Ich lasse daher zunächst über die Ziffer 1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3281 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Ziffer 1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3281 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und Zustimmung der Fraktion der NPD, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der FDP abgelehnt.
Ich lasse nun über die Ziffer 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3281 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Ziffer 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3281 bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.
Ich lasse nun über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3282 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3282 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der NPD, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der FDP abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Dauer von Sanktionen beim Arbeitslosengeld II, auf Drucksache 5/3288.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein kleiner Hartz-IV-Nachschlag – „Fordern und Fördern“ heißt die offizielle Parole von Hartz IV. Sanktionen werden nach der alten Erziehermaxime verabreicht: Es tut mir genauso weh wie dir, es ist leider notwendig. Sie sollen motivierend wirken und eine Verhaltensänderung herbeiführen, was bei Managern staatlicherseits leider nicht versucht wird. Die kassieren schon wieder ihre Boni in alter Höhe. Ähnlich wie die EU-Kommission, die am liebsten öffentliche Sondertribunale gegen Raucher einführen würde, sind auch
die Erfinder und Betreiber von Hartz IV eher durchgeknallte und aus dem Ruder gelaufene Pädagogen. Sie sind überzeugt, dass die Hartz-IV-Bezieher allesamt ein Verhaltensproblem hätten. Es fehlte ihnen angeblich an Energie, Entschlossenheit, Arbeitseifer und Glauben an sich selbst. Und wenn sie das alles hätten, dann würden sie sofort Arbeit finden und Karriere und Glück und was weiß ich nicht alles.
Alles Sommer, Sonne, Cabrio, alles eine Frage der Einstellung, Tschaka, wie die Motivationsgurus sagen.
Ich hatte mal einen Fallmanager, der glaubte an die perfekte Bewerbung. Wenn man nur lange genug an der feilte und sie wirklich absolut richtig hinbekam, notfalls nach sechsmonatigen Bewerbungskursen,
würde man – war er vielleicht früher – mit Sicherheit Erfolg haben. Er glaubte das wirklich, genauso wie Westerwelle glaubt, dass heute unter Hartz-IV-Empfängern spätrömische Dekadenz herrscht. Natürlich ist das alles Schwachsinn. Es fehlen nun einmal Millionen Arbeitsplätze und die kann man auch nicht mit purer Willenskraft herbeizaubern, auch wenn diese Überzeugung in merkwürdigen Motivationskursen und in Veranstaltungen der Hartz-IV-Behörden vermittelt wird.
Nebenbei war die römische Unterschicht auch nie dekadent. Die meisten Menschen lebten selbst in Roms Glanzzeiten nicht in anstrengungslosem Wohlstand, sie hausten in sehr bescheidenen finsteren Mietskasernen, sogenannten Insulae, und von den staatlichen Getreidezuwendungen ließ sich ebenfalls kein Luxusdasein finanzieren. Die mussten alle noch nebenbei arbeiten. Ich würde Westerwelle einmal auf der Zeitmaschine gern dahin schicken wollen,
Er redet auch Unsinn, wenn er faselt von spätrömischer Dekadenz. In der spätrömischen Epoche, Spätrom ist definiert ab 3. Jahrhundert etwa, ging die Dekadenz schon zurück mangels Wohlstand, denn ohne Geld ist Dekadenz schwer zu finanzieren, aber auch unter dem Einfluss der Christianisierung. Die Dekadenz war am größten zur Blütezeit des Römischen Reiches, als Lucullus seine Gastmähler veranstaltete. Der war in der Tat dekadent bis auf die Knochen, aber er war auch ein tüchtiger Feldherr. Westerwelle ist leider nur dekadent und hat auch sonst keine Ahnung.
Nebenbei, was Herr Koplin gesagt hat, „Teile und herrsche“ sei spätrömisch, ist auch nicht korrekt. Das ist frührömisch, also nur ganz kurz frührömisch von den Anfängen bis zu den Punischen Kriegen. Klassisches Rom, Punische Kriege bis etwa Marc Aurel, Ende des 2. Jahrhunderts, dann Spätrom,
Es gibt noch die frühe Republik und die späte Republik. Aber ich will Sie nicht überfordern, Herr Dr. Nieszery, okay.
Jedenfalls ist es das Grundkonzept von Hartz IV, um wieder in die Gegenwart zurückzukehren, dass Arbeitslosengeld II keine Bestrafung darstellt, sondern zur Arbeitsaufnahme veranlassen soll, auch wenn es keine Arbeit gibt. Auf diese Kleinigkeit wird allerdings kaum das Augenmerk gelenkt.
Nach dieser Logik wäre der Zweck einer Sanktion erfüllt, wenn der Betreffende dann wirklich die Arbeitsangelegenheit – was meistens bedeutet den Ausbau der Jobs –, den Hungerlohn akzeptiert. Dann müssten die Volkspädagogen doch glücklich sein, heißt es irgendwo in der Bibel, dass mehr Freude im Himmel herrscht über einen reuigen Sünder als über tausend Gerechte. Aber nein, die einschlägige Vorschrift, nicht in der Bibel, sondern im SGB II sagt, dass die Kürzung oder Streichung des Regelsatzes immer drei Monate dauert. Und in einer Bundestagsdrucksache wird es dann auch offen ausgesprochen: „unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung zwischenzeitlich beendet wurde“. Es geht also doch um Bestrafung oder, noch besser, Einsparungen. Hartz IV soll möglichst wenig kosten.
Damit dieses Ziel erreicht werden konnte, wurden die Regelsätze entsprechend zurechtmanipuliert, wobei es völlig egal war, ob und wie die Betroffenen damit auskommen konnten. Auch Sanktionen werden in der Praxis seltener deswegen verhängt, weil Pflichtverletzungen vorliegen. Man sucht Anlässe, um Gelder einsparen zu können. Es würde mich nicht wundern, wenn es interne Vorgaben in den Hartz-IV-Behörden dergestalt gäbe, dass jeder Mitarbeiter durch Sanktionen ein bestimmtes Quantum an Einsparungen erreichen muss, ganz egal, ob es dafür Anlässe gibt oder nicht. Dann werden sie eben geschaffen oder provoziert.
Widersprüche gegen Sanktionen haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen dauern mittlerweile auch im Eilverfahren Monate und einschüchternd wirken sollen solche Sanktionen auch.
Und sie sind es auch. Wer einmal drei Monate lang von 60 Prozent oder gar nur 30 Prozent oder von Lebensmittelgutscheinen leben musste, auf die bei Nullsanktionen noch nicht einmal zwingend ein Rechtsanspruch besteht, der traut sich vielleicht gar nicht mehr, noch einen Laut von sich zu geben
und Widerspruch einzulegen oder zu klagen. Das dürfte wohl der Zweck der Übung sein. Wenn Fördern und Fordern keine reine Lüge ist, dann muss eine Sanktion enden, wenn sie ihren Zweck erfüllt hat und die sogenannte Pflichtverletzung beendet ist, auch aus Vernunftgründen. Warum soll denn einer sein Verhalten ändern, wenn er eine dreimonatige Sanktion reingewürgt bekommen hat und die sowieso diese drei Monate dauert? Warum soll er dann gleich den Job annehmen? Dann kann er auch auf stur schalten und sagen, dann mache ich diese drei Monate eben so weiter.
Hier geht es nicht um Machtspielchen, hier soll es darum gehen, konkret Menschen zu helfen, und das macht man im Augenblick nicht. Deswegen muss diese gesetzliche Regelung geändert werden. Besser wäre es natürlich, Hartz IV verschwände komplett aus dieser Welt, aber man kann es auch Stück für Stück abtragen. Das wäre schon einmal etwas. – Danke.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Herren von der NPD! Ich will es angesichts der Uhrzeit kurz und schmerzlos machen.
Vielleicht einmal vorab eine klare Aussage hier: Es gibt sicherlich zwischen den Fraktionen von FDP, CDU, SPD und der Linkspartei unterschiedliche Auffassungen dazu, wie Hartz IV oder die Regelungen im SGB II ausgestaltet, eventuell überarbeitet oder reformiert werden müssen. Das ist zwischen demokratischen Fraktionen auch normal und ist Grundlage einer parlamentarischen Diskussionskultur.
Aber es gibt zwei Dinge, die alle Mitglieder dieser demokratischen Fraktionen in diesem Haus gemeinsam haben:
Erstens sind alle der Auffassung, dass, wenn eine Regelung gefunden wird – ob es jetzt hier diesen Paragrafen betrifft oder andere Stellen des SGB II –, sie dann verfassungskonform sein muss.
(Stefan Köster, NPD: Das ist ja selten eigentlich. – Udo Pastörs, NPD: Sie meinen grundgesetzkonform. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)
Und zweitens – das steht im Grunde im Einklang damit – muss es natürlich eine Regelung sein, die alle Betroffenen gleichbehandelt.
Diese beiden Punkte, Verfassungskonformität und Gleichbehandlung derjenigen, die eine Leistung in Anspruch nehmen müssen, das ist dann auch das, meine Herren von der NPD, was die Mitglieder der demokratischen Fraktionen in diesem Haus von Ihnen unterscheidet und was auch die Grundlage dafür ist, dass wir hier heute diesen Antrag von Ihnen ablehnen werden.
Weil Sie sich immer darüber beklagen, dass man sich in diesem Haus nicht inhaltlich mit Ihrem Antrag auseinandersetzt, will ich das an dieser Stelle natürlich gern tun.