Protocol of the Session on April 29, 2010

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Grabow?

Herr Heydorn, wissen Sie, was die Aufgabe von Frühförderung ist? Sie haben eben blumig ausformuliert. Was macht Frühförderung?

Also Frühförderung ist eine Maßnahme im Sinne des SGB VIII, die insoweit über die örtlichen Träger der Jugendhilfe bewilligt wird und die Aufgabe hat,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

bei Kindern, wo bestimmte Defizite diagnostiziert sind, Hilfe zu leisten. Mir ist bekannt, dass ein Hilfeplan aufgestellt werden muss. Der ist abzuarbeiten und so weiter und so fort.

Nur man muss ja mal sehen, welche Effekte denn die Frühförderung in Mecklenburg-Vorpommern erreicht. Wir müssen doch ganz klar konstatieren, dass die Schuleingangsuntersuchungen eine deutliche Sprache sprechen. 25 Prozent der Kinder, die zur Schuleingangsuntersuchung kommen, haben Sprachprobleme, und das nicht nur im Jahr 2008 oder 2009, sondern das ist eine Zahl, die konstant über die Jahre ist. Wenn Sie die Frühförderung haben, Herr Grabow, dann muss man sagen, die Effekte, die über die Frühförderung erreicht werden, kommen zumindest nicht so in die Breite, dass ein Großteil der Kinder etwas davon hat. Also muss man sich doch insoweit die Frage stellen, wie man das verbessert und wo man dabei ansetzt.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Unseres Erachtens ist es insoweit richtig, im normalen Alltagsbetrieb der Kindertageseinrichtung anzusetzen und zu gucken, ob es Kinder gibt, die nicht altersgemäß entwickelt sind.

(Irene Müller, DIE LINKE: Diese Förderung muss in der Grundschule geleistet werden und nicht abgebrochen werden.)

Und wenn man solche Kinder identifiziert, dann so, dass man auch im Rahmen der Kindertagesbetreuung feststellt, was zu tun ist,

(Ralf Grabow, FDP: Ich lade Sie gerne mal zu einer Frühförderung ein.)

und das Notwendige veranlasst.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das ist ja furchtbar, wie Sie das detaillieren.)

Also Sie können sich ja hier gern noch ausbreiten, Frau Müller. Das hat nichts mit furchtbar zu tun.

(Irene Müller, DIE LINKE: Jawohl.)

Das ist die Lebensrealität der Leute in Mecklenburg-Vorpommern

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

und deswegen haben wir insoweit das Gesetz geschrieben und werden es auch so umsetzen. Ich denke, die wesentlichen Dinge sind bekannt

(Irene Müller, DIE LINKE: Die Förderung muss weitergehen.)

und vorgestellt worden, mehrfach vorgestellt worden heute.

(Zuruf von Ralf Grabow, FDP)

Ich bitte im Namen der Regierungsfraktionen, das Gesetz in den Sozialausschuss zu überweisen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 5.200 Erzieher in unserem Land tragen die Verantwortung für rund 93.000 Kinder. Damit liegt der Betreuungsschlüssel in Mecklenburg-Vorpommern bei 1:18, also eine Erziehungskraft muss in der Regel 18 Kinder betreuen. Mit der nun vorliegenden Novelle des Kindertagesförderungsgesetzes soll den Kindertagesstätten und somit zwangsläufig den Erzieherinnen, es handelt sich ja größtenteils um Frauen, nun noch mehr Verantwortung und Arbeit übertragen werden.

Kreise, Städte und Gemeinden sowie die Träger fürchten daher nicht zu Unrecht, dass mittelfristig die Elternbeiträge steigen werden. Die Liga der Spitzenverbände schreibt in ihrer Stellungnahme vom 5. März 2010 Folgendes, Zitat: „Die Enttäuschung der pädagogischen Fachkräfte, Leiterinnen und der Fachberater/innen zu diesem Gesetzentwurf ist groß.“ Und weiter: „Wir nehmen also nachfolgend ausführlich Stellung zu einem Gesetzentwurf, der aus unserer Sicht nicht tragfähig ist“, Zitatende.

Am gestrigen Tage wurde hier an dieser Stelle über Bürokratieabbau diskutiert. Auch bei diesem Entwurf versagt aber der viel beschworene Wille zum Bürokratie abbau, denn zukünftig sollen die Erzieherinnen noch mehr die Entwicklung der Kinder dokumentieren, als es bislang der Fall war. All dies kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Und die Zeit wird den Kindern wieder fehlen. Das Geld wiederum haben die Kommunen im Land aber nicht mehr. Und es ist daher absehbar, so sieht es auch der Geschäftsführer des Landkreistages, dass die Kommunen mittelfristig sich die fehlenden Mittel von den Eltern holen werden. Ihnen ist sicherlich unter anderem die Stellungnahme des Landkreises Nordvorpommern bekannt, der mit höheren Platzkosten und somit höheren Elternbeiträgen rechnet.

Es ist aber nicht zwingend davon auszugehen, dass bei vollzogener Gesetzesänderung sich irgendetwas in Bezug auf den Fachkräftemangel zum Besseren entwickelt. Auch die Altersstruktur der Erzieherinnen im Land zeigt künftige Probleme sehr deutlich auf.

Der Landeselternrat verweist zu Recht darauf, dass die Regierung gerade zur Rettung von pleitegegangenen Unternehmen hier im Land immer wieder Millionenbeträge findet, die scheinbar plötzlich aus dem Nichts auftauchen. Wenn es dann allerdings darum geht, ausreichend Finanzmittel für Kinder und Erzieherinnen im Land in den Haushalt einzustellen, ist plötzlich kein Geld mehr verfügbar. Sie sparen an unseren Kindern. Dies ist ein Fakt, welcher nicht zu leugnen ist. Selbst die Landes sozialministerin Schwesig musste gegenüber den Medien eingestehen, dass für eine flächendeckende Verbesserung das Geld nicht reicht.

Nachfolgend benennen wir einige Punkte und Schwächen des Gesetzentwurfes, welche aus Sicht der NPDLandtagsfraktion äußerst bedenklich sind. Insbesondere in Paragraf 10 wird der Aufgabenbereich der Erzieherinnen derart erweitert, dass diese von der eigentlichen Aufgabe, die Kinder zu betreuen und in der Entwicklung zu fördern, immer weiter abweichen müssen. Praktiker werfen der Landesregierung in diesem Zusammenhang sogar vor, dass die Landesregierung auch eine Diagnostik durch die Erzieherinnen bei Sprachauffälligkeiten erwartet. Ist dieses aber eine Aufgabe von Erzieherinnen?

Die Landesregierung erwartet zudem von den Erzieherinnen, dass diese sich mit den Kindern auch individuell befassen. Diese individuelle Zuwendung erfordert aber Zeit, die die Erzieherinnen schlichtweg kaum haben. Fakt ist aber auch: Aus finanziellen Gründen erhalten viele Erzieherinnen keinen Vollzeitarbeitsplatz mehr, sondern werden mit zum Teil sinkenden Teilzeitlösungen vertröstet. Dieses lässt der Gesetzentwurf absolut außer Acht.

Der Elternrat und die Leitung einer Kindertagesstätte fassten ihre Haltung zum Gesetzentwurf wie folgt zusammen, Zitat: „Mit dem Entwurf gewinnen wir als Eltern den Eindruck, dass die Inhalte nur defizitorientiert ausgerichtet sind. Das lehnen wir grundsätzlich ab.“ Dem kann sich die NPD-Fraktion nur anschließen. Sie begehen von Grund auf einen Systemfehler, indem Sie alles nur aus finanzieller Sicht betrachten, das Wohl der Kinder, Erzieherinnen und Eltern aber weitestgehend außer Acht lassen.

Das Grundübel Ihrer Kindertagesstättenpolitik ist die Tatsache, dass Sie gar nicht wollen, dass sich die Erzieherinnen mit ganzer Kraft den Kindern widmen können. Andernfalls würden Sie alles in die Wege leiten, um zum Beispiel den Betreuungsschlüssel massiv zu reduzieren und den Erzieherinnen somit die entsprechende Zeit geben, damit sie sich, individuell auch die Sorgen und Nöte berücksichtigend, um jedes Kind kümmern könnten. Eine umfassende Betreuung ist allerdings auch nur durch ein natürliches Zusammenwirken von Erziehern und Eltern möglich. Sie hingegen wollen die Kindertagesstätten zu einer Ganztagserziehungsanstalt für Kinder umwandeln. Die Erziehungsverantwortung liegt aber – und das wollen Sie auch bewusst außer Acht lassen – nicht beim Staat, sondern bei den Eltern. Und Sie haben schon längst vergessen, dass Kinder Kinder sind und keine zu programmierenden und funktionierenden Maschinen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, so wie bei Ihnen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion Herr Roolf.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke – und aus dem Grund habe ich mich hier auch zu Wort gemeldet –, es ist an der Zeit, eine grundsätzliche Ausrichtung zum Thema Kinderförderung in Mecklenburg-Vorpommern zu definieren.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da haben wir die ganze Zeit drauf gewartet, Herr Roolf.)

Und, Frau Lochner-Borst, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie als bildungspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion den richtigen Ansatz gefunden haben und auch den richtigen Eingang gefunden haben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ah!)

Kita-Förderung ist ein bildungspolitisches Thema.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP)

Und damit sind wir nämlich an den Grundfesten dessen, worauf wir uns hier als Parlamentarier zu verständigen haben. Wenn wir wirklich eine Chancengleichheit für alle Kinder haben wollen, dann müssen wir es auch so begreifen. Es ist in erster Linie Bildungspolitik. Und was Kinderförderung schon gar nicht ist und was das Thema schon gar nicht ist, ist der parteipolitische Profilierungsversuch einiger hier in Mecklenburg-Vorpommern. Speziell die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende hat auf ihren Wahlkampfveranstaltungen nichts anderes zu tun, als den Eltern Steuertabellen zu zeigen, wer wann welche Mehreinnahmen oder Mindereinnahmen an Steuern hat, anstatt sich inhaltlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Genau dieselbe stellvertretende Bundes ministerin, Bundesvorsitzende

(Heinz Müller, SPD: Na, na!)

stellt sich hier hin und sagt, der Ministerpräsident Herr Sellering hat den Kindern 15 Millionen mehr gegeben. Nein, wir als Parlament!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Der Haushaltsgesetzgeber hat einen Haushalt verabschiedet. Es ist nicht die Wohltat Einzelner, sondern es ist die Aufgabe von uns Abgeordneten, die Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wollen Sie jetzt auch noch ein Stück vom Kuchen abhaben, Herr Roolf?)

Und wenn ich dann sehe, wie genau dieselbe stellvertretende Bundesvorsitzende ihre Ansprüche auf dem Landes parteitag der SPD definiert, indem sie sagt, wir wollen an die Krippenbeiträge ran, die müssen runter, wir wollen eine neue Fachkräfte-Kind-Relation aufbauen, wir wollen mehr für Problem-Kitas, wir wollen ein kostenloses Mittagessen, wir wollen die Entlastung von Elternbeiträgen, genau dieselbe stellvertretende Bundesvorsitzende weiß,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)