Protocol of the Session on September 25, 2009

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Zukunft ländlicher Räume in MecklenburgVorpommern sichern“ – ich glaube, es gibt keinen hier im Saal, der diesen Satz nicht unterschreiben würde. Doch wir unterscheiden uns. Während wir sagen, dass es die Grundphilosophie unseres politischen Handelns schon über viele Jahre gibt, mit vielen Konzepten, die verstetigt worden sind, die mit neuen operationellen Programmen stets wieder untersetzt wurden, vermitteln Sie, liebe Kollegen von der LINKE-Fraktion, den Eindruck, als wenn Sie die Regierung zum Handeln auffordern müssten.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Aber nein, wir wollen nur dem Minister den Rücken stärken, so, wie Sie das immer machen. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank für diesen Ansatz, Herr Methling. Ich weiß, dass Sie das schwer haben mit mir.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Unerhört ist das. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Aber jetzt zum Antrag. Mit diesem Antrag fordert die Fraktion DIE LINKE die Landesregierung auf, zu zwei Bundesprojekten in Mecklenburg-Vorpommern zu berichten und sie zu bewerten.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Etwas versteckt stehen aber unter den Termini „Verstetigung der Ergebnisse und … Erhalt der Netzwerke“ auch finanzielle Forderungen im Raum.

Aber zu den Projekten im Einzelnen. Mit Ihrem Berichtsersuchen zum Bundeswettbewerb „Regionen Aktiv“ haben Sie sich aus meiner Sicht an den falschen Adressaten gewandt. Der Bundeswettbewerb wurde im Jahr 2002 vom BMELV initiiert. Unser Land war weder konzeptionell noch in die Entscheidungsfindung der Jury eingebunden. Der Minister hat darüber berichtet. Die beiden beteiligten Regionen aus Mecklenburg-Vorpommern – Odermündung und Mecklenburgische Seenplatte – wurden direkt vom Bund finanziert und ohne Landesbeteiligung gesteuert. Der Einsatz der Fördermittel wurde, wie der Minister bereits berichtete, unkoordiniert zu bestehenden Verwaltungs- und Förderstrukturen des Landes von den Modellregionen selbst bestimmt. Ich empfehle daher, entsprechende Fragen an die Akteure vor Ort zu richten. Ich muss unterstreichen, ich kenne viele dieser Akteure. Ich bin aus der Mecklenburger Seenplatte …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Frau Schildt, ich bin so tief enttäuscht, ich bin zutiefst enttäuscht.)

Das können wir hinterher auswerten.

Aber ich kenne viele Akteure …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das macht auch nichts, wenn Herr Holter mal enttäuscht ist. Damit können wir gut leben.)

Das muss er ertragen.

Ich kenne viele Akteure, ich weiß, dass Netzwerke entstanden sind, die sich auch nach Ablauf dieses Programms weitertragen werden.

Anders ist das Modellvorhaben „Demografischer Wandel – Region schafft Zukunft“ mit der Modellregion Stettiner Haff zu bewerten. Das Land ist unter Mitwirkung von Staatskanzlei, Finanzministerium, dem Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung, dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Soziales und Gesundheit an Einzelprojekten des Modellvorhabens beteiligt. Das ist positiv.

Und, meine Damen und Herren, frei nach Rio Reiser, „das alles und noch viel mehr“ ist bereits

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Regine Lück „Demografieprojekte in der Modellregion Stettiner Haff und Mecklenburg-Vorpommern“ vom 10.08.2009 nachzulesen. Kurz und gut, dieses Modellprojekt wird von der Landesregierung positiv bewertet und wird als grundsätzlich geeignet angesehen, einen wirksamen Beitrag für die Verbesserung der Zukunftschancen in der Modellregion zu leisten.

Die Landesregierung will weiterhin die Förderung von Einzelmaßnahmen im Rahmen der gegebenen Förderkulisse unbürokratisch unterstützen. Für das Land ist im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum der LEADER, Verbindung zwischen Akteuren zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft, der Schwerpunkt. Hier werden zwischen 2007 und 2013 Fördermittel in Höhe von 71,3 Millionen Euro im Sinne von Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Teilhabe der Region durch 13 Lokale Aktionsgruppen in Bereichen wie Infrastruktur, Ortslagenentwicklung, Tourismus sowie Entwicklung des Wirtschafts- und Lebensraums mit eigenstän

digen Strategien und eigenständigen Entscheidungen eingesetzt. Jeder von uns, der im ländlichen Raum zu Hause ist, kennt seine Aktionsgruppen – und wenn noch nicht, bitte damit befassen. Ich halte es für wichtig, dass diese Aktionsgruppen ihre Ergebnisse auch einander vorstellen, dass die Ergebnisse positiver Netzwerke auch woanders als Ideen aufgenommen werden können. Das ist Ziel solcher Modellprojekte.

Punkt 2 Ihres Antrages, meine Damen und Herren von der LINKEN, ist geeignet, Verwirrung zu stiften. Was meinen Sie denn? Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland? Oder stellen Sie auf die demografische Entwicklung und die damit verbundenen Veränderungen der Lebensverhältnisse innerhalb von Mecklenburg-Vorpommern ab? Im Kontext mit der Überschrift Ihres Antrages unterstelle ich den Landesbezug.

Zur konzeptionellen Arbeit am Thema „demografischer Wandel“ muss uns DIE LINKE allerdings nicht erst auffordern. Bereits 2007 hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz das Strategiepapier „Land hat Zukunft – Mecklenburg-Vorpommern 2020“ mit „Entwicklungstrends und Visionen für die ländlichen Räume“ vorgestellt, nicht nur uns, sondern, wie er es beschrieben hat, auch in drei Regionalkonferenzen. Die Fachpolitiker waren zugegen und nicht nur wir, sondern ganz viele Akteure, Verantwortliche aus kommunalen Gremien wie auch Bürger, die interessiert sind, Büros, die interessiert sind an der Entwicklung von Konzeptionen für die Regionen. Das ist sehr positiv aufgenommen und angenommen worden.

Aber vor dem Hintergrund, dass gerade MecklenburgVorpommern vor besonders großen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel steht, ist das Thema Demografie für die Landesregierung eine Querschnittsaufgabe. Unter Federführung der Staatskanzlei wurde daher in diesem Jahr eine interministerielle Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“ eingerichtet. Auch darüber hat der Minister bereits berichtet. Das brauche ich nicht mehr auszuführen. Es ist also auf einen guten Weg gebracht und wir sollten uns damit befassen, das ist richtig, wie zu gegebener Zeit die Ergebnisse aussehen.

Lassen Sie mich aber noch ein paar Anmerkungen zu dem von Ihnen gewählten Begriff der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse machen. Möglicherweise soll damit in den Köpfen der Menschen die Illusion der Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse erzeugt werden.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Im Gegenteil.)

Das geht jedoch an der Lebenswirklichkeit vorbei.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Also Ihre Argumentation ist abwegig. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Wenn das so ist, Herr Holter, dann werde ich das auch nicht weiter ausführen. Wenn Sie mit mir einer Meinung sind, dass man Lebensverhältnisse vor Ort mit den Gegebenheiten, mit den Besonderheiten gestalten muss, dann brauchen wir hierüber nicht weiter zu sprechen, dann ist das eine Auslegungsfrage.

Ich meine, wir sollten uns im Ausschuss mit konkreten Projekten, die wir im Rahmen unseres Instrumentenkastens leben,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

wirklich leben, befassen, Akteure hören, aber nicht in der Form, wie es in diesem Antrag formuliert wird, und auch nicht so, wie es der FDP-Antrag versucht zu korrigieren. Wir müssen Ihren Antrag an dieser Stelle in der Form ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es.)

Danke schön, Frau Schildt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borrmann von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Ich möchte mich dem Thema zunächst mit einem Gleichnis nähern. Stellen wir uns den Abend des 14. April 1912 vor. Es ist 23.30 Uhr. Der Boden ist leicht geneigt. Wir befinden uns an Bord eines großen, luxuriösen Linienschiffes, das soeben einen Eisberg gerammt hat. Die Schotten brechen eines nach dem anderen weg, die untersten Decks stehen bereits unter Wasser. Die Unterschichten versuchen, sich vor den Fluten zu retten, und saufen von Panik ergriffen ab.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Eine Bordkapelle spielt auf. Leider gibt es einzelne Misstöne. Auch Musiker sind zu Tode geängstigte Seelen. Da kommt einer der Offiziere auf die Idee, einen Wettbewerb zu veranstalten: Die Kapellmitglieder, die fehlerfrei „Gott schütze den König“ spielen können, dürfen in Zukunft am Londoner Philharmonischen Orchester musizieren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na, dann schreiben Sie doch Kinderbücher. Was hält Sie davon ab? – Irene Müller, DIE LINKE: Schreiben Sie doch Märchen!)

Die noblen Passagiere der ersten Klasse sind begeistert: Die Zukunft der Provinzmusik im Lande ist gesichert!

(Dr. Harald Ringstorff, SPD: Kommen Sie zur Sache!)

Endlich eine Ablenkung von der schnöden Untergangsperspektive: „Trotz ertrinkender Schiffsbesatzung – Eisbergkollision schafft Zukunft.“

Dies ist das Gleichnis, zu dem uns DIE LINKE durch ihren Antrag inspiriert. Unser Land befindet sich im Untergang.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das sagen Sie. Das ist doch gar nicht wahr.)

Die Wende ist der Eisberg, auf den wir aufliefen. Oben lockte uns die Glitzerwelt der eisig en Oberschicht, die sich über Wasser hält, indem sie – soziale Gerechtigkeit hin oder her – neun Zehntel unter die Wasseroberfläche drückt. Seit 20 Jahren verlassen viele der Besten, Gebildetsten und Überlebensfähigsten dieses einst so stolze Schiff Mecklenburg-Vorpommern.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Und die früheren Offiziere, die diesen Kahn auf diese Eiswand getrieben und leckschlagen lassen haben, die verdingen sich jetzt als Lakaien der neuen Schiffsführung und erklären genau das Gegenteil von dem, was sie früher von sich gaben.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Die Landesregierung soll, so schmeicheln sie honigsüß, über die Umsetzung zweier Bundeswettbewerbe berichten, zweier Wettbewerbe, die schon in ihrer Zielrichtung mehr einer Protokollfassade, einem sogenannten Potemkinschen Dorf gleichen als einer Avantgardebewegung, an der sich andere zur Nachahmung orientieren können.

„Regionen Aktiv“ unterstellt ein Subjekt, das es so gar nicht gibt, denn die BRD gliedert sich in Länder, Kreise und Gemeinden. Region im Sinne eines Landschaftsgaus ist aber kein eigentliches Berichtsobjekt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Landschaftsgau?!)