Ich kritisiere das jetzt auch gar nicht, ich beschreibe nur einmal die Situation, in der wir uns befinden. Jetzt halte ich es aber für notwendig, dass wir tatsächlich darüber diskutieren, wie industrie- und strukturpolitisch Schiffbau beziehungsweise die maritime Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern vorangetrieben wird. Ich bin der Überzeugung, es muss über Alternativen nachgedacht werden. Wir sollten uns von der eindimensionalen Abhängigkeit vom Schiffbau trennen und Möglichkeiten eröffnen, dass an den Standorten, auf denen Schiffe gebaut werden, auch andere Produkte und andere
Technologien zur Anwendung kommen, denn es wird ja immer über Offshoretechnik gesprochen, über Umwelttechnik, über andere Fragen oder andere Produkte und Technologien, die im Maschinenbau oder im Stahlbau zu finden sind.
Das sind Fragen, die notwendig sind. Das hat Herr Schulte nicht gesagt. Aber ich will Sie da ausdrücklich unterstützen, auch das ist eine Frage, die man mit dem Eigentümer bereden muss, ob er nicht bereit ist, sich tatsächlich zu öffnen, damit Dritte die Möglichkeit haben, beispielsweise konkret in Warnemünde ihre unternehmerische Tätigkeit entwickeln zu können.
Ich bin der Überzeugung, dass Zeit verloren wurde. Wir haben Beispiele in der Ostseeregion, die bewiesen haben, dass eine Umstrukturierung erfolgreich durchgeführt werden kann. Das kann man in Schweden sehen. Mit einer aktiven Strukturpolitik ist es gelungen, sich mit dem Beschäftigungsabbau im Schiffbau neu auszurichten und andere maritime Geschäftsfelder ganz konkret zu erschließen. Wir alle, zumindest diejenigen, die sich wirtschaftspolitisch und beschäftigungspolitisch mit der maritimen Wirtschaft beschäftigen, nehmen teil an den nationalen maritimen Konferenzen. Auch hier wird immer wieder deutlich gezeigt, dass die Konkurrenz aus Südostasien größer wird und dass damit auch Veränderungen auf dem Weltmarkt, im Schiffbau generell und bei der maritimen Technik im Speziellen stattfinden.
Es geht um die Frage, welche Produkte und welche innovativen Produkte zukünftig in Mecklenburg-Vorpommern an den Werftstandorten tatsächlich produziert werden. Es geht um die Frage, ob mit dem Auslaufen der direkten Subvention im Schiffbau der Schwerpunkt auf eine zukunftssichere Branchenstruktur und eine nachhaltige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit gesetzt werden kann. Das sind Fragen, die müssen diskutiert werden. Sie müssen nicht nur propagiert werden, sondern sie müssen ganz konkret mit Maßnahmen untersetzt werden. Deswegen fordern wir das industriepolitische Konzept für die Standorte.
Von den erforderlichen Veränderungen, wie sie auf diesen Konferenzen immer wieder thematisiert wurden, war wenig zu spüren. Das Bundesprogramm „Innovativer Schiffbau sichert arbeitsfähige Arbeitsplätze“, so heißt dieses Programm, eingeführt im Jahre 2004, kam nach unserer Auffassung mindestens zehn Jahre zu spät. Das sage ich unabhängig davon, dass die Finanzkrise und die damit verbundene Wirtschaftskrise ganz klar auf den Schiffbaumarkt durchgeschlagen haben, und zwar mit einer Vehemenz, die vorher nicht vorauszusehen war. Aber die notwendigen Veränderungen wären auch ohne die Finanzkrise notwendig gewesen.
Deswegen, meine Damen und Herren, sind wir der Überzeugung, dass wir mit unserem Antrag ein Konzept vorlegen, wie man den Schiffbau und die maritimen Standorte in Mecklenburg-Vorpommern zukunftsfähig gestalten kann, wie man die Beschäftigung sichern kann und wie man strukturpolitische Entscheidungen fällen kann. Ich bin der Überzeugung, wir brauchen einen Dreiklang. Der Dreiklang besteht erstens aus einem industrie- und strukturpolitischen Konzept für die maritimen Standorte, zweitens aus der Verantwortung des Investors für die Aufträge, die mit Unterstützung der öffentlichen Hand, des Bundes und des Landes ausfinanziert werden müssen, und wir brauchen drittens die Beschäftigungssicherung durch Einstellung in Kombination mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und natürlich die
Verlängerung der Transfergesellschaft, um den Schiffbauern die entsprechende Hoffnung zu geben. Ich hoffe, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Auch wir fordern eine namentliche Abstimmung. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat ums Wort gebeten der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering. Bitte schön, Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Landtag liegen heute zwei Anträge zu den Nordic-Werften vor. Ich will auf den Wortlaut nicht im Einzelnen eingehen, sondern ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Sie hier über die Ziele und die Aktivitäten der Landesregierung in den letzten Tagen und Wochen zu informieren.
Meine Damen und Herren, die Werften haben für Mecklenburg-Vorpommern eine immense Bedeutung, eine hohe symbolische Bedeutung, aber natürlich auch eine große reale Bedeutung.
Die maritime Wirtschaft, die Werften, die Zulieferer, die Häfen, auch die Industrieproduzenten direkt an der Kaikante, das alles ist das industrielle Herz des Landes. Deshalb ist und bleibt es das Ziel der Landesregierung, Wismar und Warnemünde als Werftstandorte, als Standorte der maritimen Wirtschaft zu erhalten. Das gilt natürlich auch für Wolgast und Stralsund.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass sich der Schiffbau weltweit in einer schweren Krise befindet. Experten gehen davon aus, dass höchstens die Hälfte der Werften diese Krise überstehen wird. Ich will, das habe ich gestern den Schiffbauern gesagt und das wiederhole ich hier vor Ihnen, dass unsere Werften zu denen gehören, die durchkommen. Eine Garantie dafür, dass das gelingt, kann keiner geben. Was die Landesregierung aber garantiert, ist, dass wir weiter hart daran arbeiten, dass wir alles dafür tun, dass unsere Werften eine Zukunft haben.
Dabei haben wir die Bundesregierung an unserer Seite und das ist wichtig, denn es geht hier nicht um uns allein in Mecklenburg-Vorpommern. Es geht um die Frage, ob Deutschland Schiffbaustandort bleiben kann oder ob es in Zukunft Schiffbau nur noch in Asien geben wird. Ich begrüße sehr, dass die Bundeskanzlerin sich ebenfalls klar zur maritimen Wirtschaft bekannt hat.
Man muss sagen, dass die Krise die Werften im Land in unterschiedlicher Weise getroffen hat. Neptun baut weiter erfolgreich Flusskreuzfahrtschiffe. Die Werften in Wolgast und Stralsund befinden sich in einem sehr
schwierigen Umstrukturierungsprozess, bei dem sie die Unterstützung des Landes brauchen und bekommen, unter anderem mit Darlehen und Bürgschaften. Am schwierigsten ist die Lage in Wismar und Warnemünde. Die Landesregierung hat diesen beiden Werften von Anfang an mit einem Darlehen von 60 Millionen Euro im Dezember 2008 geholfen, sonst wäre Weihnachten 2008 das Licht ausgegangen, und dann, indem wir die Werften unter den Schutzschirm des Bundes gebracht haben als das erste Unternehmen in Deutschland überhaupt.
Nach der Insolvenz haben wir mitgeholfen, dass die beiden Stena-Fähren fertiggestellt werden können. Wir haben unseren Beitrag dazu geleistet, dass die Beschäftigten in einer Transfergesellschaft zusammengehalten werden konnten. Das ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Aufträge, wenn sie kommen, dann auch mit der ganzen Kompetenz und mit hoher Qualität abgearbeitet werden können.
Meine Damen und Herren, an einer Stelle konnten und können wir nicht helfen, denn wir können dem Eigentümer nicht seine ureigenste Aufgabe abnehmen, Aufträge einzuwerben und sie auch zu finanzieren.
Das ist aber der entscheidende Punkt, wenn es um die Zukunft der Werften geht. Eines ist klar: Ohne Aufträge, ohne finanzierte Aufträge gibt es keine Arbeit auf den Werften. Der neue Eigentümer hat von Anfang an gesagt, dass er Zeit braucht, um Aufträge einzuwerben. Diese Zeit haben wir ihm gegeben. Wir haben im Sommer die Transfergesellschaft eingerichtet für fünf Monate, ohne Ergebnis. Wir haben sie dann bis März verlängert und lange sah es wieder so aus, als ob das ohne Ergebnis bliebe. Deshalb habe ich gesagt, nun ist der Investor am Zug. Das habe ich auch ausdrücklich laut und draußen gesagt. Wir können nicht immer so weitermachen, ohne dass es eine Perspektive gibt.
Meine Damen und Herren, das hat gewirkt, der Investor ist aus Moskau mit einem unterschriebenen Vertrag zurückgekehrt.
Und damit ist klar, meine Damen und Herren, es geht nicht mehr nur um mehr Zeit, sondern darum, hoffentlich weitere Aufträge zu akquirieren. Sobald ein Auftrag da ist, stellt sich vielmehr die alles entscheidende Frage: Kann der Investor die Finanzierung sicherstellen? Das ist ganz klar das Schwierigste in dieser Zeit und bei dieser Lage auf dem Markt für den Schiffbau.
Meine Damen und Herren, da muss jeder Investor einfach besondere Vorleistungen bringen, sonst ist die Finanzierung nicht möglich. Und selbst dann ist klar, ohne die weitestmögliche Unterstützung durch den Bund und durch das Land wird es immer noch keine Finanzierung geben. Ich habe deshalb letzten Freitag noch einmal die Kanzlerin um Unterstützung gebeten. Sie hat uns die zuständigen Mitarbeiter aus dem Bundeskanzleramt und dem Bundeswirtschaftsministerium geschickt. Ich habe mit dem Investor lange Gespräche geführt und ihn um den größtmöglichen eigenen Einsatz gebeten. Das ist gerade bei dem Bau des ersten Schiffes entscheidend. Wenn weitere Aufträge kommen, was wir hoffen, dann wird es mit jedem weiteren Schiff ein bisschen weniger schwer mit der Finanzierung.
Meine Damen und Herren, wir haben dann am Dienstag zusammengesessen und in langen und schwierigen Gesprächen einen Finanzierungsweg vereinbart. Jetzt geht es darum, ob das, was wir da besprochen haben, tragfähig ist. Der Weg verlangt vom Bund und vom Land und auch vom Investor einen sehr großen Einsatz. Die Frage ist: Kann jeder das bringen? Die Entscheidung darüber fällt beim nächsten Treffen am 24. März und dann müssen alle Hausaufgaben gemacht sein.
Und dann, meine Damen und Herren, wenn klar ist, geht es weiter mit dem Schiffbau, mit wie vielen Mitarbeitern geht es weiter, wie geht es weiter, wenn die Gespräche, die über weitere Aufträge geführt werden, positiv ausgehen, wie viel Beschäftigte brauchen wir, dann haben wir auch die Grundlage, über eine Weiterführung der Transfergesellschaft zu entscheiden. Diese Entscheidung fällt ebenfalls am 24. März.
Meine Damen und Herren, bei allen Einzelheiten, die noch zu besprechen sind mit den Insolvenzverwaltern, mit der BA und wenn der Investor die Voraussetzungen schafft, dann ist selbstverständlich für uns der Weg frei für eine positive Entscheidung.
Meine Damen und Herren, es gibt die Aussicht auf einen durchfinanzierten Auftrag und damit die Aussicht auf Arbeit ab Juli. Aber selbstverständlich muss es weitergehen, denn ein Auftrag reicht nur für eine geringe Mitarbeiterzahl und nur für eine kurze Zeit. Das Wichtigste an einem ersten durchfinanzierten Auftrag ist die symbolische Bedeutung. Ein erster durchfinanzierter Auftrag würde zeigen, der Investor kann erhebliche Eigenmittel einsetzen. Ein erster durchfinanzierter Auftrag würde auch zeigen, der Bund ist zu Finanzierungshilfen bereit, die international wettbewerbsfähig sind, im Wettstreit der Staaten bei der Unterstützung ihrer Werften, meine Damen und Herren. Und das ist dann eine deutlich bessere Grundlage für die Verhandlungen, die der Investor ja seit Monaten über konkrete weitere Aufträge führt.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung steht weiter an der Seite der Werften und sie steht weiter an der Seite der Werftarbeiter. Ich bedanke mich sehr für die Unterstützung, die wir dabei von den Regierungsfraktionen und in vielen Fragen auch von der LINKEN haben. Lassen Sie uns bitte weiter gemeinsam dafür arbeiten, dass die Werften und die bisher dort Beschäftigten eine Zukunft haben. – Vielen Dank.
Es hat jetzt ums Wort gebeten der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Herr Seidel. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja nicht unbedingt üblich, dass wir zu einem Tagesordnungspunkt mit zwei Regierungsmitgliedern, Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, reden.
(Udo Pastörs, NPD: Sie wollten ja nicht weiter so! Jetzt haben Sie das „Weiter so“. – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)
müssen heute sagen, dass wir in der Krise, in der Wirtschaftskrise, in dem Bereich der maritimen Industrie sehr hart getroffen sind. Es nützt uns auch gar nichts, festzustellen,
(Udo Pastörs, NPD: Sie erzählen uns dasselbe doch wieder, was wir hier schon hundertmal gehört haben.)
dass dies im Übrigen an anderen Standorten in Deutschland und auch darüber hinaus ähnlich ist. Ich habe das ja in Russland sehen können. Das hilft uns nicht, sondern die Menschen erwarten natürlich zu Recht, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, die wir haben, um einen solchen Prozess am Ende noch zu einer einigermaßen vernünftigen Lösung zu führen, was ohnehin schwierig ist, das will ich überhaupt nicht überspielen.