Protocol of the Session on June 18, 2009

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Reichlich spät.)

Die dauertiefsten Milchpreise, die wir zu verzeichnen haben, sind von keinem Betrieb, egal welcher Größe und welcher Leistungskraft,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

in Deutschland ohne erhebliche Verluste zu kompensieren. Den Milcherzeugern, insbesondere in MecklenburgVorpommern, fehlen quasi ein Drittel beziehungsweise die Hälfte der Einnahmen.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz)

Für Mecklenburg-Vorpommern wird das bedeuten, dass wir bis zu 200 Millionen Euro allein in diesem Jahr an Mindereinnahmen haben werden. Es ist zu viel Milch am Markt, das wissen alle, und alle schauen zu. Aber die Kühe in Deutschland, in Europa oder auch in Mecklenburg-Vorpommern lassen sich eben nicht in Kurzarbeit schicken.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Da steht an jedem Euter: Heute Kurzarbeit!)

Es gibt auch noch eine andere Alternative, und zwar mit der Produktion aufzuhören. Und man muss auch erkennen, dass die Landwirte selber – und das ist auch das, was Sie an Hinweisen auch immer wieder geben müssen, ich hoffe, dass sich die demokratischen Parteien darüber einig sind –, insbesondere die mit ihren genossenschaftlichen Strukturen, zurzeit quasi dabei sind, sich selber kaputtzumachen. Und das muss ein Ende haben.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Tja, das System auch.)

„Banken haben Schwein gehabt. Bauern haben den Salat.“ Dieser Spruch aufgesprüht auf den Rücken einer Zuchtsau vor dem Brandenburger Tor in der vorletzten Woche drückt wohl am deutlichsten aus, worum es hier eigentlich geht.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das ist eine riesige Schweinerei!)

Wenn man das Gejammer von Milliardären oder auch die horrenden Abfindungen von Bankrotteuren oder das Hecheln nach Staatshilfen der Großkonzerne sieht,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

dann habe ich ein hohes und großes Verständnis für die Wut und für die Entwicklung,

(Michael Andrejewski, NPD: Die alle von der SPD gehätschelt wurden. – Raimund Frank Borrmann, NPD: Steinbrück ist doch SPD-Minister.)

die die Landwirte hier vom Zaun brechen.

Die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern oder auch in Deutschland, die die Grundlage für unsere gute Ernährung und Arbeit in den Dörfern sowie gepflegte Land

schaften schaffen, treibt die Angst um ihre Existenz um, die Verzweiflung über Dumpingpreise und die Forderungen an die Politik. Damit gehen sie auf die Straße, statt auf die Felder. Ich habe dafür auch großes Verständnis.

Andrerseits braucht man nur in den aktuellen Agrarbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu schauen, um zu erkennen, dass im Übrigen noch vor zwei Jahren die Landwirtschaft zu einer der marktwirtschaftlichen Ausrichtungen und zu den Gewinnern in dieser Entwicklung gehörte. Ja, auch die Landwirte hier in MecklenburgVorpommern profitierten von der Gesamtentwicklung der gesamten deutschen oder auch der Weltwirtschaft, nämlich von der Liberalisierung der Agrarmärkte, von denen der eine oder andere nichts mehr hören will, oder auch von der Zunahme des Wohlstandes und der Kaufkraft in den Schwellenländern, insbesondere in Indien oder China – auch das gehört zur Wahrheit, sehr geehrter Herr Professor Tack –

(Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Ja.)

oder auch der spekulativen Börsennotierung für Getreide oder andere Agrarprodukte. Dass sich der eine oder andere Landwirt im Übrigen auch in unserem Bundesland verzockt hat, werden wir nicht durch ein von Ihnen gefordertes Sozialhilfeprogramm für die Landwirtschaft unterstützen können.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Den meinen wir auch nicht.)

Gut, wenn Sie die nicht meinen, dann sind wir uns ja zumindest darin schon mal einig.

Aus der Landwirtschaft selbst, auch von Ihnen und ebenso von mir, das will ich gar nicht in Abrede stellen, wurde der Ruf immer deutlicher nach weniger staatlicher Einflussnahme, um den Preis möglichst an den Märkten erzielen zu können. Ende einer Quotenregelung, auch das war die Forderung. Und ich stehe und bleibe bei der Forderung, die Quote abzuschaffen, und zwar insbesondere die Milchquote, aber auch alle anderen Quoten und Plafonds abzuschaffen, um die unternehmerische Freiheit zu entwickeln, um damit die Landwirtschaft auf die Märkte, die nationalen und internationalen Märkte, auch eingehen lassen zu können.

(Ute Schildt, SPD: Richtig, das wollen wir nicht vergessen.)

Das Einkommen der Landwirtschaft, der Haupterwerbsbetriebe, wuchs im Wirtschaftsjahr 2007/2008 in Mecklenburg-Vorpommern um 30 Prozent, meine Damen und Herren. Wir hatten den höchsten tatsächlichen Umsatz je Arbeitskraft, nämlich 42.000 Euro je Arbeitskraft in Deutschland. Die ausgezeichnete Wettbewerbsposition spiegelte sich auch im zweithöchsten Arbeitsproduktivitätsspektrum aller Bundesländer wider. Mit fast 30.000 Euro je Erwerbstätigem lag diese Kennziffer im Übrigen 27,7 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Bei geradezu allen Erträgen und Leistungen bestimmen die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern das bundesdeutsche Spitzenniveau. Das sind auch Fakten, die wir nicht kleinreden sollten, nein, die auch weiter zu einer Motivation unserer Landwirte führen sollten, nämlich weiterzumachen und durchzuhalten. Und wir werden sie dabei unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung nimmt die äußerst kritische Lage vieler Landwirtschaftsbetriebe sehr ernst. Wir werden helfen und wir helfen bereits. Dazu komme ich im Übrigen auch gleich.

Dennoch will ich hier ausdrücklich noch ein paar Punkte nennen, die mir außerordentlich wichtig sind:

Erstens. Die Krise wird nicht das Ende der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern bedeuten.

Zweitens. Derzeit liegen weder den landwirtschaftlichen Beratungsunternehmen noch den berufsständischen Interessenvertretungen und Verbänden oder der Agrarverwaltung belastbare Kennzeichen und Erkenntnisse von Betriebsaufgaben oder Insolvenzen in Größenordnungen vor. Das bewerte ich im Übrigen nach wie vor als positiv.

Drittens. Wer, wenn nicht die Betriebe in MecklenburgVorpommern mit ihrem Know-how, ihrer Größe und der Spezialisierung, soll denn die Krise überhaupt überstehen? Meine Überzeugung ist, dass unsere Landwirtschaft gestärkt aus der Rezession hervorgehen kann und hervorgehen wird.

Viertens. Es kommt jetzt darauf an, die Liquidität solcher Unternehmen zu sichern, die grundsätzlich auch auf dem Weg der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung lebensfähig und wettbewerbsfähig sein werden und damit auch dazu beitragen werden, dass wir eine Branche unterstützen, aber nicht nur auf Kosten des Steuerzahlers, weil letzten Endes Bürgschaften oder Sonderdarlehen von uns auch irgendwann wieder zurückvergütet werden müssen.

Fünftens. Die wirtschaftliche Lage ist Anlass zum politischen Handeln. Ich denke, das habe ich auch schon deutlich gemacht. Die Krise ist nicht dazu angetan, parteipolitische Süppchen auf dem Herd aufzuwärmen.

Wenn ich den Antrag jetzt vor mir liegen habe, ich will auch auf den Gentechnikantrag eingehen, dann muss ich schon sagen …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Der Gentechnikantrag war nicht von uns.)

Nein, nein, aber das Abstimmungsverhalten.

Ich habe das als sehr positiv empfunden, was Herr Professor Tack hier gesagt hat, weil es sachlich ausgewogen und in der Sache orientiert war, bis auf einen Punkt. Selbstverständlich sind hier erhebliche europäische Mittel geflossen, das sind Ihre Kolleginnen und Kollegen Wissenschaftler. Ich werde den Redebeitrag noch mal dahingeben, um auch den Wissenschaftlern deutlich zu machen, wie die eine oder andere Haltung ist. Bitte informiert euch doch darüber, denn das sind Mittel, die für die Universität, gerade für unseren Fachbereich, um den ich kämpfe, damit der erhalten bleibt.

Und wenn jetzt wieder so getan wird, dass das alles nicht wahr ist, dass Konzerne oder Unternehmen diese Mittel bereitstellen, dann sage ich Ihnen, es sind Europamittel, Forschungsmittel, es sind Bundesmittel. Und diese Mittel sind von der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen und Biologischen Fakultät in Rostock beantragt worden. Insofern muss man wirklich Wort und Tat und auch das Abstimmungsverhältnis in einen bestimmten Kontext stellen. Ich weiß mich im Übrigen mit Herrn Professor Tack im Wesentlichen einig über diese ganze Geschichte.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das haben wir gestern bei Scandlines gesehen.)

Ich muss hier noch mal zu den wichtigen Aussagen kommen. Ich glaube, wir sollten uns hier einig sein. Die

Sonderagrarministerkonferenz hat im Übrigen entschieden, dass die Entlastung für Agrardiesel kommt. Ich glaube, das ist eine wichtige Entscheidung, denn die Bundesrepublik Deutschland gibt 3,7 Milliarden Euro für die Agrarsozialpolitik aus. Das ist der größte Posten im Agrarhaushalt, darin eingeschlossen sind die Alterssicherung und die Unfall- und Krankenversicherung. Im Falle von Arbeitslosigkeit – ich will auf den Antrag eingehen – haben wir durchgekämpft, dass für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die gleichen Regeln gelten, die für die sonstige Wirtschaft gelten. Ich glaube, das ist eine wichtige Grundaussage.

Die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern erhalten im Jahr 2009 mit den Agrarumweltmaßnahmen 470 Millionen Euro Direktzahlungen der Europäischen Union, die maßgeblich zur betriebswirtschaftlichen Stabilität beitragen. Wie wollen Sie das einer Verkäuferin bei Karstadt in Wismar oder den Werftarbeiterinnen und Werftarbeitern bei Wadan oder einem Handwerker meinetwegen in Rostock oder auch in Demmin erklären, die alle Zukunftsängste haben? Und Sie wollen jetzt noch ein Sondersozialprogramm zur Sonderbehandlung für die Beschäftigten der Landwirtschaft umsetzen und einführen? Ich bitte um Verständnis, dass das in der Form nicht geht.

Jawohl, ich bin mit Brandenburg, mit Mathias Platzeck und auch mit dem Agrarminister, intensiv in Gesprächen. Die Idee, dafür zu sorgen beziehungsweise zu prüfen, ob wir nicht ein Milchausstiegsprogramm auflegen – nämlich Herauskauf der Quote in dieser Phase, und zwar zehn Prozent unter dem Börsenpreis –, stammt im Übrigen aus unserem Land.

Ich werde am Montag einen Antrag in den Bundesrat einbringen, der noch mal den Versuch unternimmt, den Landwirten hier Hilfestellung zu geben, um damit die Bundesregierung wirklich endlich aufzufordern, insbesondere Frau Aigner, zu ihren Worten zu stehen und endlich auch in Brüssel durchzusetzen, dass wir ein Milchbegleitprogramm insgesamt für Europa bekommen.

Deswegen muss ich das abschließend, auch wenn meine rote Lampe hier schon geblinkt hat, kurz zu Ende bringen. Die wesentlichen Bausteine, denn ich kann meine ganze Rede jetzt hier nicht halten, die wir jetzt machen, sind erstens das Vorziehen der Ausgleichszahlungen, der Betriebsprämie zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Und auch da will ich noch mal ausdrücklich sagen, das Vorziehen und die Hilfestellung, was die Bundesregierung hier anbietet, werden wir – das verkünde ich hier heute damit auch – nur für tierhaltende Unternehmen bereitstellen, weil das Geld ansonsten nicht reicht. Es wird in Mecklenburg-Vorpommern nur für tierhaltende Unternehmen diese zinsgünstigen Darlehen geben. Und die Bundesregierung ist ja im Übrigen schon zurückgerudert. Das Geld reicht eben nicht für das Vorziehen der Ausgleichszahlungen.

Ich will alles dafür tun, dass wir Anfang Dezember die 430 Millionen Euro komplett, zu hundert Prozent, auf den Konten der Landwirte haben. Zur Überbrückung werden zinsgünstig verbilligte Liquiditätshilfen der Landwirtschaftlichen Rentenbank für eine Laufzeit von vier Jahren angeboten. Hier bieten wir im Übrigen Unterstützung. Und die Landesregierung gewährt überdies Betrieben in unserem Land beihilfefrei Bürgschaften für Umlaufmittelkredite. Sie wissen, ich habe das zugesagt. Die Richtlinie geht am Montag in den Druck. Ich bestä

tige meine Aussage: „Im Juni ist diese Richtlinie fertig.“ Sie wird dann auch den Zugriff für die Landwirte bekommen.

Viertens. Zum Agrardiesel habe ich schon etwas gesagt.

Fünftens. Ich glaube beim Thema BVVG, das, was wir gestern besprochen haben, es würde die Betriebe deutlich entlasten, wenn die Preistreiberei hier ein Ende hat. Ich glaube, Sie können daran erkennen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir hier alles unternehmen, um dieser so wichtigen Branche der Land- und Ernährungswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern zu helfen. Ich hoffe, wir werden auch diese komplizierte Phase mit einigermaßen guten Ergebnissen überstehen.– Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schlupp für die Fraktion der CDU.