Protocol of the Session on November 19, 2009

Und sich natürlich drittens, auch das ist angemahnt worden, auf Bundes- und in unserer eigenen landespolitischen Ebene für die Vereinfachung des Verwal

tungsaufwandes bei der Inanspruchnahme von Bundes- und EU-Programmen einzusetzen, ist ebenso etwas, was alle gar nicht für falsch halten.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, die herangezogenen Begründungen Ihrerseits zur Ablehnung unseres Antrages sind ganz schwach und nicht wirklich nachvollziehbar. Von daher verzichtet meine Fraktion auf eine namentliche Abstimmung. Aber vielleicht hätten Sie sich einen Gefallen getan, diesem Antrag ausnahmsweise mal zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Danke schön, Herr Bluhm.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2921 zur Beratung an den Agrarausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion der FDP und Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD abgelehnt.

Ich lasse jetzt in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2921 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2921 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion der NPD und Stimmenthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 32: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Krankenversorgung von Arbeitslosengeld II-Empfängern sicherstellen – auch bei Sanktionen, Drucksache 5/2912.

Antrag der Fraktion der NPD: Krankenversorgung von Arbeitslosengeld II-Empfängern sicherstellen – auch bei Sanktionen – Drucksache 5/2912 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn gegen einen Empfänger von Arbeitslosengeld II eine Sanktion in Höhe von 100 Prozent der Leistungen verhängt wird, zahlt der Leistungsträger keine Krankenversicherungsbeiträge mehr für ihn. Er hat nur noch Anspruch auf eine medizinische Notversorgung. Was heißt das genau?

Ich kannte einmal jemanden, den ich für einen wehleidigen Hypochonder hielt, weil er wegen eines geringen Gewichtsverlustes sofort zum Arzt rannte. Er hatte keine Schmerzen, keine weiteren Beschwerden, eigentlich war alles okay. Er hatte nur ein paar Kilogramm verloren, ohne dass er vorher seine Ernährung geändert oder irgendeine Diät eingehalten hätte oder sonst irgendwas. Darüber wären an sich ja viele froh, abnehmen, ohne irgend

was dafür zu tun, aber der Mann fiel nicht nur einem Arzt auf die Nerven, sondern hintereinander gleich mehreren und gab nicht eher Ruhe, bis alle infrage kommenden Untersuchungen durchgeführt worden waren. Und das Ergebnis war: Magenkrebs im Anfangsstadium.

Obwohl die Erkrankung gerade eben begonnen hatte, musste man ihm einen Teil des Magens entfernen. Und es hat eine Weile gedauert, bis er wieder normal leben konnte.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Hätte er noch ein bisschen gewartet, so hat ihm der Arzt gesagt, der die Diagnose gestellt hat, dann wäre er tot gewesen. Dann wäre es zu spät gewesen, denn ein unerklärlicher Gewichtsverlust gehört in der Tat zu den Warnzeichen von Magenkrebs.

Da stellt sich die Frage, ob man ihn auch behandelt hätte, wenn er Hartz-IV-Empfänger mit einer Nullsanktion gewesen wäre. Ist das ein medizinischer Notfall, wenn einer in die Praxis kommt und erklärt, ich habe in den letzten Wochen zwei Kilo verloren, aber akute Schmerzen habe ich nicht, Beschwerden habe ich nicht, eigentlich geht‘s mir gut, es ist nur ein unerklärlicher Gewichtsverlust? – Wohl nicht.

Ich habe ein wenig im Internet recherchiert und dort auf mehreren Seiten die Definition eines medizinischen Notfalls gefunden. Ein solcher liegt dann vor, wenn das Leben eines Menschen unmittelbar gefährdet ist. Das kann durch einen Unfall ebenso der Fall sein, ein sogenannter interner Notfall. Damit sind lebensbedrohliche Erkrankungen des Herzens wie ein Kreislaufstillstand ebenso gemeint wie Blutzuckerentgleisungen, Schlaganfälle oder schwere Asthmaanfälle. Zu Notfällen zählen weiterhin Vergiftungen, schwere Stürze mit Knochenbrüchen, Verbrennungen und Verätzungen sowie schwere Schnittverletzungen, also, kurz gesagt, alles Akute und Lebensbedrohliche. Es müssen die sogenannten Vitalparameter gestört sein, und zwar erheblich: Bewusstsein, Atmung, Kreislauf, Wasser-Elektrolyt-Haushalt, Säure-Basen-Haushalt, Temperaturhaushalt.

An einem Gewichtsverlust ist nichts akut Bedrohliches, das kann alle möglichen Ursachen haben. Der Patient wird also keine Behandlung und keine Untersuchung bekommen, und zwar für die gesamte Dauer der Sanktion. Das sind drei Monate. Ob man bei den ersten Symptomen von Magenkrebs sofort zum Arzt geht oder erst nach drei Monaten, kann entscheidend sein für die Schwere des Krankheitsverlaufes und sogar eine Sache von Leben und Tod sein.

Auch andere ernsthafte Erkrankungen kündigen sich eher harmlos an, Darmkrebs etwa nur durch Übelkeit und Völlegefühl oder mangelnden Appetit, Bronchitis, Lungenentzündung nur durch andauernden Husten, der gar nicht so schlimm sein muss, der aber einfach nicht weggeht, ein Schlaganfall dann nur durch Kopfweh, Schwindel oder Schluckauf, Diabetes nur durch Hautkribbeln oder Kopfweh, Parkinson oder Multiple Sklerose nur durch ein kleines Taubheitsgefühl in den Händen, alles nicht notfallverdächtig, alles nicht so dramatisch. Bei Darmkrebs wird sogar darauf hingewiesen, dass die ersten Stadien des Verlaufs sich vollkommen unbemerkt vollziehen. Die ersten Symptome zeigen nicht etwa an, dass es anfängt, sondern dass die Krankheit schon weit fortgeschritten ist.

Ständig predigen die Ärzte und auch die Gesundheitspolitiker, man solle nicht allzu lange herumtrödeln und sich stattdessen sofort in Behandlung begeben, wenn Beschwerden auftreten, die ernsthafte Erkrankungen ankündigen könnten. Lieber dreimal falscher Alarm als einmal zu lange gezögert, sagen einem die Ärzte. Aber gleichzeitig schließt die sogenannte Sozialpolitik alle Hartz-IV-Empfänger mit 100-prozentigen Sanktionen nicht nur von Vorsorgeuntersuchungen aus, sondern auch von allen anderen Behandlungen, die sich nicht auf akute Notfälle beziehen. Zwar besteht die Krankenversicherung noch fort, wenn der Betreffende wenigstens Lebensmittelgutscheine erhält. Die muss die Behörde ihm aber nicht geben. Das kann sie lediglich nach dem Gesetzestext, wenn sie das will. Und sie soll es, wenn Kinder in einer Bedarfsgemeinschaft betroffen sind, aber von „müssen“ ist nicht die Rede.

Die Betroffenen könnten vielleicht noch Krankenhilfe nach dem SGB XII beantragen, es ist aber umstritten, ob sanktionierte Arbeitslosengeld-II-Bezieher darauf wirklich Anspruch haben. Bis das durchgeklagt ist, ist die Sanktion im Zweifelsfall schon wieder vorbei. Besser wäre eine Gesetzesänderung, die auch nicht so furchtbar teuer wäre, denn so viele hundertprozentige Leistungskürzungen ohne Lebensmittelgutscheine gibt es nicht.

Im Prinzip ist zwar nichts dagegen zu sagen, dass Fehlverhalten Sanktionen nach sich zieht. Es wäre aber schön, wenn das nicht nur für Hartz-IV-Empfänger gelten würde, sondern auch für Pleitemanager und Spekulanten. Aber wenn jemand wirklich zumutbare Arbeit ablehnt, sind Konsequenzen nicht zu vermeiden. Schön, aber die Todesstrafe ist doch ein klein wenig hart. Darauf läuft eine Verzögerung der ärztlichen Untersuchung um mehrere Monate bei ersten Warnzeichen, die etwa auf möglichen Magenkrebs hinweisen könnten, hinaus, wenn es denn wirklich Magenkrebs ist. Herr Lafontaine hat Glück, dass er kein Hartz-IV-Empfänger ist mit Sanktionen, sonst hätte er nämlich keine Vorsorgeuntersuchung gehabt und wüsste heute noch nicht, dass er Krebs hat. So hat er wenigstens eine Chance.

Es ist auch sehr eigenartig, dass Strafgefangene in dieser Hinsicht besser behandelt werden als Hartz-IVEmpfänger mit Sanktionen. Im Strafvollzugsgesetz findet sich keine Bestimmung, wonach ein Häftling nur eine medizinische Notfallversorgung erhielte. Im Gegenteil, da ist geregelt, dass ein Gefangener, der eine Notfallbehandlung verweigert, dazu gezwungen werden kann. Zwar steht einem Häftling keine freie Arztwahl zu, aber wenn er eine ärztliche Untersuchung erbittet, weil er an sich Warnzeichen, Symptome für Krebs oder einen Schlaganfall zu entdecken glaubt, dann kriegt er die auch, selbst ein Serienkiller bekommt die. Und Sie wollen einen Arbeitslosengeld-II-Empfänger schlechter behandeln, wenn der dreimal eine Arbeitsgelegenheit ausgeschlagen haben sollte, als einen, der drei Morde begangen hat. Was sind denn das für Maßstäbe? Wo bleibt da Artikel 1 Grundgesetz: „Die Menschenwürde ist unantastbar“? Ich bin mal gespannt auf die Erklärung dafür. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke, Herr Andrejewski.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen

Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Müller von der Fraktion DIE LINKE.

Werte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren der demokratischen Fraktionen!

(Michael Andrejewski, NPD: Da schließen Sie Ihre Fraktion mit aus.)

Da kommt uns also wieder mal die NPD daher mit einem Antrag, wo mit Verlaub gesagt, Herr Andrejewski, ich viele Redemodule gefunden habe, die Sie schon mal verwendet haben. Sie sollten mal Ihren Computer begucken und was Neues suchen.

Die NPD kommt daher als Retter der Nation, indem alle möglichen Veröffentlichungen aus Zeitungen aneinandergereiht werden, umso schlimmer, umso besser, umso tiefer das herzergreifend ist, umso besser,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ich wusste gar nicht, dass Sie herzlos sind, Frau Müller.)

und dann noch mal gleich der Schwung dahin, dass man vielleicht auch auf eine andere Art und Weise Menschen gegeneinander ausspielen könnte, Menschen mehr oder minder bewerten wie zum Beispiel Arbeitslosengeld-IIEmpfänger und Strafgefangene, ein beliebtes Thema.

Die demokratischen Fraktionen wissen, dass wir seit dem Jahre 2005 das SGB II als neues SGB II haben. Es wurde so gestaltet, dass das Arbeitslosengeld II dabei herauskam, dass Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengeführt wurden. Es waren eigentlich alle dafür, dass das Geld aus einer Hand kommt und demzufolge bestimmte Dinge auch vereinfacht werden. Die Regelungen sind zusammengefasst, Sonderregelungen sind abgeschafft worden, es sind Zusätze gemacht worden, es sind andere Dinge pauschalisiert worden, das möchte ich hier nicht weiter ausführen. Es sind sich alle eigentlich immer darüber klar gewesen, Herr Andrejewski, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Menschenwürde ist unantastbar“, natürlich nicht angetastet werden darf.

(Michael Andrejewski, NPD: Ist aber.)

Die Fraktionen, so, wie sie hier im Haus sitzen als demokratische Fraktionen sowie im Bundestag, haben unterschiedliche Sichtweisen auf Hartz IV, auf Arbeitslosengeld II.

(Stefan Köster, NPD: Seit wann kann denn eine Marxistin Demokratin sein?)

Ja, schon immer.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Das ist wahr.

Aber da wir jetzt das Grundgesetz akzeptieren und daher auch diesen Artikel 1 akzeptieren, sind auch immer wieder Aktivitäten gekommen, um bestimmte Lücken im Gesetz, bestimmte Dinge, die einfach nicht zusammenpassen, richtig zu gestalten. Ich will auf die einzelnen Veränderungen der Regelungen nicht weiter eingehen. Aber vielleicht ist es Ihnen ja tatsächlich vollkommen entgangen, dass es zum Beispiel zum Paragrafen 31, den von Ihnen angemerkten Sanktionsparagrafen, intensivstes Arbeiten gab, intensivstes Arbeiten auf breitester Basis.

(Michael Andrejewski, NPD: Ohne Ergebnis, leider.)

So gibt es ein Sanktionsmoratorium, und weil Sie gerade sagen, ohne Ergebnisse, sage ich dazu, mit dem Ergebnis, dass ab dem 13. Oktober dieses Jahres Sanktionen ausgesetzt wurden, um zu gucken, was da alles passiert und nicht passiert und demzufolge gegen die Menschenrechte ist, gegen die Menschenwürde ist,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

denn die demokratischen Fraktionen wissen, dass der Mensch ein Grundrecht auf Ernährung, auf Wohnung, auf ärztliche Betreuung hat, dahin gehend das Sanktionsmoratorium, dass alle bis dahin ausgesprochenen Sanktionen noch mal kontrolliert werden, wenn es sein muss, auch revidiert werden, und dahin gehend, dass man sich ausgesprochen hat, dass dieses Sanktionsmoratorium nicht in absehbarer Zeit zu Ende sein soll, sondern weitergeführt sein soll, solange wir noch keine dementsprechenden Paragrafen haben, die die Menschenwürde tatsächlich jedem zugänglich machen.

Wenn wir uns den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP anschauen und da mal auf die Seite 77 gehen, können wir unter der Rubrik „Wachstum, Bildung und Zugang“ genau feststellen, was gemeint ist. Und zwar wollen die drei Parteien mit dem Koalitionsprogramm untermauern, dass sie dafür sorgen werden, dass Menschen nach wie vor den Zugang zu ärztlicher Versorgung, zu Medizin, zu Forschung und Entwicklungsmedizin haben, unabhängig – und da sollten sie mal nachlesen, die Herren von der Fensterfront – von ihrer sozialen Herkunft, von ihrer Rasse, von ihrem Risiko, was sie gegenüber ärztlicher Versorgung haben, von ihrer Geschlechtlichkeit.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Von ihrer Staatsangehörigkeit.)

Ja, meine Herren, natürlich steht da nicht drin, dass das nur für Deutsche gilt.