Protocol of the Session on January 28, 2010

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Automatischer Datenabgleich bei Empfängern von Arbeitslosengeld II, auf der Drucksache 5/3175.

Antrag der Fraktion der NPD: Automatischer Datenabgleich bei Empfängern von Arbeitslosengeld II – Drucksache 5/3175 –

Das Wort hat zur Begründung für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können gleich beim Thema Hartz IV bleiben, mal sehen, wie viele Hartz-IV-Anträge noch notwendig sein werden, um die Amnesie der SPD zu beseitigen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wir haben keine Amnesie.)

Sie haben ja ganz vergessen, dass Sie das eingeführt haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, das wissen wir ganz genau.)

Wenn man der Sozialministerin zuhört, könnte man denken, Johanna von Orléans sei wiederauferstanden, sie kämpft gegen das Hartz-IV-Ungeheuer, aber das hieß Schröder und war in Ihrer Partei, Frau Ministerin.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Wie schön. Es macht nicht den Eindruck.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Zum speziellen Thema: Empfänger von Arbeitslosengeld II sind dem Staat grundsätzlich verdächtig. Im Gegensatz zu Bankmanagern, Spekulanten und solchen Handelsketten,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist Blödsinn, was Sie erzählen.)

die ihren Mitarbeitern Hungerlöhne zahlen und sie auch noch bespitzeln, sieht das Parteiensystem Hartz-IVBezieher als ernste Gefahr für die Staatsfinanzen an. Was sind schon geschätzte lumpige 100 Milliarden Euro für die Hypo Real Estate verglichen mit den Unsummen, die sich so ein Langzeitarbeitsloser heimlich, still und leise abzocken kann?! Deshalb gibt es auch keine verschärfte Bankenkontrolle, trotz aller vollmundigen Ankündigungen – vielleicht ja in den USA, aber nicht bei uns. Bei uns heißt es, eigentlich seien die Investmentbanker ja anständige Leute, bis auf ein paar ganz seltene schwarze Schafe, für die man keineswegs die ganze Branche verantwortlich machen dürfe. Aber Hartz-IVEmpfänger sind alle verdächtig.

Laut Paragraf 52 SGB II überprüfen die Bundesagentur und die zugelassenen kommunalen Träger die Leistungsbezieher im Wege des automatischen Datenabgleichs, und zwar in vielfältiger Weise. Man möchte unter anderem wissen, ob und in welcher Höhe Unfall- oder Rentenversicherungen bezogen werden oder wurden. Gleiches gilt für viele andere Leistungen. Auch beim Bundeszentralamt für Steuern wird herumgeschnüffelt, ob da irgendwo ein Euro noch wäre. All dies geschieht ohne Anlass, ohne jeden Verdachtsmoment für den rechtsmissbräuchlichen Bezug von Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall.

Mit Recht wird das von Sozialrechtlern sehr kritisch gesehen. Im Kommentar Eicher/Spellbrink führt der Bearbeiter Oppermann aus, dass diese Vorschrift regelmäßige Überprüfungen im Sinne von Routineüberprüfun

gen eröffnet. Es liegen nicht etwa nur Einzelfallprüfungen vor, es werden keine Stichproben gemacht, sondern Vollerhebungen durchgeführt, wovon die Betroffenen meistens gar nichts erfahren. Nur wenn tatsächlich Anhaltspunkte für einen Doppelbezug von Leistungen vorliegen, dann erfolgt überhaupt eine Information, sonst erfährt man davon nie irgendwas. Das Einverständnis der Bespitzelten ist wie in jedem echten Obrigkeitsstaat, der auf sich hält, selbstverständlich völlig unnötig.

Die Weite dieser Ermächtigung zum Datenabgleich ist problematisch, so Oppermann, der Bearbeiter, weil es sich um grundrechtsrelevante Maßnahmen handele, die unter dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung stünden. Danach sei die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe oder Verwendung seiner Daten zu bestimmen. Bei der unfreiwilligen Verwendung personenbezogener Daten müsse der Gesetzgeber den Verwendungsbereich spezifisch und präzise bestimmen. Die Daten müssen zudem für den legitimen Zweck geeignet und erforderlich sein. Damit sei eine Vorratssammlung nicht anonymisierter Daten zu unbestimmten oder noch nicht bestimmten Zwecken unvereinbar.

In seiner konkreten Ausgestaltung legt Paragraf 52 SGB II nahe, dass alle Bezieher von Arbeitslosengeld II potenzielle Doppelbezieher, das heißt Betrüger seien. Für diese Annahme gibt es weder Belege noch Statistiken, deshalb ist die Verfassungsgemäßheit dieser Vorschrift mehr als zweifelhaft. Bei Besserverdienern würde man sich das nie trauen. So mutig ist der Parteienstaat nur gegenüber jenen, die keine wirtschaftliche Macht haben, um sich effektiv zu wehren.

Es kann aber nicht sein, dass es eine auch rechtlich benachteiligte Unterschicht gibt, für die das informationelle Selbstbestimmungsrecht einfach nicht gilt, während dank großzügiger Gerichte die Prominenten fast jede ungünstige Erwähnung in der Presse wegklagen können unter Hinweis auf ihre Persönlichkeitsrechte. Keiner darf etwas erfahren über das Privatleben von Prinzessin Caroline von Monaco oder dem, was sie zu ihrem Privatleben erklärt. Dafür sorgen teure Anwälte. Im Gegensatz dazu werden Langzeitarbeitslose zum gläsernen Bürger, offenbar mangels teurer Anwälte, die sie sich ja nicht leisten können. Wozu gibt es angesichts solcher Verhältnisse eigentlich noch Datenschutzbeauftragte, die teures Geld kosten? – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dankert. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

(Stefan Köster, NPD: Oh, der Möchtegern-Datenschutzbeauftragte.)

Ja, Herr Köster, das war fast auszurechnen, dass das kommt.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche hier für die vier Fraktionen außerhalb der NPD, das ist klar. Und die Frage ist,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

die Frage ist ja wirklich, nimmt man sich noch viel Zeit, nimmt man sich noch sehr viel Zeit für diesen Antrag oder nicht. Es geht ja immer nach dem gleichen Klischee. Einerseits wollen Sie die Regierung abschaffen, andererseits bitten Sie in den Anträgen, etwas zu tun, und zwar in diesem Fall, mit einer Bundesratsinitiative den Paragrafen 52 SGB II abzuschaffen. Die NPD hat nämlich für sich festgestellt, der verdachtsunabhängige, eben automatisierte Datenabgleich verletzt das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Leistungsbezieher und stellt eine pauschale Kriminalisierung dar, das heißt, das nimmt sie an.

NPD und informationelle Selbstbestimmung, diese Kombination lässt aufhorchen, die Kombination NPD und Kriminalisierung dann wohl eher wieder nicht, und dafür steht dann eine gewisse Gewohnheit, meine Herren.

Aber worum geht es vordergründig? Das sogenannte Sozialgeheimnis ist der Anspruch des Einzelnen, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Sozialleistungsträgen nicht unbefugt erhoben, gespeichert, verarbeitet, verändert, übermittelt, gelöscht und genutzt werden. Es konkretisiert das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung für den Bereich der öffentlichen Sozialleistungsträger und anderer Stellen, die mit der Erhebung und Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten betraut sind. Gesetzlich festgelegt ist das Sozialgeheimnis in Paragraf 35 SGB I in Verbindung mit den Paragrafen 67 fortfolgende im SGB X. SGB II Paragraf 52 besagt im Kern: Zum Abgleich des Bezugs anderer eventuell auf das Arbeitslosengeld II anzurechnender Sozialleistungen, Renten zum Beispiel, wird quartalsweise ein automatischer Datenabgleich zwischen den Leistungsträgern und der Datei der Rentenversicherungsträger durchgeführt.

Als das eingeführt wurde, wurde diese Thematik sehr ausführlich und auch sehr kontrovers diskutiert, auch von Datenschützern. Man kann nun zu diesem Datenabgleich politisch stehen, wie man will, er ist jetzt rechtlich geregelt und explizit geschieht er. Und wie geschieht er dann? Die Daten werden abgeglichen. Im Fall eines Treffers, die Quote ist in der Praxis relativ gering, werden die Daten weitervermittelt. Sofern …

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Darüber gibt es keine Zahlen.

… dann die Daten keinen Treffer erzeugen, werden die Daten automatisch gelöscht.

Was damals die Datenschützer auf den Plan gerufen hat, ist eigentlich das System der Daten, wie es verarbeitet wird, und das System, wie man mit den Daten umgeht. Zum Beispiel war anfänglich im Bereich der Hartz-IVGesetzgebung die Software so bundesweit zugänglich für diese Daten. Das ist abgeschafft worden. Und man hat auch dafür gesorgt, dass nur die unmittelbar mit diesen Daten Tätigen den Zugriff auf diese Daten haben und niemand anders. Insofern ist rein von der Technik her seitens der Datenschützer dann auch Ruhe gegeben worden. Allerdings, diese Diskussion um die informationelle Selbstbestimmung hat es auch in dem Zusammenhang gegeben, die ist aber inzwischen an der Stelle nicht mehr da.

Nun kann man zu diesem Datenabgleich politisch stehen, wie man will. DIE LINKE lehnt Hartz IV völlig ab, in der SPD rückt man von früheren Positionen ab, in der CDU gibt es von Rüttgers bis Koch Diskussionen und

auch in der FDP gibt es Diskussionen zu dieser Thematik, Bürgergeld wurde eben gerade gesagt. Ich denke, da gibt es ein ganz buntes Spektrum und meines Erachtens auch viel aktuellere Themen als diesen automatischen Datenabgleich.

Vielleicht handelt es sich ja um die private Datensammelwut von Herrn Andrejewski in Sachen Hartz IV. Der scheint einen Katalog zu haben. Leider bietet ihm Hartz IV diesen Katalog, aber er wird sicherlich in den nächsten Landtagssitzungen wieder ein Thema aus diesem Bereich bringen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Seien Sie doch froh!

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sie sind ja auch richtig fröhlich. Bloß Herr Andrejewski macht nicht den Eindruck, als wenn er fröhlich ist.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Er scheint mit seinem Leben sehr unzufrieden zu sein, er hat nur noch Hartz IV. Na okay.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Ach, Sie brauchen keinen Spiegel vorzuhalten. Gucken Sie mal selber rein! Dann müssten Sie eigentlich erschrecken.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Gut, ich gehöre zumindest zu denen...

Vielen Dank, Herr Köster, nein – wie heißt er noch gleich? –, Herr Pastörs, dass Sie mir gestatten weiterzureden. Das ist sehr nett von Ihnen.

Ich gehöre zu denen, die den Datenabgleich grundsätzlich für legitim halten. Immerhin geht es um die Gewährung öffentlicher Gelder und gesetzliche Voraussetzungen können nur dann wirken, wenn diese auch kontrolliert werden können. Allerdings kann ich mir auch genauso gut vorstellen, dass es in anderen Bereichen,

(Stefan Köster, NPD: Dem Datenschutz in Mecklenburg-Vorpommern steht bald eine Katastrophe bevor.)