Wenn ein Schleswig-Holsteinisches Landesgericht erklärt, dass die schleswig-holsteinische Amtsordnung
mit der schleswig-holsteinischen Landesverfassung unvereinbar ist, dann muss ich natürlich die Frage stellen, ob denn die Amtsordnung unseres Nachbarlandes in den streitentscheidenden Passagen mit unserer Kommunalverfassung vergleichbar ist. Die antragstellende Fraktion ist bei der Beurteilung dieser Frage zu derselben Erkenntnis wie das Innenministerium gelangt. Die Regelungen sind inhaltlich weitestgehend identisch.
Dies ist aber, lieber Kollege Ritter, nur der erste Teil der notwendigen Prüfung, denn in einem zweiten Schritt muss man betrachten, ob denn auch die einschlägigen Passagen der Landesverfassung übereinstimmen.
In der Begründung ihres Antrages – und nur die liegt ja zugrunde – geht die Fraktion DIE LINKE hierauf nicht ein. Die Anhörungen zweier ausgewiesener Experten auf diesem Gebiet, nämlich Professor Ewer und Professor Dombert, im Rahmen der letzten Sitzung der Enquetekommission hat allerdings auf diese Frage eine eindeutige Antwort erbracht: Die Verfassungen der beiden Bundesländer unterscheiden sich in diesem Punkt maßgeblich, denn während unsere Landesverfassung nicht über die Vorgaben des Grundgesetzes hinausgeht und nur für Gemeinden und Kreise unmittelbar gewählte Vertretungen fordert, erhebt die schleswig-holsteinische Landesverfassung diese Forderung eben auch für Gemeindeverbände.
Die Urteilsbegründung des Landesverfassungsgerichtes Schleswig-Holstein rankt sich demzufolge konsequenterweise auch im Wesentlichen um die Frage, ab welchem Umfang übertragener Selbstverwaltungsangelegenheiten Ämter als Gemeindeverbände im Sinne der schleswig-holsteinischen Landesverfassung anzusehen sind. Diese Frage spielt aber – auch nach übereinstimmender Auffassung der beiden von mir eben genannten Experten – für Mecklenburg-Vorpommern keine Rolle.
Das bedeutet eben nun allerdings keineswegs, dass wir uns in unserem Bundesland entspannt zurücklehnen können und der Entwicklung der Kompetenzverteilung zwischen Gemeinden und Ämtern keinerlei Beachtung zu schenken bräuchten, denn wie das Innenministerium schon in seiner Bewertung des Urteils gegenüber der Enquetekommission ausgeführt hat, kann auf der Grundlage unserer Amtsordnung theoretisch auch in unserem Bundesland die Aufgabenverlagerung von den Gemeinden zu den Ämtern ein Stadium erreichen, in dem aus Ämtern – so, wie es Professor Ewer formuliert hat – verdeckte Gemeinden werden, die dann selbstverständlich auch auf der Grundlage unserer Landesverfassung unmittelbar gewählter Vertretungen bedürften.
Insofern kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, was es für Kritikpunkte an der Befragung der Gemeinden gibt.
Allerdings sei mir an dieser Stelle die Bemerkung gestattet, dass es unter den Fachleuten sowohl in meinem Ministerium als auch bei den kommunalen Landesverbänden niemanden geben dürfte, der zu dieser Erkenntnis erst durch das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts gekommen ist.
Die Frage, ab welchem Punkt ein Erfordernis für un mittelbar gewählte Vertretungen in den Ämtern besteht, ist nunmehr für Schleswig-Holstein in der Tat eindeutig geklärt. Das dortige Verfassungsgericht hat entschieden, dass Direktwahlen schon dann vorgesehen werden müssen, wenn ein Gesetz eine unbeschränkte Aufgabenverlagerung zulässt und auch nur in einem einzigen Amt die Aufgabenverlagerung einen Umfang erreicht, der aus Ämtern einen materiellen Gemeindeverband macht. Ob nach der Landesverfassung unseres Landes die Hürde für das Erfordernis unmittelbar gewählter Amtsausschüsse ebenso niedrig anzusetzen ist, ist damit nicht gesagt.
Ungeachtet dessen stellt sich natürlich die Frage, wie die Praxis der Aufgabenübertragung in den Ämtern unseres Bundeslandes aussieht. Vor einigen Wochen hat das Innenministerium dementsprechend mit einer Befragung der Funktionsträger im amtsangehörigen Raum begonnen, in deren Rahmen auch nach den durch die Gemeinden übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben gefragt wird. Diese Fragen waren im Übrigen schon vorgesehen, bevor mein Ministerium die Auswirkungen des schleswig-holsteinischen Landesverfassungsgerichtsurteils zu untersuchen hatte,
denn die mit Verlaub viel spannendere Frage als die, welche verfassungsrechtlichen Konsequenzen eine weit gehende Aufgabenverlagerung auf Ämter hat, ist doch die, ob es denn überhaupt noch sachgerecht ist, gemeindliche Strukturen aufrechtzuerhalten, in denen gar keine wesentlichen Selbstverwaltungsaufgaben mehr wahrgenommen werden.
Sehr dankbar bin ich in diesem Zusammenhang auch dem Hinweis von Professor Ewer und Professor Dombert, dass es sich lohnt, die vermeintlich übertragenen Aufgaben im Einzelfall noch einmal zu hinterfragen, denn in Schleswig-Holstein hat man offenbar die Erfahrung gemacht, dass auch solche Aufgaben als den Ämtern übertragen gemeldet wurden, in denen die Ämter lediglich ihrer gesetzlichen Vorbereitungs- und Ausführungsverpflichtung nachkommen. Ich kann Ihnen, meine
Damen und Herren, daher versichern, dass wir bei der Auswertung der zurücklaufenden Fragebogen gezielt noch einmal in den Ämtern nachfragen werden, die uns eine Übertragung wesentlicher Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter möglicherweise melden.
Ich möchte an dieser Stelle aber noch einmal eines deutlich machen: Weder das Innenministerium als oberste Rechtsaufsichtsbehörde noch die kommunalen Landesverbände haben nach gegenwärtigem Kenntnisstand Grund zu der Annahme, dass es Fälle derart weitgehender Aufgabenübertragungen wie im Falle Schleswig-Holstein auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Dass sich eine solche Entwicklung in der Praxis vollzieht, ohne dass die zuständige oberste Landesbehörde davon etwas mitbekommt beziehungsweise die kommunalen Behörden, ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber doch ziemlich unwahrscheinlich.
Um auch hier noch einmal einen Vergleich zu SchleswigHolstein zu ziehen: Dort wachsen die Bäume der Amtsordnung seit 1952 gen Himmel. In unserem Bundesland wird die Amtsordnung in diesem Jahr erst volljährig. Da liegt es doch auf der Hand, dass sich in Schleswig-Holstein in ganz anderem Umfang eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Verwaltungspraxis herausgebildet hat als in Mecklenburg-Vorpommern. Jeder Bürgermeister, der in seiner Gemeinde die Verkehrssicherungspflicht wahrnimmt, weiß, dass man bei alten Bäumen intensiver hinschauen muss, ob morsche Äste den Verkehr gefährden, als bei jungen Bäumen.
Lassen Sie mich nun zum letzten Punkt des Antrages kommen, nämlich der Aufforderung, Vorschläge für eine Überarbeitung der Amtsordnung zu erarbeiten und diese dem Landtag unverzüglich vorzulegen. Wie Sie wissen, arbeitet die Landesregierung zurzeit an einer Novelle der Kommunalverfassung. Änderungen der Amtsordnung mit Bezug auf diese Thematik sind im Rahmen dieser Novelle bisher nicht vorgesehen. Es ist aber eine Selbstverständlichkeit, dass der Gesetzentwurf im Bereich der Amtsordnung angepasst wird, wenn sich belastbare Anzeichen dafür ergeben würden, dass in den Ämtern unseres Bundeslandes eine Entwicklung begonnen hat, die sich in Richtung der schleswig-holsteinischen Situation bewegt.
Hinsichtlich der Terminplanung für das weitere Gesetzgebungsverfahren der Novelle, die nach meiner Hoffnung im Frühjahr nächsten Jahres in Kraft treten soll, ist auf alle Fälle gewährleistet,
dass die Abstimmung des Gesetzentwurfes mit den kommunalen Landesverbänden in einer Phase erfolgt, in der wir bereits genaue Kenntnisse über den tatsächlichen Aufgabenübertragungsbereich im Land haben.
Angesichts der dem Schleswig-Holsteinischen Landtag durch das Landesverfassungsgericht gegebenen großzügigen Überarbeitungsfrist – und dort liegen die Fälle ja vor –, immerhin bis Ende 2014, und das trotz der verbindlich festgestellten Unvereinbarkeit der dortigen Amtsordnung mit der Landesverfassung, besteht aus meiner Sicht null Veranlassung, dass wir das unmittelbar durch das Urteil betroffene Bundesland bei der Gesetzgebungsarbeit noch überholen müssten.
Einer Annahme des Antrages der Fraktion DIE LINKE bedarf es aus diesen Gründen nicht. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenminister hat aus meiner Sicht bereits wesentliche Argumente, die zu diesem Antrag vorzubringen sind, hier vorgetragen, sodass ich mich hier kurzfassen kann.
Und die Kürze wird noch dadurch gesteigert – und ich freue mich, Ihnen dies mitteilen zu können –, dass ich mich mit dem Kollegen Ringguth eben besprochen habe. Wir haben mal geschaut, dass unsere Beiträge sich derart ähneln, dass ich einen Beitrag für uns beide halte,
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts hat die Diskussion über die Situation in den Ämtern, die rechtliche und die tatsächliche Situation, auch in unserem Land deutlich befeuert. Wir merken das daran, dass wir hier so etwas heute in Antragsform auf dem Tisch haben. Aber auch darüber hinaus ist dies etwas, was die Diskussion sehr angefacht hat.
Die Enquetekommission, die wir ja mit dem Auftrag eingerichtet haben, sich über die zukünftigen Gemeindestrukturen zu unterhalten, sich Gedanken zu machen und uns Vorschläge vorzulegen, hat dieses Thema seit geraumer Zeit auf der Tagesordnung – unabhängig von diesem Urteil. Aber wir haben natürlich das Urteil zum Anlass genommen, uns über die rechtliche Würdigung durch die Landesregierung und durch die beiden schon genannten Experten informieren zu lassen. Die Enquetekommission hat hier sehr schnell und sehr zügig ge arbeitet, und so muss das auch sein.
Das Ergebnis – und da, Herr Ritter, wundere ich mich über Ihren Antrag –, das Ergebnis hat der Innenminister bereits genannt. Rein juristisch, und so haben uns das alle diese Sachverständigen gesagt, rein juristisch gibt es für uns keinen Handlungsbedarf.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das haben wir aber anders verstanden, Herr Müller. Da waren Sie ja nicht da.)
Nein, also, lieber Professor Methling, ich war zwar nicht da, als die beiden Hochschullehrer dort gesprochen haben, aber ich habe mich selbstverständlich darüber unterrichtet, was sie vorgetragen haben.
Auch sie haben sehr deutlich gesagt, einen unmittelbar juristischen Handlungsbedarf gibt es nicht. Um das noch mal auf den Punkt zu bringen: Die Landesverfassung von Schleswig-Holstein kennt den Begriff des Gemeindeverbands, die Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern kennt diesen Begriff nicht. Wenn Sie also sagen, ich will Rechtssicherheit, lieber Kollege Ritter, die Rechtssicherheit, die haben Sie heute schon, wir haben keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
Aber, meine Damen und Herren, Juristerei, bei allem Respekt vor allen Juristen, das tatsächliche und das politische Leben können ja durchaus zweierlei sein. Wenn wir juristisch keinen Handlungsbedarf haben, so haben wir doch sehr wohl politisch den Bedarf, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen, die Entwicklung zu analy sieren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Nur, lieber Kollege Ritter, dies tut ja die Enquetekommission bereits. Wir können uns gerne mal, auch anhand der Proto kolle, weil Sie ja in der Kommission nicht dabei sind, an gucken, was wir da eigentlich machen.
Wir sind in einer Phase, Professor Methling wird Ihnen das sicherlich bestätigen, wo wir dabei sind, über bestimmte Modelle für die Zukunft zu reden, solche Modelle in groben Zügen zu skizzieren und diese Skizzen dann kommunalen Vertretern vorzulegen, damit wir ihre Bewertung hören, und sie in unsere Arbeit miteinzubeziehen. Wir sind also längst dabei, in der Kommission dieses Thema in einer, wie ich finde, sehr vernünftigen Weise zu bearbeiten, in einer Weise auch, die wir im Konsens festgelegt haben.
Wenn also hier Informationsbedarf besteht seitens der LINKEN oder seitens sonst irgendeines Mitglieds der Enquetekommission, dann kann dieser Wissensbedarf hier befriedigt werden. Dafür brauchen wir keinen Schauantrag hier im Landtag.
Also, meine Damen und Herren, wir diskutieren die zukünftigen Strukturen schon längst. Die LINKEN sind dabei, vielleicht nicht immer in der konstruktiven Art, wie ich mir das gewünscht hätte.