müssen wir auch heute noch, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, reden. Und wir müssen aufrichtig und ehrlich miteinander sein,
wenn wir über die Geschichte und das gesellschaftliche Engagement Einzelner diskutieren. Dabei dürfen wir die Chancen des Einzelnen zur Umkehr nicht verbauen.
Herr Abgeordneter Pastörs, ich erteile Ihnen den dritten Ordnungsruf für die Beleidigung des Ministers als Zwischenruf. Ich werde ihn hier nicht wiederholen. Er wird im Protokoll sicherlich stehen. Und ich teile Ihnen damit mit, dass Sie kein Rederecht mehr für die heutige Sitzung haben.
Als Vorsitzender einer Partei dieses Landes fordert das christliche Fundament, auf dem wir stehen, die Kraft auch zur Versöhnung mit neuer Gemeinsamkeit mit denen, die in unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat angekommen sind und erkannt haben, dass ihr aktives gesellschaftliches Engagement für den damaligen Staat allein der Stützung einer Diktatur diente. Denn zur Versöhnung gehört Reue und das Anerkennen von Schuld.
In unserer Partei führen wir beispielsweise seit der Weimarer Erklärung von 1991 diesen Dialog über die Geschichte in der CDU und der DDR. Ich bin froh, dass dieser intensive Diskussionsprozess nicht zu einer Spaltung der Mitgliedschaft innerhalb meiner Partei geführt hat, und ich werde auch alles daransetzen, dass das so bleibt. Auch deswegen bin ich gegen einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Stasigeschichte und auch unter die Aufarbeitung der damaligen DDR.
Und jedem, der sich immer noch über die Blockpartei CDU echauffiert, rufe ich zu: Kehrt vor eurer eigenen Tür! Damit haben viele genug zu tun.
Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen nun einen langen Katalog vortragen, was diese Landesregierung alles unternimmt, damit das DDR-Unrecht auch in den Schulen behandelt wird.
Das sind zu Recht alles wichtige Maßnahmen. Die kann man aber auch zum Beispiel in den Lehrplänen nachlesen oder bei der Landeszentrale für politische Bildung
Wichtig, meine Damen und Herren, ist aber doch, dass das, was im Unterricht vermittelt wird, nicht nur Theorie bleibt. Es muss im Elternhaus darüber geredet werden. Enkel müssen ihre Großeltern fragen: Was habt ihr am 17. Juni 1953 gemacht? Warum habt ihr den Bau der Mauer 1961 nicht verhindert? Wo wart ihr zum Prager Frühling? Und die Großeltern, wir, werden auf solche unbequemen Fragen antworten müssen.
Die kommenden Generationen müssen Gelegenheiten bekommen, mit Zeitzeugen der Diktatur, Betroffenen und Opfern zusammenzukommen. Das ermöglicht ihnen erst einen vielschichtigen Blick auf unsere jüngste Vergangenheit hier in Mecklenburg-Vorpommern.
Meine Damen und Herren, aus all dem ergibt sich: Die Aufarbeitung des DDR-Unrechts ist keine Angelegenheit, die der Landtag mit einem einzigen Antrag bearbeiten kann, kein Thema, das wir alleine der Landesregierung oder den sie tragenden Fraktionen überantworten könnten und sollten, kein Punkt, der nur turnusmäßig im Lehrplan der jeweiligen Schulen steht. Nein, die Aufarbeitung des DDR-Unrechts ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle, alle müssen sich daran beteiligen.
Die Aufarbeitung geht uns alle an. Die Aufarbeitung geht die an, die von hier sind, aber auch die, die in den letzten 20 Jahren dazugekommen sind. Gemeinsam wollen wir die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns gestalten. Auch deswegen, weil wir sie gemeinsam gestalten wollen, darf und wird es keinen Schlussstrich unter die Debatte geben.
Meine Damen und Herren, ich bin der FDP zum einen dankbar für ihren Antrag, weil er die Möglichkeit bietet, dass wir uns einmal mehr mit dem DDR-System und seinen Auswüchsen auseinandersetzen. Gleichwohl will
ich nicht empfehlen, diesem Antrag zuzustimmen, denn er würde das Ziel nicht erreichen. Die Aufarbeitung des DDR-Unrechts kann den Menschen eben einfach nicht per Landtagsbeschluss verordnet werden.
Hingegen kann eine Partei als eine gesellschaftliche Gruppe sich selbst verpflichten, Aufarbeitung zu leben und durchzuführen. Alle, alle gesellschaftlichen Gruppen sind aufgefordert, Gleiches zu tun, denn allein mit staatlicher Verordnung wäre jedoch Aufarbeitung zum Scheitern verurteilt. Die Lehren aus der Vergangenheit, Herr Schnur, das wissen Sie doch auch, zeigen, dass zum Beispiel ein staatlich verordneter Antifaschismus keine ehrliche Aufarbeitung von Diktatur und Unrecht durch ihre Menschen ersetzen kann.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr gute Rede, Herr Minister.)
Die angemeldete Redezeit der Regierung ist um acht Minuten überschritten worden. Damit steht diese Zeit den Oppositionsfraktionen zusätzlich zur Verfügung.
Ich erteile jetzt das Wort für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Dr. Timm. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Kein Ende in der Aufarbeitung der SED-Diktatur“ – ich erinnere mich bei diesem Antrag der FDP von heute an die 3. Legislaturperiode dieses Landtages, wo wir eine Enquetekommission hatten, die genau das zum Thema gemacht hat,
nämlich Aufarbeitung und Versöhnung in MecklenburgVorpommern, vier Jahre lang intensiv bearbeitet. Und es lohnt sich, wenn Sie und alle, die das interessiert,
mal nachlesen würden, was damals an intensiven, interessanten, auch heute noch interessanten und eben auch aufarbeitenden