, bevor sie auch nur eine einzige Unterschrift gesammelt haben. In dieses Verfahren wäre auch die Rechtsaufsichtsbehörde einzubeziehen und es würde in Streitfällen wie so häufig vor dem Verwaltungsgericht landen.
Nach der jetzigen Regelung geht das nur, wenn ein Bürgerbegehren auch den Rückhalt in der Bevölkerung gefunden hat. Wenn Sie das ändern wollen, dürfen Sie an anderer Stelle aber nicht nach schlanken Strukturen und Entlastung der kommunalen Verwaltung rufen. Worüber wir allerdings gern reden können, ist die Ausweitung des Beratungsanspruchs der Bürger gegenüber der Kommune. Aber von einem Schnelleinstieg in einen Rechtsstreit sollten wir doch vernünftigerweise gemeinsam absehen.
Sie immer mit Ihren Informationsbroschüren, lieber Kollege Saalfeld, gestern schon Ihr Kollege im Zusammenhang mit Volksbegehren, Sie beklagen, …
(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Konsequente Informationen wären wichtig, Herr Minister, ganz einfach, damit den Menschen klar ist, worüber sie abstimmen, damit sie bewusst entscheiden können.)
… Sie beklagen, dass die Leute zu wenig Zeitung lesen und deswegen über Volksentscheide nicht informiert sind.
Aber gleichzeitig glauben Sie, dass diejenigen, die sich weder über Printmedien noch über den Rundfunk informieren, Ihre Informationsbroschüre lesen. Da kann ich nur sagen, lieber Kollege Suhr, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass es in einer pluralistischen Gesellschaft die Aufgabe der Bürgerinitiative selbst sein muss, ihre Ideen zu verbreiten. Am Ende würden wir uns sowieso wieder nur vor Gericht streiten, ob die Informationsbroschüren auch ausgewogen genug gewesen sind und der jeweilige Vertreter genügend von seiner Materie abbilden konnte.
Eine konkrete Frist für Bürgerbegehren, die sich gegen Beschlüsse der Stadt- oder Gemeindevertretungen richten
Dieses Ansinnen kann ich zumindest teilweise nachvollziehen. Im Interesse der Rechtsklarheit wäre eine ausnahmslos geltende konkrete Frist für kassatorische Bürgerentscheide durchaus wünschenswert. Es sollte aber allen klar sein, eine solche Frist geht immer zulasten der direkten Demokratie, denn nach der jetzigen Rechtslage bleibt den Bürgern so lange die Chance für ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss, wie dieser noch nicht ausgeführt wurde, und das ist im Zweifel manchmal länger als bei einer Frist.
Meine Damen und Herren, unterm Strich bleibt vom Antrag der GRÜNEN nicht viel übrig, was wert ist, unterstützt zu werden. Da das ja nicht Ihr erster erfolgloser Versuch ist, mache ich Ihnen einen Vorschlag: Die repräsentative Demokratie ist eine große Errungenschaft der Menschheit. Überall, wo sie eingeführt wurde, folgten Wohlstand, Freiheit und Fortschritt. Es mag nicht alles perfekt sein,
es mag nicht alles perfekt sein, aber immer noch gut genug dafür, dass viele Menschen zu uns kommen. Vielleicht sollten Sie mit diesem System einfach langsam mal Ihren Frieden machen. Wir haben ein lebendiges politisches System und vor allen Dingen eins, das funktioniert
und das die Bürgerinnen und Bürger sehr gut repräsentiert. Reden Sie es nicht von Anfang an schlecht!
(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Heinz Müller, SPD – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das nennt man lebendige Demokratie.)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, der Antrag stellt zu seiner Herleitung fest, dass wir in MecklenburgVorpommern relativ wenige direkte demokratische Vorgänge – Bürgerbegehren, Bürgerentscheide – auf kommunaler Ebene gehabt haben in den letzten 20 Jahren und relativ viele solcher Begehren aus rechtlichen Gründen für unzulässig erklärt worden sind.
Zunächst – aber darauf komme ich vielleicht noch mal an anderer Stelle zurück –, Herr Saalfeld, würde mich bei den zurückgewiesenen Anträgen durchaus interessieren, wie sich diese Zurückweisungsquote denn über die 20 Jahre verteilt, denn anders, als Sie es hier dargestellt haben, haben wir die Regelungen über plebiszitäre Elemente in der Kommunalverfassung sehr wohl geändert und wir haben sehr wohl, das ist zwar schon eine geraume Zeit her, den Negativkatalog einmal zusammengestutzt. Der war noch mal sehr viel umfangreicher und mich würde interessieren, ob wir vor oder nach dieser Veränderung eine besonders hohe Quote an solchen Zurückweisungen gehabt haben.
Aber lassen Sie mich zunächst einmal grundsätzlich sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Diese Zahlen, die die GRÜNEN uns hier präsentiert haben,