Protocol of the Session on March 11, 2010

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Herr Präsident! Abgeordnete des Landtags! Bürger des Landes! Der 2. März des Jahres 2010 christlicher Zeitrechnung sollte für alle Christen ein rabenschwarzer Tag, ein Tag der strukturellen Sünde sein. An diesem Tag genehmigte die EU-Kommission den Anbau der gentechnisch veränderten Kartoffelsorte Amflora für die Nutzung als Futtermittel und Industrierohstoff. Für Christen wurde an diesem Tag die Manipulation an der Schöpfung durch Menschen im Machtbereich der europäischen Zwangsunion rechtlich legalisiert.

„Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“, sagte Exodus 20,3 den Juden, Anglikanern, Reformierten, Orthodoxen, Katholiken und Lutheranern. Wer sich zum Herrn der Schöpfung macht, bricht das Schöpfungsmonopol Gottes, macht sich zum Gesetz und damit Gott, wird Übermensch, der jenseits aller Gebote, Gesetze und Mächte entscheidet, was lebenswert und was lebensunwert ist.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Sind Sie jetzt Theoretiker geworden, oder was?)

Christen müssten die Ersten sein, die die Zulassung der Gentechnikkartoffel Amflora verurteilen sollten. Aber wahre Christen, wo gibt es die schon in der Politik oder gar in der CDU?

„Dr. Henning von Storch“, der von sich behauptet, ein Christ zu sein, zumindest definitiv CDU-Mitglied, „hat“ nach „MVregio“ – Zitat – „die gestrige Entscheidung der EU-Kommission zur Zulassung des Anbaus der gentechnisch veränderten Kartoffelsorte Amflora zu industriellen Zwecken begrüßt.“ Zitatende. Weiter gibt von Storch von sich, Zitat: „Der gestrigen Genehmigung des Anbaus... ging eine lange, intensive wissenschaftliche Prüfung voraus.“ Zitatende. Der Mensch, der lange intensiv und wissenschaftlich prüft, ist für von Storch ein Übermensch, der Gott spielen darf.

Was heißt denn „lange geprüft“? Laut Wissenschaft existiert das Leben auf der Erde mehrere Milliarden Jahre. Was sind da die kaum mehr als zwölf Lenze, die Amflora das Licht der BASF-Laborwelt erblickt hat? Intensiv geprüft? Selbst die strenge biblische Auslegung, es seien seit der Schöpfung nur ein paar Tausend Jahre vergangen, lassen einen allwissend gestalterischen Schöpfer doch qualitativ anders agieren als die kleinen Menschlein in einer auf Profit getrimmten Firma. Oder will Bürger von Storch das als Christ bestreiten?

Und dann will er noch das Prädikat „wissenschaftlich“ als legitimen Grund für diese Gotteslästerung ins Feld führen. Und das sagt ausgerechnet er, ein Mann des christlichen Glaubens, für den das Vertrauen auf Gott höher stehen sollte als alle Wissenschaft. Ein schönes Glaubensbekenntnis: Ich glaube an den Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, aber noch mehr glaube ich an die Wissenschaft und die Genmanipulationen, die sie hervorbringt. Was ist denn nun das Primat: Gentechnikwissenschaft oder Glaube an Gott?

Wissenschaftlich hält der sogenannte lebendige Gott, an den Christen zu glauben behaupten, doch auch keiner gentechnisch-wissenschaftlichen Prüfung stand. Wer sind denn diese Wissenschaftler? Was prüfen sie denn? Mindestkriterium müsste doch sein, dass eine umfassend zweifelsfreie Widerlegung aller Kriterien an einer Technologie erfolgt und nicht nur die nützlichen Eigenschaften eines optimierten genveränderten Lebewesens begründet wird. Mit anderen Worten: Wissenschaft müsste alle Zweifel so ausräumen, dass sie alle Kritiker zum Schweigen bringt oder ihre Bedenken als für alle nachvollziehbar unbegründbar darlegen.

In dieser käuflichen, vom Mammon beherrschten Welt müssten es Wissenschaftler sein, die nicht von Drittmitteln der Gentechnikindustrie finanziert Gefälligkeitsgutachten erstellen. Doch, Bürger des Landes, was zählen all meine Argumente, die von etablierten Politikern nur als Volksverhetzung oder als Demagogie gebrandmarkt werden? Bei dieser Obrigkeitskaste nichts! Viel entscheidender für die von Storchs, Roolfs und naiven ReeseMuttis ist,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: He, das ist eine Beleidigung!)

dass die Demokraten mit sich selbst im Clinch liegen, sich gegen Amflora aussprechen oder sich lamentierend hinter den Zwängen allmächtiger Institutionen der europäischen Zwangsunion verstecken.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Reese-Muttis!)

Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen, erklärte schon am 28. April 2009, in einem YouTube-Video zur Ausbringung der Amflora im letzten Jahr, Zitat: „Ich sage, diese weitere Erlaubnis ist rechtswidrig …, weil seit 2001 Beschlüsse in der Europäischen Union existieren, die sagen, Saatgut und Pflanzen, die Antibiotikamarker enthalten, sollen auslaufen und nicht mehr ausgebracht werden, auf dem Acker. Antibiotikaresistenzmarker gehen wie folgt: Da hat die Pflanze schon die Resistenz gegen ein Antibiotikum. Amflora, die Kartoffel, hat Resistenzen gegen zwei Antibiotika, die aber für die Humanmedizin, also für die Therapie beim Menschen wichtig sind. Das heißt, wir verbreitern mit dieser Kartoffel die Resistenz gegen zwei Antibiotika, die man für die Behandlung von Menschen braucht, irgendwie frei fludiert in dieser Umwelt. 2001 hat die EU beschlossen: Damit hören wir auf. Und 2009 macht Frau Aigner noch mal eine Verlängerung mit einer Kartoffel, die solche Antibiotikaresistenzen hat. Ich sage, das ist rechtswidrig, damit wird sie Probleme in Brüssel kriegen und mit der Weltgesundheitsorganisation.“ Zitatende.

Bürgerin Ute Schmidt,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wie heißt die?)

immerhin SPD-Landtagsabgeordnete in diesem Land, reagierte als agrarpolitische Sprecherin ihrer Fraktion mit Zurückhaltung. Zitat: „Nach nur einem Monat Amtszeit eine solche Entscheidung zu treffen, wirft aus meiner Sicht Fragen auf.“ Zitatende. Ja, Frau Schmidt, hier ist der Name Dalli des EU-Kommissars Programm. Dalli, Dalli …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wer ist Frau Schmidt? Die kennen wir nicht. Wer ist denn Frau Schmidt? – Angelika Peters, SPD: Wer ist Frau Schmidt? Wer ist Frau Schmidt?)

Frau Schildt, Entschuldigung, Frau Schildt.

Dalli, Dalli, das soll wohl „sehr schnell“ heißen. Es zeigt jedoch, wie naiv Ihre Argumente sind. Denn in dieser Verwaltungsmaschinerie mit Zehntausenden von Bürokraten ist so ein Kommissar doch nur die Spitze des Eisbergs, die verkündet, was der Apparat an Entscheidungen vorbereitet hat. Und diese Entscheidungen sind interessengeleitet, von Lobbyisten an einer nicht existierenden europäischen Öffentlichkeit vorbei beeinflusst und möglicherweise auch mit Schmierstoff beschleunigt worden.

Sie, Bürgerin Schildt, mokieren, Zitat: „Zuvor konnten über viele Jahre nicht alle Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von Amflora ausgeräumt werden, und jetzt kommt plötzlich diese Entscheidung zustande!“ Zitatende. Ganz einfache Lösung, Bürgerin Schildt: Die Kartoffelmenge bei BASF ist durch die Ausbringung der letzten Jahre so groß geworden,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie sind doch ein Schildbürger!)

dass jetzt der Startschuss für den industriellen Anbau folgen musste. Die Industrie kann doch die kostbaren Knollen nicht einfach vergammeln lassen. SPD-Frau Schildt sagt, Zitat: „Es muss insbesondere das Risiko ausgeschlossen werden, dass durch die Verwendung von Verarbeitungsresten als Futtermittel gentechnisch veränderte Pflanzen in die Nahrungsmittelkette eindringen.“ Zitatende. Was ist aber mit den zwei Antibiotikaresistenzmarkern, Bürgerin Schildt, die auch ohne Futtermitteleinsatz ein Risiko darstellen? Darüber verliert die SPD-Expertin kein Wort. Sie fordert im Brustton tiefster Überzeugung, Zitat: „Bundesagrarministerin Aigner muss unverzüglich prüfen, ob ein Anbau in Deutschland mit Hilfe der Schutzklausel nach dem jetzigen Kenntnisstand verhindert werden kann.“

Was ist das für ein Blinde-Kuh-Spiel? Frau Aigner hat doch mit der Ausbringungsgenehmigung für Amflora in 2009 erst jene Kartoffelmenge heranwachsen lassen, die jetzt eine Entscheidung in Brüssel notwendig gemacht hat. Das heißt, die Prüfung erfolgte bereits 2009 in dem vollen Bewusstsein, dass dann 2010 Brüssel grünes Licht geben muss, um die Ernte 2009, die ja nicht ewig keimfähig bleibt, dieses Jahr in vollem Umfang als Saatgut einzusetzen.

Till Backhaus, trotz seines Hanges zur Befürwortung der Agrogentechnik immer noch Minister für Verbraucherschutz in Mecklenburg-Vorpommern, beklagt, es lägen noch keine klaren Anbauregeln vor. Minister Backhaus übt die servile Kritik, wie es einem Paladin dieses Systems zukommt, Zitat: „Gerade aus diesem Grunde … fordere ich die Bundesministerin Frau Aigner auf, unverzüglich die Anbauregeln zu erlassen.“ Zitatende. Wie viele Jahre, so frage ich diesen seit über zwölf Jahren

amtierenden Minister, wird Amflora in MecklenburgVorpommern schon angebaut?

Nicht nur ich, sondern auch Dr. Burkhard Roloff vom BUND konnte im Januar 2008 seelenruhig keimfähige Amflora-Kartoffeln auf einem Acker des Landes auflesen. Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Sie reden von „unverzüglich“, Herr Minister. Die Funktion des zuständigen Bundesministers ist nicht an die Person Aigner gekoppelt. Entweder sind Sie unfähig oder ohne Kompetenz, aber in beiden Fällen überflüssig.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Sagen Sie in der Öffentlichkeit, was Sie wollen! Die Bürger des Landes sehen doch, dass Sie ihnen keinen Schutz vor dem Gendreck der Agroindustrie erkämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Herr Borrmann, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf für die Beleidigung der Abgeordneten Frau Reese.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Respekt!)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Reese von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Man könnte die Diskussion zu dem vorliegenden Antrag kurz mit den Worten zusammenfassen: alle Jahre wieder!

(Zurufe von Raimund Frank Borrmann, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Jedes Jahr beehren Sie uns pünktlich zum Frühjahr mit einem Antrag zur Gentechnik.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das liegt nicht an uns, das liegt an der Amflora.)

Herr Borrmann, auch die Wiederholung macht es nicht besser.

(Udo Pastörs, NPD: Die Frühlingskartoffeln. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Im letzten Jahr hieß der Antrag, ich zitiere: „Aussaat der gentechnisch veränderten ,Amflora-Kartoffel‘ verhindern“. Ich möchte an dieser Stelle einmal dahingestellt sein lassen, ob man Kartoffeln sät. Soweit ich informiert bin, werden sie gepflanzt.

(Angelika Peters, SPD: Ja. – Irene Müller, DIE LINKE: Oder gelegt. – Udo Pastörs, NPD: Vielen Dank, das war das Wesentliche.)

Und im Antrag vom letzten Jahr hieß es, ich zitiere: „Die Landesregierung wird aufgefordert, die erneute Aussaat der gentechnisch veränderten Kartoffelsorte ,Amflora‘ durch die BASF in Mecklenburg-Vorpommern zu verhindern.“ In diesem Jahr beziehen Sie sich im Antrag auf die Untersagung des kommerziellen Anbaus, der dann prompt, wie um Sie zu ärgern, in der letzten Woche zugelassen wird.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, das war auch der Grund. – Stefan Köster, NPD: Immer aktuell.)

Können wir Ihren Antrag denn jetzt so interpretieren, dass Sie einem weiteren Versuchsanbau zustimmen würden und lediglich den kommerziellen Anbau ablehnen?

Sehr merkwürdig, die Verfahrensweise bei Ihnen ist allerdings immer die gleiche. Zur Einbringung – und Herr Borrmann hat es gerade wieder getan – tragen Sie irgendwelche Horrormärchen vor, berichten von Gott spielenden Politikern, zitieren dabei unangekündigt aus Büchern und Romanen und nutzen, wenn möglich, noch Aussagen

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

der Agrarexperten des BUND, um Ihre Auffassung weiter zu untermauern.

(Udo Pastörs, NPD: So eine Unverschämtheit, dass er auch noch den BUND zitiert! Das ist ja wohl nicht zu glauben!)

Und die einzige Unverschämtheit, die hier noch dazukommt, dass Sie diesmal sogar die Abgeordnete Schildt benutzen mit ihren Aussagen,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Udo Pastörs, NPD: Was heißt „benutzen“? Wir zitieren sie.)