Protocol of the Session on November 19, 2009

(Zuruf von Dr. Harald Ringstorff, SPD)

Und wenn Sie, Herr Backhaus, etwas zur Wiedervereinigung sagen und zur Haltung der SPD, dann muss ich Ihnen hier auch vor diesem Hause sagen, dass es Egon Bahr gewesen ist, der noch vor der Wiedervereinigung von der Wiedervereinigung als der Lebenslüge des deutschen Volkes gesprochen hat. Vergessen Sie das nie!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Unter ungleich anderen Voraussetzungen, Herr von Storch. Unter ungleich anderen Voraussetzungen.)

Darüber könnten wir gern noch mal diskutieren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, das dürfen Sie hier nicht behaupten, so einen Schwachsinn! – Glocke der Präsidentin)

Das ist ein Originalzitat!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich wieder etwas zu beruhigen

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jetzt vergessen die alles. – Michael Roolf, FDP: Jetzt sind die Sozis getroffen, genau da.)

und den Redner hier seinen Vortrag beenden zu lassen. Danach haben auch noch die anderen Fraktionen Gelegenheit, sich hier zu Wort zu melden.

Meine Kolleginnen und Kollegen, die Unumkehrbarkeit der Enteignungen

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

ist in Ziffer 1 der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Staaten vom 15. Juli 1990 festgeschrieben.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Da heißt es: „Die Enteignungen“ …

Herr Kollege Nieszery, ich wäre Ihnen ja verbunden, wenn Sie auch mal zuhören könnten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann müssen Sie das vielleicht auch mal Ihrem Kollegen Herrn Glawe erklären! – Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Toralf Schnur, FDP)

Ja, das können Sie später machen. Das gehört nicht hierher.

„Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher … Grundlage“, so heißt es in der Gemeinsamen Erklärung,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vielleicht müssen Sie sich mal ein bisschen zusammenreißen mit dem, was Sie hier erzählen.)

„sind nicht mehr rückgängig zu machen. Sie“ – die Bundesrepublik Deutschland – „ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß.“ Zitatende.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Diese Gemeinsame Erklärung wurde durch Artikel 41 als Bestandteil des Einigungsvertrages

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

vom 31. August 1990 festgeschrieben.

(Irene Müller, DIE LINKE: Aha, werten Sie mal alles richtig aus!)

Gleichzeitig wurde in Paragraf 1 Absatz 8a des Vermögensgesetzes der Restitutionsausschluss endgültig geregelt.

(Irene Müller, DIE LINKE: Wie viel Geld haben Sie sich denn vorgestellt?)

Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 23. April 1991 den Restitutionsausschluss für verfassungswidrig erklärt.

Meine Kolleginnen und Kollegen, vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklung ist eine Revision der Bodenreform ohnehin ausgeschlossen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Zurufe von Dr. Till Backhaus, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Es gibt zu den Enteignungen in der sowjetischen Zone zwischen 1945 und 1949 unterschiedliche Auffassungen. Damals wurden insgesamt 3,3 Millionen Hektar landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Fläche willkürlich

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Willkürlich!)

und ohne jede Entschädigung enteignet. Unter den enteigneten Landwirtschaftsbetrieben waren allein 4.300 Betriebe, die weniger als 100 Hektar hatten und deshalb grundsätzlich nicht enteignet werden durften. Über die internationalen Vereinbarungen im alliierten Kontrollrat und über die Beschlüsse der Alliierten von Potsdam hat sich die SED damals hinweggesetzt.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Mit den Blockflöten zusammen.)

Meine Kolleginnen und Kollegen, auch in der britischen und amerikanischen Besatzungszone gab es, soweit es die Agrarstruktur ermöglichte, Bodenreformen. In Schleswig-Holstein gab es das sogenannte „30.000-Hektar-Programm“, wo die großen Betriebe Flächen für die Ansiedlung von vertriebenen Siedlern zur Verfügung gestellt haben. Die Bodenreformen im Westen erfolgten allerdings auf rechtsstaatlicher Grundlage

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, ja!)

und in zivilisierter Weise, meine Damen und Herren.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ach so?!)

Ich zitiere den Präsidenten der damaligen Sächsischen Landesverwaltung Fritz Selbmann, der damals sagte: …

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Meine Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, hören Sie gut zu!

… „Wir haben, ich sage es ganz offen, den Kampf um die Enteignung … mit Mitteln und Methoden … der Beobachtung, mit Mitteln der Polizei“, der Gewalt und „der Verhaftung“ durchgeführt. „Das war ein … unterirdischer Kampf, der nur durchgestanden werden konnte, wenn man vom ersten Tage an klipp und klar sagte: Das ist die Aufgabe.“ Zitatende.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, und Sie waren ganz vorne, ne!? Sie waren ganz vorne.)

Die Aufgabe, meine Damen und Herren, die sich damals die SED gestellt hatte, bestand in der Konfessierung von Vermögenswerten aller Art für den Aufbau des Sozialismus in stalinistischer Prägung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da können Sie stolz sein, Herr von Storch. – Raimund Frank Borrmann, NPD: So ist es.)

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Meinung, dass es für Menschen, die das Schicksal der Enteignungen zwischen 1945 und 1949 miterleben mussten, mit der derzeitigen Ausgleichsleistung nach dem EALG in Höhe von etwa drei Prozent vom Verkehrswert keine angemessene Entschädigung gibt.

(Michael Roolf, FDP: Ja. – Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja, das ist ein Hohn!)

Die Leiden, Enteignungen und die Vertreibung, werden mit materiellen Mitteln ohnehin nicht zu kompensieren sein.

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

Von daher halte ich die Möglichkeit – nicht bereits das Ergebnis, Herr Backhaus –, den Betroffenen Grundstücke der öffentlichen Hand zum bevorzugten Erwerb anzubieten, für einen Akt der Gerechtigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)