da Sie dazu nichts gesagt haben, will ich mal vorsorglich eines klarstellen, und damit spreche ich, glaube ich, im Namen aller Kolleginnen und Kollegen
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das haben Sie bis jetzt auch ganz gut getan, Herr Dr. Jäger. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
das möchte ich schon klarstellen, meine Damen und Herren: Wir sind sehr froh darüber, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Artikel 1 und 20 mit einer sogenannten Ewigkeitsgarantie ausgestattet haben.
dass die Würde des Menschen unantastbar ist, der muss, diese Grundaussage muss geschützt werden gegen jede Mehrheit, und das Gleiche gilt für die demokratisch-republikanische, föderale Verfasstheit unserer Republik.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)
Meine Damen und Herren, wenn Sie vorschlagen, wenn die NPD-Fraktion vorschlägt, das Grundgesetz abzuschaffen und dafür eine andere Verfassung zur Beschlussfassung zu stellen, dann drängt sich schon der Verdacht auf, Sie wollen diese einzigartige Garantie unterlaufen. Und Ihr Verhalten in offener wie in verdeckter Weise legt diesen Verdacht sehr, sehr nah.
Ich vermute, am meisten stört Sie, dass der Artikel 1 die Würde aller Menschen, also nicht nur der Deutschen, schützt.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Michael Andrejewski, NPD: Der gilt doch gar nicht.)
Meine Damen und Herren, angesichts der Gräueltaten unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, vor allem an Juden, an Sinti und Roma, ist diese Formulierung von den Personen, nämlich den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates, die noch unter dem unmittelbaren Eindruck standen, bewusst so gewählt worden, um nach menschlichem Ermessen eine Wiederholung auszuschließen.
In der Wertehierarchie des Grundgesetzes ist es für die Achtung der Würde eines Menschen nämlich völlig gleich, welche Nationalität, welche Hautfarbe oder welche Religion er hat.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, und darauf sind wir sehr stolz. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)
Das steht natürlich in einem sehr krassen Widerspruch zu Ihrer rechtsextremistischen und, ich meine, auch nur vermeintlich nationalen Ideologie, die Menschen genau wegen dieser Eigenschaften ausgrenzen will. Und die Wahlplakate der NPD im zurückliegenden Kommunal- und Europawahlkampf, wenn es überhaupt nötig gewesen wäre, haben diesen Eindruck sehr bestätigt.
Und nun zu der anderen Bestimmung, die Sie offenbar stört, den Artikel 20. Er begründet eine bundesstaatliche Verfassung. Auch hier kann man eigentlich nur die Weitsicht der Mitglieder des Parlamentarischen Rates bewundern. Er begründet ein Widerstandsrecht aller Deutschen gegenüber jedem, der es unternimmt, die freiheitlich-demokratische Ordnung zu beseitigen.
(Michael Andrejewski, NPD: Das könnte gefährlich werden. – Stefan Köster, NPD: Deswegen sitzen wir ja hier im Parlament. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)
Da Sie immer wieder propagieren, dass das Ihnen verhasste System der freiheitlichen und auf demokratische Toleranz gerichteten Grundordnung beseitigt werden muss …
... und sogar denjenigen, die dafür eintreten, drohen, sie sollten sich mal vorsehen, wenn sich die Verhältnisse in Ihrem Sinne ändern –
(Udo Pastörs, NPD: Klar, wenn demokratische Verhältnisse einkehren, Herr Dr. Jäger. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Stefan Köster, NPD)
ich bin Gegenstand solcher Bedrohungen gewesen, wir alle –, versuchen Sie unter dem Vorwand, es gehe Ihnen um eine höhere Legitimation des Verfassungsrechts, genau diesen Hebel wegzukriegen. Sie wollen eine andere Verfassung.
Sie wollen eine Verfassung nach Ihrem Sinn, nämlich eine Verfassung, die nicht demokratisch ist, die Ihren Vorurteilen untergeordnet ist.
Meine Damen und Herren, das ist es, was wir hier deutlich sagen müssen, es spricht für das Verantwortungsgefühl und fast schon eine seherische Fähigkeit, wenn das Mitglied des Parlamentarischen Rates Carlo Schmid nahezu visionär formulierte,
und ich erlaube mir, das wörtlich zu zitieren: „Demokratie bedeutet mehr als ein Produkt bloßer Zweckmäßigkeitserwägungen. Sie erfordert auch den Mut zur Intole
ranz denen gegenüber, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie selbst umzubringen.“ Meine Damen und Herren, vor der Verantwortung stehen wir heute.