Protocol of the Session on February 3, 2012

Lesen ist die elementare Grundvoraussetzung für Bildung. Lesefähigkeit ist eine Schlüsselkompetenz für den Austausch mit anderen, für die Teilhabe an unserer Gesellschaft und für die Nutzung von Medien. Damit sich bei jungen Menschen Begeisterung für Lesen und Kultur

entwickeln kann, ist ein freier Zugang zu Büchern und anderen Medien notwendig. Bibliotheken stellen ein breites und kostengünstiges Angebot sicher. Der Zugang ist niedrigschwellig und wohnortnah. Dorthin gehen Leute, die neugierig sind und die ihre Chancen nutzen wollen.

Ob Jung, ob Alt, ob Vielverdiener oder Hartz-IVEmpfänger, Bibliotheken verbinden uns, solange es Bibliotheken gibt, die jedem von uns Wissen, ihren Inter- netzugang und ihre Medienkompetenz zur Verfügung stellen – wirklich jedem, der das möchte –, selbst im Gefängnis oder am Krankenbett, ganz ohne Kauf- und Beratungszwang. Bibliotheken sind ein Ort des Treffens, ein Ort des Treffens für jedermann und jede Kultur, ein Ort für Integration und Demokratie. Jeder kommt, jeder kann sich frei bedienen, jeder hat Zugang zu allen möglichen Informationen. Das ist eine ganz alltägliche Informationsfreiheit und die ermöglicht Meinungsvielfalt, Demokratie eben. Und – Lesen gefährdet die Dummheit!

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Zusammengefasst also noch mal: Wir sehen Handlungsbedarf bei den öffentlichen Bibliotheken. Das Bibliotheksentwicklungskonzept muss zum Abschluss gebracht werden, gern auch bis zu einem festen Datum, dem 31.12.2015. Und wir würden uns über eine breite Zustimmung zu dem Änderungsantrag freuen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun die Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Berger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lesen bildet, im Bildungsland Mecklenburg-Vorpommern aber schließen immer mehr öffentliche Bibliotheken, davon betroffen sind aber auch Fachbibliotheken. Beide erfüllen eine wichtige demokratische Aufgabe, indem sie den ländlichen Raum mit Büchern versorgen.

Mittlerweile gibt es schon kein flächendeckendes Netz an Bibliotheken mehr. Ich darf das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern zitieren: 2006 gab es noch 154 öffent- liche Bibliotheken, heute sind es noch 109. Das heißt, wir haben eine Abnahme von einem Drittel in 5 Jahren zu verzeichnen. Bereits heute leben 440.000 Menschen, also ein Viertel der Bevölkerung Mecklenburg-Vorpom- merns, außerhalb des Einzugsgebietes von Bibliotheken. Und das sage nicht ich, sondern das sagt das Statistische Amt. Wo bleibt da die Chancengleichheit bei der frühen Leseförderung beziehungsweise auch dem lebenslangen Lernen?

Nach anfänglich positiven Schritten ist es mehr als allerhöchste Zeit, diesem Trend mit einem verbindlichen Bibliotheksentwicklungskonzept entgegenzuwirken. Bereits im Juli 2008 gab es im Landtag eine Anhörung zum Thema Bibliotheken. Eine Umfeldanalyse wurde von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Uni Rostock erstellt, nur wurden nicht die nötigen Konsequenzen gezogen und fehlen deshalb. Eine Stärkung der

Bibliotheken als Bildungseinrichtung bleibt aus, Rahmenbedingungen bleiben ungeklärt.

Auch wir setzen wie die Fraktion DIE LINKE auf ein Bibliotheksentwicklungskonzept, das die Rahmenbedingungen verbindlich festlegt. Rahmenbedingungen für die Ausstattung, die die Aufgaben der Bibliotheken festlegen, den Betrieb von Fachbibliotheken klärt, Programme zur Leseförderung enthält, aber auch eine ständige Evaluation sowohl der Bibliotheken als auch des gesamten Konzeptes, das Kooperationen zwischen Schulbibliotheken, Behördenbibliotheken, wissenschaftlichen Bibliotheken, aber auch Bibliotheken in kirchlicher beziehungsweise privater Hand und anderen Partnern koordiniert und letztlich die Finanzierung klärt. Und damit meine ich nicht eine Finanzierung nur aus Projektfördertöpfen, sondern eine dauerhafte und vor allem auskömmliche Finanzierung. Warum sind im Finanzausgleichsgesetz Mecklenburg-Vorpom- mern Paragraf 10 keine Zuweisungen an das Bibliothekswesen vorgesehen, wie es beispielsweise in SchleswigHolstein der Fall ist?

(Torsten Renz, CDU: Die meckern nur so rum!)

Am Ende möchte ich den dänischen König Christian IX. zitieren, der, nachdem er den dänischen Krieg und damit auch einen Großteil Dänemarks verloren hatte und das Land vor einer wirtschaftlichen Katastrophe stand, den Etat für Bildung trotzdem verdoppelte, wodurch eine sehr große Verunsicherung seiner Mitpolitiker oder der Politiker in dem Land stattfand. Er sagte: „Arm sind wir schon! Wenn wir jetzt auch noch dumm werden, haben wir das Recht auf einen eigenen Staat verloren.“

Zum Änderungsantrag von SPD und CDU und auch zu dem Kommentar von Herrn Brodkorb, dass es Bescheidenheit sei, die sich in diesem Änderungsantrag ausdrückt, möchte ich sagen: Für mich ist es Verwässerung, denn er verwässert sowohl den Zeitraum der Entwicklung,

(Torsten Renz, CDU: Was halten Sie denn von der Realität?)

und er verliert die Fahrbibliotheken aus dem Blick. Deshalb unterstützen wir in aller Form den Antrag der LINKEN.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Torsten Renz, CDU: Was halten Sie denn von Realität?)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der Fraktion der SPD Herr Butzki.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wir sprechen heute über ein Thema, das für mich persönlich sehr wichtig ist.

In der Begründung des Antrages der LINKEN steht, dass „die öffentlichen Bibliotheken ein wichtiger Bestandteil“ unseres kulturellen Lebens oder der Infrastruktur sind. Da gebe ich Ihnen voll und ganz recht. Als Lehrer und Schulleiter weiß ich, dass sinnerfassendes Lesen zu den Grundkompetenzen nicht nur eines jeden Schülers, sondern auch eines jeden Erwachsenen gehört. Wer als Kind von den Eltern – das haben wir heute auch schon mehrmals gehört – oder Großeltern etwas vorgelesen

bekommt, wird als Schulkind gern weiterlesen und den Wert eines Buches immer zu schätzen wissen.

Ich will heute mal mit einigen gut funktionierenden und damit positiven Beispielen meine heutigen Ausführungen beginnen. So bin ich in meinem Wahlkreis sehr viel unterwegs und war in der letzten Woche einen ganzen Tag in Mirow – das ist eine Stadt mit circa 3.000 Einwohnern – und besuchte das dortige Familienzentrum, wo mit viel Liebe und Kreativität nach Lösungen und Möglichkeiten für den Erhalt der Bibliothek gesucht und diese vor allen Dingen auch gefunden wurden. In dieser Woche, am Montag, war ich in der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft – Feldberg hat auch circa 3.000 Einwohner – mit der Bürgermeisterin einen Tag lang in den verschiedensten Einrichtungen. Auch hier sprachen wir über die weichen Standortfaktoren, die für einen Tourismusstandort äußerst wichtig sind. Dazu zählt unter anderem auch eine Bibliothek mit einer über den Eigenbetrieb der Kurverwaltung hauptamtlich Beschäftigten.

Ich gehe davon aus, dass Sie, sehr geehrter Herr Koplin, in meiner Heimatstadt Neustrelitz des Öfteren unterwegs sind. Ihr Wahlkreisbüro befindet sich in unmittelbarer Nähe des bald fertiggestellten Kulturquartiers. Dort wird unter anderem unsere Stadtbibliothek, die auch in das Umland ausstrahlt, in modernen und der Zeit angepassten Räumlichkeiten eingerichtet werden. Noch viel interessanter finde ich, dass es im Rahmen der Daseinsvorsorge der Stadt Neustrelitz mit der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft, mit Burg Stargard und mit Penzlin eine interkommunale Arbeitsgruppe gibt, die sich auch zum Thema „Kooperation der Bibliotheken“ vereinbart. Sie sehen, dass sich vor Ort schon sehr intensiv mit dieser Problematik beschäftigt wird.

Das sind nur einige Beispiele aus meinem Wahlkreis, einem sehr ländlichen und sehr schönen, aber natürlich auch touristisch geprägten Gebiet, die zeigen, dass die dortigen Kommunalpolitiker ihre Aufgaben sehr ernst nehmen und, aus meiner Sicht, denke ich, auch die richtigen Prioritäten setzen. Diese Aufzählung lässt sich sicherlich mit Positivbeispielen aus anderen Regionen unseres Bundeslandes ergänzen, wir haben es auch vorhin schon gehört. Richtig ist aber auch, dass es Handlungsbedarf in einigen anderen Teilen Mecklenburg-Vor- pommerns gibt.

Bei den von Ihnen genannten Zahlen gehe ich davon aus, dass diese gut recherchiert wurden. Man kann sich ja aus zwei Varianten eine Lesart aussuchen. Da wird in der ersten Meldung die Reduzierung von ehemals 198 Bibliotheken 1998 auf 98 in 2008 angesprochen und bei der zweiten Pressemitteilung wird von einer Reduzierung von 220 auf 109 ausgegangen. Ich denke, die letzten Zahlen sind aktuell. Diese Zahlen zeigen ein anderes Bild als das, was ich aus meiner Heimatregion wahrnehme. Gemeinden in anderen Teilen unseres Landes Mecklenburg-Vorpom- mern haben leider andere Schwerpunkte gesetzt oder streichen aus Finanzknappheit im kulturellen Bereich auch bei Bibliotheken.

In Ihrem Antrag berufen Sie sich auf die gemeinsame Empfehlung des damaligen Bildungsausschusses vom 23. Juni 2011. Sie können sicher sein, dass Minister Brodkorb mit seinen Mitarbeitern dafür sorgen wird, dass ein entsprechendes Konzept, wie empfohlen, in dieser Wahlperiode erarbeitet wird. Der Minister selbst hat ja damals dafür gestimmt.

Die SPD-Abgeordneten werden auf jeden Fall darauf achten, dass an dieser Thematik weitergearbeitet wird. Wichtige Schritte sind in der letzten Legislaturperiode bereits unternommen worden. Auch meine Fraktion erwartet, dass dieser Weg in dieser Wahlperiode konsequent weiter beschritten wird.

Übrigens muss ich auch noch eine Zahl korrigieren: Das Land fördert die Bibliotheken mit einer Summe von 336.500 Euro,

(Maika Friemann-Jennert, CDU: Das ist was anderes.)

und nicht, wie erwähnt, mit 20.000 Euro.

(Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

Die Zahlen habe ich gerade noch mal vom Minister bekommen.

So wurde am 3. November 2010 auf der jährlichen Mit- gliederversammlung des Landesbibliotheksverbandes be- schlossen, Auswahlkriterien der Landesförderung für öffentliche Bibliotheken auf der Grundlage von Qualitätsstandards zu entwickeln. Eine Arbeitsgruppe hat diesen Kriterienkatalog zusammengestellt und ab 2012 wird auf dieser Grundlage in Abstimmung mit dem Landesbibliotheksverband, der Landesfachstelle und dem Fachreferat im Bildungsministerium die Förderentscheidung des Landes getroffen. Sie sehen also, dass bereits das, was Sie fordern, hier geschieht.

Spannend finde ich den Punkt, ein Konzept für das 21. Jahrhundert zu entwickeln. Wir wissen alle, die neuen Medien halten immer mehr Einzug. Nicht nur wir Landtagsabgeordnete arbeiten mit lüfterlosem Gerät – da muss ich mich auch noch an das Wort gewöhnen –, sondern unsere Jugendlichen werden mit dieser Technik groß und kennen natürlich auch die E-Books. Das Buch wird nicht verschwinden, aber auch aus den Verlagen hört man, dass es Verschiebungen zu den elektronischen Medien geben wird. Ein Beispiel will ich jetzt auch kurz erwähnen: Die Kinder kennen kaum noch ein dickes Lexikon, aber mit Wikipedia kann jeder etwas anfangen.

Mit Ihrem Antrag verlassen Sie leider den Weg der gemeinsamen Empfehlung, indem Sie unter anderem fordern, dass ein Konzept bis zum 30.11.2012 erarbeitet werden soll. Aus diesen Gründen lehnt die SPD-Fraktion den uns vorliegenden Antrag der Fraktion der LINKEN ab. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie von der Fraktion DIE LINKE dem SPD-CDU-Antrag zustimmen könnten, denn in den Zielen, denke ich, sind wir uns einig und Sie signalisierten ja bereits schon Bereitschaft. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat nun der Abgeordnete der NPD-Fraktion Herr Petereit.

(Jochen Schulte, SPD: Kann der lesen?)

Soll ich Ihnen was vorlesen?

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie irren ein wenig, wenn wir hier beschließen sollen, dass der flä

chendeckende Versorgungsgrad der Bibliotheken im Land bewahrt werden soll, denn die Versorgung ist ja nicht mehr flächendeckend.

Schon im September 2008 waren die Bibliotheken im Land hier ein Thema im Landtag, von weißen Flecken in der Versorgung war die Rede. Für den ehemaligen Landkreis Demmin standen seinerzeit beispielsweise gerade einmal für 44 Prozent der Einwohner überhaupt Bibliotheken zur Verfügung. Ein solcher Zustand ist weder flächendeckend noch bewahrenswert. In Ihrer Begründung schreiben Sie selbst, dass sich die Zahl der öffentlichen Bibliotheken in Mecklenburg und dem Teil von Pommern, der zu diesem Bundesland gehört, seit 1998 halbiert hat.

(Manfred Dachner, SPD: Vorpommern!)

In einer Stellungnahme des Deutschen Bibliotheksverbandes vom Juli 2008 wird die Zahl der Fahrbibliotheken auf 5 beziffert, das waren mal 14. Nicht erwähnt haben Sie, dass die Ausdünnung der Bibliothekslandschaft auch und gerade in den Zeitraum fällt, in dem die PDS in Mecklenburg-Vorpommern mitregierte.

Obgleich unsere Vorstellungen an die Ausstattung von Bibliotheken mit den Ihrigen in Teilen auseinandergehen dürften,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ganz erheblich.)

begrüßen wir die Forderung nach einem Entwicklungskonzept und werden dem Antrag in der Hoffnung nach Lösungsansätzen zustimmen. Den Änderungsantrag der Regierungsfraktionen lehnen wir ab, da er keinen Mehrwert aufzeigt. Hier soll lediglich der ursprüngliche Antrag abgeschwächt werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns, denke ich mal, sehr ausgiebig und in der Sache sehr tiefgründig – da macht sich das schon bemerkbar, dass hier auch Profis sitzen und sich zum Thema äußern – ausgetauscht. Ich denke, wir sind uns im Grundsatz einig.