dem Heimatkreis des Innenministers, besteht in einem Punkt Einigkeit: Wir müssen einschätzen, so die meisten Anzuhörenden in der Dezemberanhörung 2009, dass wir 2006 in vielen Fragen schon weiter waren. Auch deshalb muss das aktuelle Vorhaben gestoppt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die vorliegenden Gesetzentwürfe werfen das Land hinter den Stand von 2006 zurück.
Ich darf an dieser Stelle den Kollegen Jäger zitieren, allerdings den 2006er-Jäger: „Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal ganz kurz zusammenfassen, warum ich an Sie appelliere, diesem Gesetzentwurf so nicht zuzustimmen. Mit dem, was Ihnen vorliegt, beginnen Sie keine Verwaltungsreform, Sie verschieben sie.“
„Mit dem, was Ihnen vorliegt, begründen Sie keine Verstärkung der kommunalen Selbstverwaltung, auf Kreisebene unterbinden Sie sie.“
„Und mit dem, was Ihnen vorliegt, schaffen Sie keine kostengünstigere Verwaltung, sondern Sie schaffen neue Schnittstellen innerhalb der Verwaltung.“
Ich zitiere weiter: „Wir sind enttäuscht darüber, dass es … nicht gelungen ist, klarzubekommen, dass man die Teile der Verwaltungsreform, nämlich Funktionalreform I und II, jetzt absolvieren kann und dass man die Veränderungen auf der kommunalen Ebene, die sich dann als notwendig erweisen, in die Wege leiten kann.“ Zitatende.
Lieber Kollege Dr. Jäger, sollte dies eine ehrliche Einschätzung gewesen sein, können Sie den heute vorliegenden Gesetzentwürfen eigentlich nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, die Form der verbundenen Aussprache, Herr Kollege Dr. Jäger, beider Gesetze ist ganz offensichtlich der einzige Zusammenhang zwischen Strukturänderung und Aufgabenzuordnung.
Von einem angeblichen Zusammenhang mit dem FAG spricht schon niemand mehr. Das Kreisstrukturgesetz blockiert eine tatsächliche Funktionalreform. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Sie Aufgabenzuordnung nennen, führt zu keiner Verwaltungsmodernisierung. Das ist keine Reform, sondern eine Reformblockade ersten Ranges.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE, und Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Ja.)
Herr Ministerpräsident, wenn Sie nicht müde werden zu erklären oder zu behaupten, man könne Klagen gelassen entgegensehen, da werde ich hellhörig. Gleiches haben Sie uns 2006 erzählt, als Sie noch Justizminister waren.
Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister, Sie sind sich beide besonders sicher, dass erneute Verfassungsklagen aussichtslos seien, dass Sie – und der Kollege Glawe hat es ja auch versucht darzustellen – das Gerichtsurteil sehr, sehr gründlich ausgewertet hätten.
Das beginnt an zentraler Stelle des Urteils, nämlich beim Reformbedarf, den im Übrigen meine Fraktion auch heute nicht infrage stellt.
Das Landesverfassungsgericht, Herr Müller, begründet den ernormen Reformbedarf gerade eben nicht allein mit der Bevölkerungsprognose
und nicht allein mit der strukturellen Haushaltsschieflage. Also anders als der Ministerpräsident und Herr Glawe es hier begründet haben, stellt nämlich das Verfassungsgericht eine andere Grundlage für den Reformbedarf fest. Und ich zitiere: „Die Organisation der Landesverwaltung ist nicht zweckmäßig.“
„Sie ist bei den unteren Landesbehörden durch eine Vielzahl von Sonderbehörden und teilweise durch Kleinteiligkeit geprägt.“ Zitatende.
Herr Ministerpräsident und Herr Landwirtschafts- und Umweltminister, allein von neuen Behördenbezeichnungen wird sich das Verfassungsgericht nicht täuschen lassen. Sie haben die Landesebene konzeptionell reformfrei gehalten, Sie haben die Kreisstrukturreform weitgehend isoliert und die Verwaltungsmodernisierung in eine Sackgasse geführt. Das ist das Ergebnis der bisherigen Beratungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: So es ist. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
Und, Herr Kollege Renz, wer dem Verwaltungsmodernisierungsgesetz 2006 zugestimmt hat, der war für Sie ganz einfach – ich zitiere Sie – „ein vaterlandsloser Geselle“.
(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Ja. Daran kann er sich gar nicht erinnern. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)
In Ihrer gestrigen Erklärung ließen Sie uns wissen, dass derjenige, der heute gegen das Gesetz stimmt, die Zukunft des Landes gefährdet. Ich bin nun wirklich sehr gespannt auf Ihre heutige tiefschürfende Analyse, um Ihren Sinneswandel zu begründen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Grundlage der vorliegenden Gesetzentwürfe sind bekanntermaßen das von der Enquetekommission mehrheitlich beschlossene Leitbild und die Leitlinien.
Und falls wieder die Frage nach Alternativen kommt, vor allen Dingen von Herrn Renz, will ich hier noch einmal betonen, dass von den von meiner Fraktion benannten Kommissionsmitgliedern hierzu ein umfangreiches Sondervotum abgegeben worden ist. Die Kollegin Tegtmeier wollte hierin bereits eine Klageschrift für das Landesverfassungsgericht erkannt haben. Nun gut. Fakt ist aber, dass sich das Gericht sehr dafür interessieren wird, auf welcher Grundlage die Ermessensentscheidungen dieser Kommission oder des Landtages etwa zu den Flächen- und Einwohnervorgaben zustande gekommen sind.
Defizite im Gesetzgebungsverfahren beziehungsweise Ermessensdefizite lassen sich nur dadurch vermeiden, dass man die Argumente vollständig aufgreift, auch wenn man ihnen im Ergebnis nicht vollständig folgt. Beim Durcharbeiten der entsprechenden Protokolle des Landtages wird sich das Landesverfassungsgericht verwundert die Augen reiben, denn der Abwägungsprozess, liebe Kolleginnen und Kollegen, war nicht etwa fehlerbehaftet, nein, er hat gar nicht stattgefunden.
(Heinz Müller, SPD: Das ist nicht in Ordnung. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jetzt wird aber übertrieben.)