Protocol of the Session on June 18, 2009

Europa schränke Grundrechte und das Streikrecht ein, ist das, nämlich genau das: unlauter, reiner Populismus ohne Grundlage.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Kennen Sie die Urteile?)

Europa ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte, und das nicht nur als Friedensprojekt in Form der Vergangenheitsbewältigung zwischen den Völkern Europas, sondern auch in der sozialen Sicht. Der Austausch von Waren, Dienstleistungen, Kapital und letztlich auch die Möglichkeit für die Menschen, sich eine berufliche Karriere in ganz Europa aufzubauen, sind von ihrer sozia

len Bedeutung nicht groß genug einzuschätzen. Darüber herrscht auch hier im Landtag Einigkeit. Und da wir an dieser Stelle schon einen Europaabgeordneten hier sitzen haben, gratuliere ich an dieser Stelle auch noch mal in aller Form.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Aber Grundrechte sind grundsätzlich einschränkbar, nämlich dort, wo sie mit anderen Grundrechten konkurrieren. Einen gerechten Ausgleich zu finden, ist Aufgabe von Gerichten auf europäischer Ebene wie des EuGH. Ihre Fundamentalkritik an dessen Arbeit kann ich deshalb absolut nicht nachvollziehen und sie ist zudem auch gefährlich, denn Sie kritisieren ein Rechtsprechungsorgan in seiner Auslegung von Normen, weil Sie Ihre Politik nicht durchsetzen können. Das setzt die Glaubwürdigkeit, die Unabhängigkeit der europäischen Gerichtsbarkeit aufs Spiel.

Meine Damen und Herren, dies ist nicht nur falsch und gefährlich, es ist schlicht nicht Ihr verfassungsmäßiger Auftrag als Abgeordneter. Die soziale Kompetenz Europas wurde im Zuge der Beratung um den Vertrag von Lissabon ausgiebig diskutiert. In vielen Bestimmungen des Vertrages verpflichtet sich die Union der sozialen Marktwirtschaft oder dem sozialen Fortschritt. In Artikel 6 Absatz 1 des Vertrages wird die Grundrechtscharta für rechtsverbindlich erklärt. Dort ist sowohl die Menschenwürde für unantastbar erklärt als auch die Bestimmungen des Titels VII der Charta, das Versammlungsrecht, insbesondere im gewerkschaftlichen Bereich. Hören Sie endlich damit auf, diesen Vertrag als unsozial oder gewerkschaftsfeindlich darzustellen! Das entbehrt jeder Grundlage.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da sind wir nicht allein mit dieser Auffassung, Herr Grabow. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Und was die von Ihnen zitierten Richterentscheidungen betrifft: Europa wurde geschaffen, um Handels-, Dienstleistungs- und sonstige Hemmnisse in Europa abzubauen. Wenn jetzt einzelne Staaten versuchen, auf anderem Wege diese Hemmnisse und Ungleichheiten wiederherzustellen, ist es Aufgabe des Europäischen Gerichtshofes, diesem entgegenzutreten. Denn, meine Damen und Herren, wenn deutsche öffentliche Aufträge nur noch an Gesellschaften gehen dürfen, die in jeder Hinsicht deutsche Tarifverträge einhalten, dann werden damit neue Mauern in Europa errichtet. Und eins sollte uns hier allen im Hause und gerade Ihnen von der LINKEN klar sein, nämlich dass die Zeit von Mauern endgültig vorbei ist. Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Danke, Herr Grabow.

Das Wort hat jetzt der eben genannte Abgeordnete Herr Kuhn von der Fraktion der CDU.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sein letztes Schauspiel.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir nie vorstellen können, wenn ich so 20 Jahre meiner persönlichen Entwicklung Revue passieren lasse, dass ich eines Tages mal in einem Landtag, in Mecklenburg-Vorpommern, zu einem Europathema als Abgeordneter meine letzte Rede

hier in diesem Gremium halten soll. Man sollte nie nie sagen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Beschreien Sie es nicht! Man ist eher zurück, als man glaubt. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ja, Frau Borchardt, Sie sind sehr weise und haben natürlich auch mit Ihrem tollen Antrag das Verständnis für die Europäische Union und für den europäischen Gedanken in Mecklenburg-Vorpommern in besonderer Weise befördert. Genau das, was Sie heute hier vorgetragen haben, sollten wir eben nicht tun, wenn wir unsere Bürger dafür begeistern wollen,

(Zurufe von Raimund Frank Borrmann, NPD, und Stefan Köster, NPD)

dass der europäische Gedanke für uns sehr, sehr wichtig ist, dass Völkerverständigung da ist, dass wir die anderen auch akzeptieren, die, die dazugekommen sind, die aus den mittel- und osteuropäischen Ländern,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja.)

die nach dem Vertrag von Nizza

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja.)

aus einer ganz schwierigen wirtschaftlichen Situation kommen und jetzt integriert sind in die Europäische Union.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig, sehr richtig.)

Wenn Sie es nur als Aufgabe betrachten, einen Oppositionsantrag, den Sie im Bundestag in Berlin sozusagen mit Wolkenschieben und mit Verbalgirlanden durchgebracht haben, hier noch mal zu wiederholen und brav abzulesen, muss ich Ihnen sagen, das ist nicht der europäische Gedanke, den wir uns wünschen. Das ist es nicht, was die Menschen von uns erfragen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Die Wahrheit ist konkret, Genosse. Das Wort kennen Sie auch noch.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Die Leute fragen uns nämlich, was tun Sie denn für Mecklenburg-Vorpommern?

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Nichts, gar nichts.)

Was machen Sie denn in so schwierigen Situationen wie mit unserem Schiffbau jetzt zum Beispiel,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

der auch auf einen Rettungsschirm angewiesen ist?

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Wo ist denn der Abgeordnete, der jetzt in Brüssel auch die Interessen Mecklenburg-Vorpommerns vertreten kann?

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Ich bin dankbar dafür, dass mir die Bürgerinnen und Bürger und der Union 200.000 Stimmen gegeben und gesagt haben, jawohl, wir wollen, dass ein Abgeordneter, ein Vertreter aus Mecklenburg-Vorpommern im Europäischen Parlament unsere Interessen vertritt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und von dieser Stelle auch noch mal ein herzliches Dankeschön an alle, die mich dabei unterstützt haben.

(Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Und einfach nur den Konfliktfall herauszuarbeiten,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

der da sagt, die Wirtschaft steht über allem und das ist die Macht des Kapitals … Es ist ein Spannungsfeld,

(Irene Müller, DIE LINKE: Na Gott sei Dank gibt es da die Europäische Linke.)

in dem wir uns befinden, und natürlich stehen Wirtschaft und Sozialpolitik immer unmittelbar miteinander im Zusammenhang. Aber wir dürfen auf keinen Fall vergessen, dass auch in den Ländern der Europäischen Union große Anstrengungen unternommen werden, um soziale Leistungen, um soziale Förderungen auch aus dem Bruttosozialprodukt, aus dem, was erwirtschaftet wird, bereitzustellen. Wenn ich mir die Zahlen anschaue, sind es 35 Prozent der Mittel aus den Staatshaushalten der einzelnen Mitgliedsstaaten, die für Soziales, für Sozialpolitik,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

für unterschiedliche Förderungen und auch Zahlungen derer, die im Wirtschaftsprozess eben keine Chance haben, zur Verfügung gestellt werden. Und das, denke ich, ist auch an dieser Stelle einmal erwähnenswert.

Es ist nicht so, dass die europäischen Mitgliedsländer in keinster Weise Mindeststandards für Sozialpolitik und für Soziales einfordern. Auch hier ist ganz klar bei dem Thema in der EVP-Fraktion, dass soziale Mindeststandards notwendig sind, wenn wir uns gemeinsam entwickeln wollen. Da füge ich immer ein ganz exzellentes Beispiel dazu an. Es nützt doch gar nichts, wenn Volkswagen zum Beispiel in der Slowakei ein großes Automobilwerk baut, wo die Möglichkeiten bestehen, dass man dort den Fox, den Lupo oder vielleicht auch den Golf montiert und wo hervorragend ausgebildete Arbeiter, Slowaken da sind, die dort exzellente Arbeit leisten. Wenn sie nie mit ihrem Lohn selbst dazu in der Lage sein werden, dass sie auch einmal ihr Produkt kaufen können, dann ist was falsch in der Europäischen Union.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach ja? Das ist ja ne Erkenntnis.)

Das, denke ich, ist auch Grundziel aller, dass wir dieses verfolgen können

(Irene Müller, DIE LINKE: Versuchen Sie mal, das Herrn Grabow zu erklären.)