Protocol of the Session on April 29, 2010

Gemäß einer Übereinkunft aller Fraktionen ist entschieden worden, dass wir den Tagesordnungspunkt 28 am morgigen Tag beraten werden.

Ich rufe daher jetzt den Tagesordnungspunkt 29 auf: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Berufliche Bildung stärken, Ausbildungsvielfalt erhalten, auf Drucksache 5/3387.

Antrag der Fraktion der FDP: Berufliche Bildung stärken, Ausbildungsvielfalt erhalten – Drucksache 5/3387 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete und Vizepräsident Kreher für die Fraktion der FDP. Bitte schön, Herr Kreher.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Schulwesen beruht auf zwei tragenden Säulen, den Schulen in staatlicher und den Schulen in freier Trägerschaft.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Na, die sind aber ganz unterschiedlich dick.)

Dieses haben wir in der Begründung unseres Antrages vorangestellt, weil es vielen der hier Anwesenden im Landtag nicht klar zu sein scheint, dass auch Schulen in privater Trägerschaft einen Bildungsauftrag erfüllen, der dem Auftrag der Schulen in staatlicher Trägerschaft weder nachsteht noch untergeordnet ist.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und dafür, meine Damen und Herren, müssen Schulen in freier Trägerschaft eine faire Chance erhalten und in vergleichbarer Weise gefördert werden. Schon während der Novellierung zum Schulgesetz haben vor allem wir Liberalen im Landtag auf dieses Recht der Chancengleichheit hingewiesen. Das von der CDU-SPD-Koalition beschlossene Schulgesetz hat dagegen die Chancengleichheit oder beziehungsweise die Chancenungleichheit vergrößert und für Jahre festgeschrieben. Die auf das neue

Schulgesetz folgenden ergänzenden Verordnungen setzen diesen Kurs der Beeinträchtigung konsequent fort, wobei ich hier nicht mehr von Benachteiligung sprechen möchte, sondern von der Beseitigung von Chancen. Ja, ich spreche von der Beseitigung von Chancen und von der Beseitigung von Bildungs- und Ausbildungsvielfalt. Denn wenn man wirklich eine freie Berufs- und Schulwahl für Eltern und Kinder ermöglichen will, dann müssen finanzielle und bürokratische Barrieren beseitigt werden.

Sie von der Regierungskoalition bauen jedoch immer höhere Hürden auf. Zu den Hürden und Stolper steinen gehören die Schülerbeförderung, die fehlende vollständige Kostenerfassung bei den Schülerkosten sätzen und die vorgesehenen Finanzhilfesätze von teilweise nur 50 Prozent. Ich könnte diese Liste beliebig fortsetzen. Schon allein die Tatsache, dass die freien Träger schon viel zu lange auf die aktuellen Schülerkostensätze als eine verlässliche Grundlage der Finanzhilfesätze warten, knebelt man die freien Träger und macht sie letztlich handlungsunfähig.

Warum, meine Damen und Herren, tun Sie das? Wem nützt diese abweisende Haltung gegenüber den freien Trägern? Die wirklich freie Schulwahl im gesamten Schulbereich sichert nicht nur Chancengleichheit in der Bildung, sie sorgt dafür, dass der Bedarf an Fachkräften im Land optimal gedeckt werden kann. Sie sorgt auch dafür, dass sich junge Frauen, und zwar überwiegend junge Frauen, an freien Einrichtungen für Vollzeitausbildung dafür entscheiden können.

Den Bildungsminister kann ich an dieser Stelle nicht fragen, obwohl ich weiß, dass er das Abfragen – es hat sich ja beim letzten Mal gezeigt – von Zahlen sehr schätzt, aber die Damen und Herren von der Regierungsfraktion darf ich fragen: Wissen Sie, meine Damen und Herren, zum Beispiel Herr Reinhardt,

(Vincent Kokert, CDU: Herr Reinhardt!)

wie viele Schüler an freien Schulen im Land lernen?

(Michael Roolf, FDP: 11.000, Herr Kreher. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Herr Reinhardt hört lieber gar nicht zu, wenn er gefragt wird.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Herr Reinhardt, wissen Sie, ich frage es noch einmal, wie viele Schüler an freien Schulen im Land lernen?

(allgemeine Unruhe)

Das ist total falsch. Das ist die Art, wie es der Herr Minister macht, wenn er seine politischen Gegner bloßstellen will. Deshalb habe ich dieses Mittel jetzt hier auch mal angewandt. Das ist genau das, was er macht. Und wenn wir es machen, dann sind Sie genauso hilflos. Sie haben auch nicht immer alle Zahlen parat.

(Udo Pastörs, NPD: Da haben Sie recht.)

Aber das macht er, weil das sein Mittel ist, andere zu diskriminieren. Das muss ich mal so deutlich sagen.

(Udo Pastörs, NPD: Sehen Sie! Das ist primitiv.)

Es sind genau 53.601 Schüler und Schülerinnen, das sind 7,8 Prozent aller Schüler. Im Ländervergleich 2008/2009 hat Mecklenburg-Vorpommern dabei den geringsten Anteil an Schülern an beruflichen Schulen in freier Trä

gerschaft. Für Sie scheint das immer noch zu viel zu sein. Wissen Sie, welche neuen Bundesländer den höchsten Anteil dieser Schülergruppe haben?

(Udo Pastörs, NPD: Sachsen.)

Sachsen und Thüringen.

(Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

Wenn man diese Länder in ihren Bildungserfolgen mit unserem Land vergleicht, fallen jedem die Parallelen auf. Wir liegen in allen Aspekten auf den hinteren Plätzen

(Udo Pastörs, NPD: Wie kommt das bloß?)

und andere, die in Bildung und Chancengleichheit investieren, liegen vorne. So einfach ist das, meine Damen und Herren. Dass Sie viele Bildungsangebote der freien Träger beseitigen wollen,

(Udo Pastörs, NPD: Viele rote Betonköpfe.)

liegt auf der Hand. In der Schulgesetznovellierung lagen anfangs über 6 Millionen Euro an Kürzungsabsichten auf dem Tisch. Wenn sich die freien Träger nicht mit unserer Hilfe gewehrt hätten, dann hätten Sie sich schon jetzt einem Großteil dieser Schulangebote entledigt.

Mit der anstehenden Privatschulverordnung setzen Sie nicht nur harte Kürzungen durch, Sie legen auch detailliert fest, welche Ausbildungsgänge Sie abschaffen wollen. Dazu gehören zum Beispiel die Kranken- und Altenpflegehelfer. Diese Berufe werden in Vollzeit exklusiv von freien Trägern ausgebildet. Das Gleiche gilt für Masseure.

(Vincent Kokert, CDU: Ich glaube, da waren Zahlendreher drin. Ich glaube, da waren zwei Zahlendreher drin. 5.300!)

Meine Damen und Herren, ich finde es bemerkenswert für das selbsternannte Gesundheitsland MecklenburgVorpommern. Wahrscheinlich folgt das der Logik der Bildungspolitik in diesem Land. Hier wurde schließlich vor Jahren beschlossen, dass wir auch keine Berufsschullehrerausbildung im Land brauchen. Ich finde das auch bemerkenswert, dass in einem Land mit großen demografischen Verwerfungen, in einem Land, in dem vor allem junge gebildete Frauen das Weite suchen, dass hier in Berufen, die besonders attraktiv für Frauen sind, die Ausbildungsmöglichkeiten abgebaut werden sollen.

Meine Damen und Herren, wussten Sie, dass 73 Prozent der Schüler an beruflichen Schulen in freier Trägerschaft weiblich sind? Bei den Schulen in staatlicher Trägerschaft sind es dagegen nur 44 Prozent.

(Vincent Kokert, CDU: Die Schülerzahlen stimmen nicht.)

Wenn also berufliche Schulen in freier Trägerschaft dazu beitragen können, dass die Vielfalt im Gesundheits- und Pflegebereich gestärkt wird, und wenn sie dazu bei tragen können, junge Frauen mit dem Wunsch nach Vollzeitausbildungskräften im Land zu halten, dann würde ich alles tun, um diesen Schulen und diesen Menschen eine faire Chance zu geben. Das geht nicht, wenn Sie Ausbildungsgänge nur mit 50 Prozent fördern wollen. Dann, meine Damen und Herren, können Sie gleich sagen, zahlt eure Ausbildung bitte selbst.

Zur Erfüllung ihres Bildungsauftrages müssen Schulträger und das Land sicherstellen, dass Schulen unabhängig von der Trägerschaft auskömmlich und rechtzeitig finanziert werden. Warum ist es so schwierig, die Berech

nung der Schülerkostensätze rechtzeitig offenzulegen? Es muss selbst bei den drastischen Spar maßnahmen ausreichend Planungssicherheit für den Schulbetrieb sowie für Eltern und Schüler bestehen. Eltern und Schüler erwarten, dass die allgemeine Zugänglichkeit aller schulischen Angebote unabhängig vom sozialen Status und den Besitzverhältnissen gewährleistet ist. Im Entwurf der neuen Privatschulverordnung wird dagegen der bürokratische Abbau von Schulen in freier Trägerschaft festgelegt. Bestimmte Ausbildungsgänge, die exklusiv von Schulen in freier Trägerschaft angeboten und vor allem von jungen Frauen besucht werden, werden radikal abgebaut.

Hier geht es nicht um Lobbyarbeit für freie Träger, meine Damen und Herren, sondern um den Erhalt der Aus bildungsvielfalt in Mecklenburg-Vorpommern. Hier, meine Damen und Herren, geht es nicht um Schulen für Reiche, sondern um Schulen für alle. Hier geht es nicht um Schulen, die überflüssige Ausbildung anbieten, sondern um Schulen, die dem Land ein besonderes Profil geben können. Ich weiß nicht, was Sie treibt, den Schulen in freier Trägerschaft, insbesondere den beruflichen Schulen und deren Schülern das Leben unnötig schwer zu machen. Sie werden damit den Schulen in staatlicher Trägerschaft keinen Gefallen tun. Wir hoffen, dass am Ende die Qualität über die Bürokratie siegen wird. Wir hoffen auch, dass die Vernunft über das kurzzeitige Handeln siegen wird. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Vielen Dank, Herr Kreher.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Bildungsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Tesch.

(Vincent Kokert, CDU: Der böse Minister, der immer falsche Zahlen verbreitet.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in freier Trägerschaft bereichern neben den öffentlichen Schulen die Bildungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Ich glaube, das ist auch von allen Abgeordneten in diesem Haus immer so betont worden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Und deshalb hat das Parlament bei seinen Entscheidungen zur Schulgesetznovelle gerade der Neu regelung der Finanzhilfe für die freien Schulen große Aufmerksamkeit gewidmet. Um kaum eine andere Regelung wurde so gerungen wie um das Finanzhilfeverfahren für die Schulen in freier Trägerschaft. Es galt zu berücksichtigen, dass sich die Ansprüche an Schule hinsichtlich der Angebotsvielfalt, der Ausgestaltung und vor allem der Qualität der Ausbildung geändert haben. Die neuen gesetzlichen Normen berücksichtigen die demografischen Veränderungen im Land, sie nehmen Bezug auf die Veränderungen im Schulsystem und damit auf Schwerpunkte der Landesentwicklung. Das neue System ist transparenter und gerechter.