Protocol of the Session on June 18, 2009

Meine Damen und Herren, ich lasse jetzt darüber abstimmen. Wer der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? –

(Udo Pastörs, NPD: Alles klar.)

Die Erweiterung der Tagesordnung ist bei Zustimmung der Fraktion der NPD sowie Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP abgelehnt. Eine Zweidrittelmehrheit konnte nicht erreicht werden.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Krisenfolgen für die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern mildern, Drucksache 5/2627.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Krisenfolgen für die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern mildern – Drucksache 5/2627 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Professor Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gerade auch in den letzten zwei Tagen bereits sehr viel darüber gesprochen, die Wirtschafts- und Finanzkrise hat tiefe Furchen, um im Bild zu bleiben, in der Landwirtschaft gezogen. Das haben wir debattiert, und wir greifen hier noch einmal an. Ein Ende und der Umfang der Krisenfolgen lassen sich noch nicht absehen, ein Ende der Krise im landwirtschaftlichen Bereich leider auch nicht. Die Bundesregierung hat es bisher nicht für nötig erachtet, wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Stattdessen flossen Hunderte Milliarden in fragwürdige Bankenstrukturen. Es ist aus unserer Sicht keine Schwarzmalerei, wenn alle Beteiligten beginnen würden, die denkbar schlechteste Marktentwicklung auch für die Landwirtschaft in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Dieses, so meinen auch Experten, würde von Verantwortung zeugen.

Unser Antrag geht von dieser Auffassung aus, teilt also die Sorge um die Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes. Das ist für uns ja eine Einheit. Unter anderem haben wir darauf hingewiesen, dass die Landwirtschaft als Krisenpuffer missbraucht wird. Die Folgen, besonders für die Milchbauern, sind bekannt. Auch der Agrarbericht 2009, der den wirtschaftlichen Verlauf des vergangenen Jahres beschreibt, weist darauf hin. Auf ihrem Marsch nach Brüssel machten die Bauern

es deutlich: Mit 19 Cent Milchpreis und teilweise noch darunter, auch darüber haben wir hier bereits mehrfach debattiert, kann keine nachhaltige Landwirtschaft funktionieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Für viele Milchviehhalter entscheidet sich die Zukunft in diesem Jahr. Ohne eine Besserung der Lage werden spätestens im vierten Quartal dieses Jahres schmerzhafte Entscheidungen zu treffen sein. Ich will hier klarstellen, dass wir nicht gegen Veränderungen sind. Stetige Entwicklungen gehören nun einmal zum Wesen der Landwirtschaft, sonst hätten wir heute keine so hoch entwickelte und weitgehend wettbewerbsfähige Agrarstruktur, wie wir sie in unserem Lande haben. Und darauf, denke ich, sind wir alle sehr stolz.

Wir reden aber heute nicht von solchen normalen Veränderungen, sondern von krisenhaften Verwerfungen. Wir reden heute von Zerstörung der Existenz der bäuerlichen Betriebe, der Vernichtung von Steuergeldern, die als Fördermittel einmal gezahlt wurden, und wir reden von nachhaltigen Schäden für die Entwicklung ländlicher Räume. An dem Punkt unterscheiden sich nun unsere Ansichten von denen der Koalition doch deutlich.

Der Ministerpräsident von Brandenburg Matthias Platzeck hat sich vor wenigen Tagen auf dem Brandenburger Bauerntag für eine – in Anführungsstrichen – Milchrente ausgesprochen. Ausstiegswilligen Milcherzeugern könne bei Aufgabe der Produktion damit eine Entschädigung gewährt werden. Die eingezogene Quote, und das ist die zweite Seite, könnte in die nationale Reserve übernommen und wieder freigegeben werden, wenn dies die Situation am Milchmarkt zulasse. Für angestellte Mitarbeiter in den Betrieben sollten nach seinen Vorstellungen Möglichkeiten für einen sozialverträglichen Übergang in den Ruhestand gefunden werden. Ist dieser Weg nur für Brandenburg richtig? Ich denke, es ist eine Überlegung wert, dass wir darüber auch in unserem Lande Mecklenburg-Vorpommern nachdenken.

Zwischenzeitlich hat es einige Aktivitäten zur Unterstützung der Landwirtschaft und insbesondere der Milchbauern gegeben. Ich meine, es ist dabei doch zu viel Symbolpolitik, die dem Wahlkampf dient, aber keine nachhaltigen Ergebnisse für die Landwirte bringt. Sicherlich werden die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern durch die Dieselsteuermaßnahmen entlastet, doch wann kommt diese Rückerstattung nun wirklich auch bei ihnen an? Außerdem fehlt die wirkliche Reduzierung der Dieselsteuer auf das europäische Niveau. Auch darüber sind wir uns einig. Erst dann kann man von einer wirksamen Senkung der Agrardieselbesteuerung sprechen. Stattdessen ist der jetzige halbherzige Schritt auf nur zwei Jahre befristet worden.

Der Minister hat in einer Presseerklärung hervorgehoben, dass es Veränderungen schon immer gegeben habe,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Was für ein weiser Spruch!)

dass man im Einzelfalle entscheiden müsse, welche Regelungen zu treffen seien. Wir haben es aber hier nicht nur mit Einzelfällen zu tun. Wir stehen vor einem beschleunigten Umbruch, ja, möglicherweise vor der Gefahr der Zerstörung der wettbewerbsfähigen Agrarstrukturen, wie wir hervorgehoben haben. Wir brauchen generelle Lösungen, mit denen der Landwirt seinen

Betrieb durch die raue Krisensee steuern kann. Diese Lösungen sollen natürlich transparent sein, sie sollen Umstrukturierungen ermöglichen, sie sollen Beschäftigung für eine gewisse Zeit sichern und qualifizieren, und sie sollen auch Inhabern die Möglichkeit geben, eventuell in Rente zu gehen. Arbeitskräfte, die heute in der Landwirtschaft qualifiziert und spezialisiert sind, stellen eine gute Basis für die Entwicklung der Landwirtschaft nach der Krise dar.

Unser Agrarausschuss bereiste in der vergangenen Woche die Lettische Republik, um sich über die Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes in einem jungen EU-Land zu informieren. Dort hörte ich unter anderem auch die Auffassung, dass die Krise eine gute Zeit zum Wandel sei, und zwar im positiven Sinne, wie ich das vorher gesagt habe. Ich teile deshalb diese Auffassung, wenn Wandel nicht Zerstörung heißt, sondern Wandel politische Verantwortung und zuverlässige Rahmenbedingungen für diesen Wandel zu schaffen bedeutet.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Meine Damen und Herren, wir haben es nicht mehr mit einfachen Marktveränderungen zu tun. Wir stehen vor tief greifenden Verwerfungen in einer strukturbestimmenden Branche unseres Landes. Auch darüber gibt es weitgehend Einigkeit in diesem Hohen Hause.

Herr Professor Tack, die vereinbarte Einbringungsredezeit ist zu Ende.

Ich komme damit zum Schluss. Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie Ihre Verantwortung für die Zukunft unseres Landes auf dem Gebiet der Agrarwirtschaft wahr und stimmen Sie für generelle transparente und verlässliche Rahmenbedingungen, um die Krisenfolgen für unsere Landwirtschaft zu mildern! – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich diesen Antrag anschaut, und ich werde darauf noch näher eingehen, dann ist es unbestritten, es gibt da überhaupt keinen Zweifel, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise mittlerweile voll und ganz in der Landwirtschaft angekommen ist.

(Ute Schildt, SPD: Das haben wir schon diskutiert.)

Und die Landwirte aus dem Landkreis Ludwigslust, die insbesondere dem BDM angehören, kommen in diesen Minuten in Brüssel an, wo die Regierungschefs der Europäischen Union in den nächsten Tagen beraten werden.

Ich erwarte im Wesentlichen zwei Dinge, die ich hier voranstellen will:

Erstens, dass die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland alles unternimmt – und man sieht es ja auch, wie hoch das Interesse an diesem Thema ist, gestern bei den Werften, da war der Plenarsaal voll,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig, Herr Backhaus.)

und jetzt, wo es darum geht, dass die Branche, die in Deutschland im Übrigen insgesamt 1,7 Millionen Menschen beschäftigt – …

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir sind hier.)

Ja, Sie sind vielleicht da, Frau Borchardt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir sind hier.)

Sie sind ja immer da.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na, sehen Sie mal.)

Aber bei Ihnen fehlt eine ganze Reihe von Leuten.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die sind alle entschuldigt. – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Aber ich will tatsächlich den Schwerpunkt in meiner Aussage jetzt noch einmal treffen:

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Gigantische Leere. – Helmut Holter, DIE LINKE: Wir sind da.)

1,7 Millionen Menschen sind in der Land- und Ernährungswirtschaft beschäftigt und 920.000 Menschen in der Automobilindustrie. Daran kann man auch erkennen, welche Bedeutung tatsächlich die Land- und Ernährungswirtschaft in Deutschland nach wie vor hat. Deswegen erwarte ich von der Bundeskanzlerin, dass sie alles dafür unternimmt, dass die Milchquote erstens um fünf Prozent abgesenkt wird, und zwar europaweit, und zum Zweiten, dass alles dafür getan wird, dass auch die Ausreichung der Quoten, nämlich die Steigerung um fünf Prozent, für die nächsten Jahre in Europa insgesamt ausgesetzt wird.

Ich erwarte, dass wir europaweit – und darüber können wir reden – endlich ein Milchbegleitprogramm bekommen, das seinen Namen verdient. Das wurde uns im Übrigen im Rahmen des Health Checks zugesagt, ist aber nicht erfolgt. Deswegen hoffe ich, dass das gesamte Gewicht der Bundeskanzlerin jetzt genauso wie bei den Banken oder bei Werften oder wo auch immer eingesetzt wird, um dieser wichtigen Branche in Deutschland weiterzuhelfen. Ansonsten werden wir sicherlich im Herbst zu weiteren drastischen Veränderungen kommen.

Die Nachfrage, und auch das wird immer wieder deutlich, nach Butter, nach Käse, nach Getreide, nach Fleisch ist im Zuge der weltweiten Rezession seit einem Jahr – Herr Professor Tack, die Finanzkrise war vor einem Jahr noch nicht zu erkennen, aber wir haben es bereits da schon erkannt – …

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Die war vor zwei Jahren schon da. Die war schon vor Jahren zu erkennen.)

Ja, Sie sind der Oberschlaumeier, aber bewegen werden Sie nichts. Und das ist ja auch gut so.

(Michael Andrejewski, NPD: Sie bewegen alles nach unten.)

Auf jeden Fall ist eins klar: Wir wissen seit über einem Jahr, dass wir diese Entwicklung bekommen werden.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Reichlich spät.)