Insofern ist es dann zwar löblich, wenn Frau Drese sich nach dem Volksentscheid für eine Senkung der Quoren ausspricht, das kam nur zu spät. Denn die Erkenntnis, dass das Drittelquorum zu hoch ist, haben wir nicht erst seit dem 6. September.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann hätten wir auch eine Frist für die Stimmabgabe eingefordert, Frau Borchardt. Das wissen Sie doch.)
Die Verzögerung wurde damit erklärt, dass die Vertreter des Volksbegehrens zeitlich unbegrenzt Unterschriften sammeln konnten und es unredlich gewesen wäre, sie sowohl in den Genuss des zeitlich unbegrenzten Sammelns als auch des gesenkten Zustimmungsquorums kommen zu lassen.
Zum einen mussten die Vertreter nach der jetzigen Landesverfassung mehr als 120.000 Stimmen sammeln, mit der Änderung nur noch 100.000,
insofern ist das zeitlich unbegrenzte Sammeln kein Privileg, sondern nur die Korrektur des höheren Quorums beim Volksbegehren. Auch nach der angedachten Verfassungsänderung werden die Erfolgschancen beim Volksbegehren unter dem Strich damit gleich bleiben. Außerdem sind Volksbegehren und Volksentscheid zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
Das sind zwei Verfahren. Nur deshalb diskutieren wir darüber. Nur deshalb hätte eine Änderung der Verfassung nach dem Volksbegehren Auswirkungen auf den Volksentscheid gehabt. Beides miteinander in der Argumentation zu vermengen, ist deshalb sachlich nicht richtig.
Meine Damen und Herren, unter dem Strich hätte man sicherlich viele Möglichkeiten gehabt, das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an diesem Volksentscheid zu erhöhen. Man hat diese Möglichkeiten jedoch bewusst verstreichen lassen. Ich halte es für sinnvoll, dass alle an dieser Debatte Beteiligten ihr Handeln an gewissen Punkten kritisch hinterfragen. Natürlich wird das am abgeschlossenen Verfahren nichts mehr ändern, aber für die Zukunft müssen wir uns die Frage stellen, wollen wir direkte Demokratie stellen oder wollen wir es nicht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mehr direkte Demokratie in unserem Land mit niedrigen Quoren bedeutet aus meiner Sicht, den Bürgerinnen und Bürgern einen Vertrauensvorschuss zu geben. Ich bin überzeugt davon, sie werden diesen Vertrauensvorschuss nicht missbrauchen. Haben wir also Mut! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst erst mal an der Stelle an alle, egal ob Initiatoren, ob Wählerinnen und Wähler, an diejenigen, die den Volksentscheid durchgeführt haben in den Wahlbüros, an die Wahlleiterin einen herzlichen Dank! Das ist gelebte Demokratie. Ob das jedem passt oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Das gehört auch dazu, liebe Frau Borchardt.
Aber, Frau Borchardt, zu der Frage gehört auch, dass man zur Kenntnis nehmen muss, dass sich der Bürger bei den Möglichkeiten, die er gehabt hat, eben anders entschieden hat. Dazu gehört dann auch, dass man Niederlagen zur Kenntnis nehmen muss. Sie als Person können – zumindest nach dem, was ich hier gehört habe – offensichtlich mit einer Niederlage schlecht umgehen
und unterstellen entweder Regierungsvertretern oder Mitarbeitern in den Verwaltungen und Behörden Sachen, die ich entschieden zurückweisen muss, weil wir aufgrund der geltenden Rechtslage diesen Volksentscheid durchgeführt haben.
Zunächst komme ich aber zu dem vorliegenden Gesetzentwurf, den wir bereits im Juni debattiert haben. Ich habe dort umfangreiche Ausführungen gemacht, sodass ich nicht weiter darauf eingehen muss. Beim Informationsheft stellt sich in der Tat die Frage, ob das Verhältnis von Aufwand und Nutzen gegeben ist. Deswegen sagen wir, das wird wohl in der Form nicht der Fall sein. Die nachträgliche Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die Initiatoren eines Volksentscheides analog zur Parteienfinanzierung lehnen mein Haus und ich allerdings ab. Denn sie würden nach Ihren Ausführungen nur den Initiatoren zugutekommen. Können Sie sich überhaupt vorstellen, dass auch jemand gegen Ihren Gesetzentwurf ist? Das scheint in Ihrer Betrachtungsform gar nicht stattzufinden.
Die Anzeigepflicht für Einzelspenden für ein Volksbegehren findet ebenfalls nicht unsere Zustimmung, denn Spender sollen nicht abgeschreckt werden. Und ohne anteilige staatliche Beteiligung entfällt meines Erachtens auch die Begründung Ihrer Forderung. Vom Gesetz ist alles, was übrig bleibt, nachher eine Fußnote und deswegen, glaube ich, wird es letztendlich verabschiedet werden.
Aber, meine Damen und Herren, Frau Borchardt, Sie haben hier sehr ausführlich über den Volksentscheid gesprochen. Heute geht es ja nicht nur um den Gesetzentwurf, sondern vor allem um den Volksentscheid zur Gerichtsstruktur am 6. September. Vorab möchte ich jedenfalls als Innenminister dazu eins feststellen: Es hat einen reibungslosen Ablauf gegeben. Der Volksentscheid zur Gerichtsstrukturreform war der erste Volksentscheid im Land seit der Einrichtung der Möglichkeit im Jahr 1994. Er ist im gesamten Land reibungslos verlaufen. Alles hat funktioniert und jeder, der wollte, konnte seine Stimme abgeben. Ich danke daher an der Stelle allen Mitarbeitern, die den reibungslosen Ablauf garantiert haben, und auch den vielen ehrenamtlichen Helfern, ohne die eine solche Wahl, ein solcher Volksentscheid nicht realisierbar ist. Deswegen an der Stelle an alle meinen herzlichen Dank!
Die Zusammenarbeit hat sehr gut geklappt. Davon lebt Demokratie, davon lebt unsere freiheitliche Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, das amtliche Endergebnis des Volksentscheides hat der Landeswahlausschuss, Frau Borchardt, vor einer Woche festgestellt. 83,2 Prozent stimmten für den Gesetzentwurf zur Aufhebung der mit dem Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz beschlossenen Änderung, 16,8 Prozent waren dagegen.
Statt der geforderten 444.740 Stimmen konnten die Initiatoren 262.672 Unterstützer gewinnen. Das heißt – das haben Sie gerade geflissentlich unterschlagen –, das heißt, dass selbst bei einem Quorum von 20 Prozent,
statt derzeit einem Viertel, der Volksentscheid erfolglos geblieben wäre. Ich denke, das Ergebnis dieses Volksentscheides ist eindeutig. Für die Initiatoren und ihre Unterstützer im Landtag ist das natürlich eine Enttäuschung, das kann ich auch nachvollziehen. Die Erklärung für das Ergebnis liegt aber aus meiner Sicht auf der Hand. Offenbar hat die Gerichtsstrukturreform viele Bürger doch nicht so sehr bewegt, wie die Initiatoren des Volksbegehrens sich das möglicherweise gewünscht hätten. Dies zeigt mir aber auch, dass ein Quorum durchaus eine Berechtigung hat. Denn ohne dieses hätte in der Tat eine kleine, dafür aber durchaus – und das würde ich nie infrage stellen – sehr engagierte Gruppe von Betroffenen ein Gesetz des Landtages aushebeln können, das eine andere Abwägung des Gemeinwohls in einem weiter gespannten Landesinteresse vorzunehmen hatte.
Leider wurde die Durchführung des Volksentscheides im Vorwege erheblich diskreditiert. Offenbar suchte man schon vor der Abstimmung nach Möglichkeiten der Ausreden für den Fall des Scheiterns. Mit zum Teil wirklich hanebüchenen Behauptungen und Unterstellungen sollte Stimmung gemacht werden gegen die Landesregierung.
Wir sollten uns in einer Demokratie durchaus kontrovers und auch leidenschaftlich über Inhalte und politische Positionen streiten, und Sie wissen, da bin ich gern dabei. Dazu gehört auch die Gerichtsstrukturreform. Aber die Art und Weise, wie das Verfahren kritisiert wurde, ist für mich jedenfalls inakzeptabel. Vielen Kritikern mangelt es offenbar an Kenntnis über die rechtlichen Grundlagen, was mich wirklich sehr überrascht hat, denn schließlich waren viele der Initiatoren meines Wissens nach Juristen. Dass drei Juristen fünf Meinungen haben, ist ja nicht neu,
(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Was sagt man dazu?! – Heiterkeit bei Stefanie Drese, SPD)
aber was Sie hier zu einer Grundlage von Gesetzgebung gemacht haben, das war für mich schon außerordentlich überraschend. Die Anschuldigungen waren zum Teil ehrverletzend und damit auch ein Angriff auf die vielen engagierten Mitarbeiter. Das geht so nicht, meine Damen und Herren.
Deswegen will ich die Gelegenheit auch gerne noch mal nutzen, um die eine oder andere Sache geradezuziehen. Wenn man in den Wochen vor dem Volksentscheid in die Zeitung blickte, musste man teilweise den Eindruck bekommen, dass die Landesregierung alles, aber auch alles unternimmt, um den Initiatoren Steine in den Weg zu legen.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Knüppel! – Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)
Alle Entscheidungen im Vorfeld des Volksentscheides waren sachlich gut begründet. Alle Mitarbeiter waren sich sehr wohl bewusst, dass sie sich bei der Entscheidung nicht von ihrer jeweiligen persönlichen Einstellung zum Thema des Volksentscheides leiten lassen durften, sondern allein die ordnungsgemäße Vorgabe des Abstimmungsrechtes entsprechend der Vorbereitung des Volks- entscheides relevant war, wie es bei uns derzeit in der gesetzlichen Vorgabe geregelt ist.
Kritik gab es vor allem zur Zahl der Abstimmungslokale. Hierzu stelle ich noch mal ganz klar fest, die Entscheidung darüber, wie viele Wahllokale erforderlich sind, wird im rechtlich vorgegebenen Rahmen – ein Wahlbezirk darf für maximal 5.000 Einwohner zuständig sein – von den Wahlorganisatoren getroffen. Maßgeblich ist dabei, wie viele Abstimmungen konkret auszuzählen sind und wie kompliziert die Auszählung sein wird. Daher konnte die Zahl der Wahllokale geringer sein als etwa bei den verbundenen Europa- und Kommunalwahlen. Ich glaube, das erschließt sich jedem. Es gab in den meisten Gemeinden nur einen Stimmzettel und dieser war im Vergleich zur Kreistagswahl oder Europawahl an und für sich übersichtlich, weil man nur mit Ja, Nein oder eben gar nicht oder mit Unkenntlichkeit reagieren konnte.
Das ist aus meiner Sicht eine überschaubare Aufgabe für all diejenigen, die das Wahllokal aufsuchen.