und zum anderen ist diese Frage bei diesem Funktionalreförmchen überhaupt nachrangig. Sie stellt sich erst dann ernsthaft, wenn wir auch über eine wirkliche Funktionalreform, über eine wirkliche Aufgabenverteilung und über eine wirkliche Auflösung von Doppelstrukturen des Landes reden. Aber selbst die Koalitionäre sagen, dass das jetzige Reförmchen mit den 201 Stellen – welche heldenhafte Leistung – auch erst ab 2011 beginnen soll. Wie konkret das aussieht, wissen Sie wahrscheinlich selbst noch nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach alledem sind sachliche Gründe für ein Nichtverschieben des Vollzugs der Kreisgebietsreform auf 2014 nicht ersichtlich. Übrig bleiben allein machtpolitisch motivierte Vorbehalte. Aber diese sind den Koalitionären doch fremd, oder?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen wir heute öffentlich ein Signal für eine ernst gemeinte Auswertung der Anhörungsergebnisse, für eine ernst gemeinte Abwägung von Alternativmodellen, für eine wirkliche, weil durchdachte Modernisierung des Landes auf allen Ebenen und dann für einen sinnvollen Vollzug einer Kreisgebietsreform im Jahre 2014! – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat ums Wort gebeten der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering. Bitte schön, Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Worte von Herrn Ritter zu dem Antrag, aber eigentlich ein ganz einfacher Inhalt: Verschieben mit der Hoffnung, die Reform dadurch zu Fall zu bringen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genauso ist es. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
Meine Damen und Herren, dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Unser Land braucht diese Reform. Wir alle wissen doch, dass Mecklenburg-Vorpommern auf sinkende Einwohnerzahlen und auf rückläufige Finanztransfers reagieren muss, Finanztransfers aus der EU, vom Bund, von den finanzstarken westdeutschen Ländern. Die Antwort der Landesregierung darauf ist klar. Es ist selbstverständlich besser, in Wirtschaft und Arbeitsplätze, in Bildung und Chancengleichheit, in Familien und Kinder zu investieren als in zu viel Verwaltung, deshalb diese Reform. Wir wollen eine Zukunft aus eigener Kraft, meine Damen und Herren.
Und, meine Damen und Herren, es gibt einen zweiten Grund: Die Menschen und die Wirtschaft hier im Land erwarten zu Recht, dass wir die Verwaltung auf allen Ebenen so effizient, so gut wie möglich gestalten. Und da muss man sagen, da können wir noch besser werden und da werden wir besser werden.
Ich bin sicher, dass größere und stärkere Kreise mit einem klaren Aufgabenprofil letztlich auch eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung bedeuten.
Jetzt zum Thema: Noch Zeit lassen, noch prüfen. Also das wissen Sie ja am besten, das Thema Verwaltungsreform beschäftigt uns jetzt seit dem Herbst 2002, und zwar sehr ernsthaft. Es gibt seitdem zahlreiche Konzepte, Vorschläge, Papiere, Gutachten. Die alle sind in der Regierung, im Landtag, zwischen dem Land, den Kommunen, in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert worden, auch kontrovers, keine Frage. Schließlich sind ja an diesem Diskussionsprozess die verschiedensten Gruppen mit den unterschiedlichsten Interessen beteiligt. In dieser Wahlperiode wurde nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zunächst ein Leitbild erarbeitet und diskutiert, sehr breit.
Auf dieser Basis hat die Landesregierung dann einen Gesetzentwurf erarbeitet. Sie hat dazu Anhörungen durchgeführt. Sie hat die Anhörungen ausgewertet und dann das Gesetz dem Landtag zugeleitet. Hier im Landtag sind noch mal Anhörungen durchgeführt worden. Und es lässt sich ja wohl sagen, mittlerweile sind wir im Jahr 2010. Alle Vorschläge, alle Argumente liegen seit Langem auf dem Tisch. Jetzt ist es an der Zeit, Entscheidungen zu treffen und diese dann auch umzusetzen.
Und, meine Damen und Herren von der LINKEN, das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, nämlich widerstreitende Interessen und Argumente abzuwägen, Alternativen in die Prüfung einzubeziehen, das haben wir, das hat die Regierung, auch die Regierungsfraktionen haben das während all ihrer Schritte getan. Und selbstverständlich haben wir dabei sinnvolle Vorschläge aufgegriffen und entsprechende Änderungen vorgenommen, zum Beispiel bei der Ziehung der Kreisgrenzen oder auch in
der Funktionalreform, bei der in der jetzigen Auswertung der Anhörung im Landtag eine Veränderung vorgenommen werden wird. Nämlich der ursprünglich geplante Arbeitsschutz wird herausgenommen aus der Kommunalisierung. Hier haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer Bedenken geäußert. Wir haben diese diskutiert und gesagt, jawohl, dem tragen wir Rechnung.
Meine Damen und Herren, die Beratungen der Verwaltungsreform sind noch nicht zu Ende. Das eine oder andere Detail wird sicherlich noch zu klären sein. Aber ein Ergebnis unseres jahrelangen Klärungsprozesses steht eindeutig fest – das wird übrigens auch von dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes ausdrücklich bestätigt –, unser Land Mecklenburg-Vorpommern braucht diese Reform. Ich sage deshalb, die Reform kommt. Was immer es an kritischen Einwendungen und Anregungen im Einzelnen noch gibt, die grundsätzliche Notwendigkeit einer solchen Reform stellen sie nicht infrage, können sie auch nicht infrage stellen.
Ich fordere alle Kritiker und alle engagierten Interessenvertreter auf und ich lade Sie auch ein: Argumentieren Sie nicht mit dem Ziel, die Reform zu verhindern, sondern bringen Sie Ihre Kritik konstruktiv ein mit dem Ziel, die bestmögliche Reform zu machen!
(Peter Ritter, DIE LINKE: Von verhindern hat kein Mensch gesprochen. Das ausgerechnet mir vorzuwerfen!)
Und das würde dazu führen, Herr Ritter, dass Sie nicht hier einen solchen Globalantrag stellen, sondern dass Sie sich weiterhin im Prozess einbringen und da auf Verbesserung mit guten Argumenten dringen, wo das möglich ist.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Kommen Sie mal in die Enquetekommission, wie unsere Anträge da abgebürstet werden! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
… dieses Mitwirken an einer möglichst guten Reform, das können alle. Und ich muss auch sagen, Herr Ritter, im Gegensatz zu Ihnen – vielleicht haben Sie auch daran teilgenommen – haben das viele bisher getan
und sich konstruktiv in dieser Form eingebracht. Und ich möchte die Gelegenheit hier wahrnehmen, mich bei all denen ausdrücklich zu bedanken.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Helmut Holter, DIE LINKE: Herr Ritter ist sehr konstruktiv.)
Ich will noch etwas zu der Zahl sagen, die Sie eben genannt haben. Wie gesagt, die Einzelheiten stehen noch nicht alle fest, aber die Konturen sind selbstverständlich nach diesem sehr langen Prozess deutlich sichtbar.
Es wird eine Kreisgebietsreform geben und sie wird zu sechs Kreisen und zwei kreisfreien Städten führen. Das ist das Ergebnis dessen, was wir bisher erörtert haben. Und wir werden im Zuge der Funktionalreform Aufgaben vom Land an die Kommunen übertragen.
Und wir werden gleichzeitig die Landesverwaltung straffen, zum Beispiel indem wir die Landwirtschafts- und Umweltämter in einer Viererstruktur zusammenführen. Damit eröffnen wir übrigens dann auch …
Damit eröffnen wir auch die Option für spätere, weitere Kommunalisierungen, meine Damen und Herren, und wir ordnen die kommunalen Finanzen neu mit einer klaren Absicht, nämlich Stärkung der Zentren. Und diese drei Elemente der Reform gehören für uns zusammen.
Meine Damen und Herren, ich denke, spätestens seit letztem Dienstag ist wohl dem letzten Zweifler klar, die Reform kommt. Damit beweist die Landesregierung, damit beweist die Koalition Handlungsfähigkeit. Und was wir jetzt am wenigsten gebrauchen können, sind weitere Verzögerungen. Wir brauchen zügige Entscheidungen.
Und wir brauchen eine Reform, die unser Land voranbringt. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen. – Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Helmut Holter, DIE LINKE)