Protocol of the Session on May 14, 2009

Wenn von nazistischer Seite davon gesprochen wird, nicht die Ausländer seien das Problem, sondern nur, wenn sie sich als raumgreifende Gruppen in unserem Land festsetzen würden, oder darauf hingewiesen wird, dass eine derartige – in Anführungszeichen – Überschwemmung Deutschlands mit Ausländern auf die Dauer zu sowohl ethnischen als auch gesellschaftlichen Problemen führen müsse, zeugt auch das von tradierten und damit tief verwurzelten fremdenfeindlichen Auffassungen, die in der NS-Ideologie ihren Ursprung haben.

Natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben es die Herren von der NPD-Fraktion gelernt, mit Ausnahmen, wie wir eben erleben durften, ihre rassistische Grundhaltung zumindest hier im Landtag nicht so nackt und ungeschützt in Anträgen oder Reden zu formulieren. Schließlich haben die demokratischen Fraktionen dieses Landtages die Landesverfassung dahin gehend ergänzt, dass Rassismus verfassungswidrig und entsprechend mit Konsequenzen zu rechnen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Unter dieser Maßgabe sollten wir die Rede von Herrn Pastörs noch einmal prüfen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Für Ihre nunmehrige Attacke, vorgelegt im Antrag, nutzen Sie von der NPD-Fraktion den verurteilungswürdigen Umstand, dass der Flüchtlingsschutz in Italien in den rechten Populismus zu versinken droht.

Nachdem im Dezember 2008 an die 2.000 Flüchtlinge auf der Insel Lampedusa gelandet waren, zielte Italiens Innenminister Maroni auf die populistische Wirkung des Haudrauf. Maroni gehört, wie wir hörten, der Lega Nord – also der extremen Rechten – an, vergleichbar mit der hiesigen NPD. Seine Haltung: Diesem – in Anführungszeichen – Massenansturm müsse Einhalt geboten werden. Keine Rolle spielen für diesen Mann die unhaltbaren Zustände im Lager auf Lampedusa, hoffnungslose Überbelegung, miserable hygienische und andere Lebensbedingungen, die zur Rebellion der Insassinnen und Insassen führten. Sie brachen aus dem bewachten Lager aus und demonstrierten im Dorf. Bemerkenswert, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese Aktion vonseiten der Einheimischen solidarisch unterstützt wurde.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Aber Maroni wie die gesamte Regierung Berlusconi blieben hart. Er versuchte, die bilateralen Abkommen mit Tunesien und Libyen zur Zurücknahme der Flüchtlinge in Gang zu setzen. Erfolgreich wurde im Berlusconi-Land die Angst vor Illegalen medial geschürt. Täglich werden die Themen Migration, Kriminalität sowie Migrantinnen und Migranten und die dadurch angeblich schwindende Sicherheit diskutiert. Der Prozentsatz an durch Ausländerinnen und Ausländer verübten Straftaten sei, so heißt es dort, enorm angestiegen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, andererseits werden die Probleme der Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten weitgehend unter den Teppich gekehrt. Und wenn wie hier von Straftaten die Rede ist, so ist auch immer nach den Normtatbeständen mit Elementen des Verschuldens oder der Vorwerfbarkeit zu fragen, also nach schuldhaften Handlungen, die dem vorausgehen und zu bestimmten Verhaltensweisen führen.

Der NPD allerdings liegt so etwas fern. Jeder, der sich gegen sogenannte Illegale mit Maßnahmen der verschiedensten Art wendet, muss sich zuerst mit Ursachen und daraus resultierenden Tatsachen befassen. Eine Politik, die nur Ergebnisse falscher Weichenstellungen zu ihrem Gegenstand erhebt, ist untragbar. Das gilt für Italien, das gilt für Deutschland, das gilt für die gesamte Europäische Union.

Allein 13.000 Tote wurden im Mittelmeer und im Atlantik vor den Kanarischen Inseln seit 1988 aufgefunden, meine Herren von der NPD. Sie starben auf der Suche nach Überleben und auf der Flucht vor Lebensbedingungen, die durch Freihandel, europäische Agrarsubvention und klimabedingte Katastrophen unerträglich sind. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen kommen auf jeden tot aufgelesenen Bootsflüchtling, darunter immer mehr Frauen und Kinder, noch einmal rund 45 versunkene Leichen. Einer halben Million Toten in seinen südlichen Grenzgewässern zum Trotz bleibt Europa, respektive die EU, seltsam gleichgültig. Unsere Welt tut nur eins: Sie hat ihre Methoden verfeinert. Sie betreibt eine Grenzagentur, mit der sie Wirklichkeit und Not aussperrt. Sie hat Zäune, Mauern und Feindbilder errichtet, damit wir das Elend nicht an uns heranlassen.

Die Menschen, die sich auf der anderen Seite unserer Meere auf die Fahrt in ein besseres Leben wagen, teilen ein Schicksal: In Afrika können sie nicht bleiben, in Europa dürfen sie nicht bleiben. 2008 sind UNO-Schätzungen zufolge mehr als 67.000 Bootsflüchtlinge gelandet. Das sind fast 60 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

UNICEF verwies vor wenigen Tagen darauf, dass Hunger, Konflikte, Dürre und Instabilität eine immer größere Zahl von Kindern in den Staaten am Horn von Afrika bedrohen. Schon jetzt seien circa 20 Millionen Menschen, darunter 4 Millionen Kinder, auf Nothilfe und Lebensmittelversorgung angewiesen.

Wie viel Selbstverschulden tragen diese Menschen für ihre Situation, meine Herren von der NPD-Fraktion? Sie werfen Menschen, die dieser Unmenschlichkeit durch Flucht und Suche nach Alternativen entkommen wollen, vor, dem reichen Norden schaden zu wollen, Europa in schwierige Probleme zu versetzen. Wie schäbig, aber typisch, dass Sie sich nur für die Bewahrung Ihrer reinen Rasse interessieren. Es ist aber das Gleiche, was Sie hier im Landtag immer betreiben. Sie geben vor, sich für den kleinen Mann zu engagieren, in Wirklichkeit ist Ihnen seine soziale Situation vollkommen egal.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon jetzt stirbt alle sechs Sekunden ein Kind an Unterernährung, das sind täglich über 20.000. Der Klimawandel wird Afrikas Ernten in den nächsten Jahrzehnten halbieren und angesichts der Weltfinanzkrise haben IWF und Weltbank dieser Tage vor einer entwicklungspolitischen Katastrophe gewarnt und Hilfen für arme Länder gefordert. Schon bis jetzt hat die Krise mehr als 50 Millionen Menschen zusätzlich in extreme Armut getrieben. Deren Zahl könnte in diesem Jahr auf 90 Millionen steigen, die der Hungernden auf 1 Milliarde. Es scheint festzustehen, dass der Süden die Zeche für eine Krise zahlt, die ausschließlich im Norden produziert wird. Dass es aber auch die IWF-Strukturanpassungsprogramme waren, die den Süden für extreme Krisen extrem verwundbar gemacht haben, wird geflissentlich verschwiegen. Und über ein faires Weltwirtschaftssystem, das den Süden nicht nur zum Rohstofflieferanten degradiert, wird gar nicht erst geredet.

Sie warnen davor, dass illegale Einwanderung Europa vor schwerwiegende Probleme stellen würde. Sie regen sich aber nicht darüber auf, dass sich die Industrienationen einen Lebensstandard gönnen, der durch Überschuldung und Finanzblasen zulasten der Dritten Welt erkauft wird.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Nicht nur der.)

Liebe Kollegen, nur bei offenen Grenzen sehen die Menschen eine Möglichkeit, zu gehen und auch wiederzukommen. Aus historischen Erfahrungen kann man ableiten, dass restriktive Migrationspolitik und dichte Grenzen eher paradox wirken. Wenn Flüchtlinge und Einwanderungswillige erst aufgrund der Perfektionierung der Zugangsverhinderung in die Fänge bestimmter Organisationen geraten, dann kann diese Politik kein Mittel zur Eindämmung unkontrollierter Einwanderung und international organisierter Kriminalität sein, sondern bildet im Gegenteil die Voraussetzung für ihre Entstehung und Ausweitung. Statt also den Straftatbestand illegaler Einwanderung zu schaffen, sind aus diesem Zusammenhang zwischen einer repressiven staatlichen Politik der Migrationskontrolle und der Zunahme irregulärer Einwanderung Schlussfolgerungen für eine den Menschenrechten verpflichtete Migrationspolitik abzuleiten.

Aus dem Dargestellten leitet sich die Notwendigkeit einer Entillegalisierung ab, denn die rechtlose und ungeschützte Lage der auch in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Personen trägt noch zusätzlich dazu bei, dass sie aus ihrem Schicksal eben nicht aussteigen können.

Den Betroffenen, meine Herren von der NPD, stehen Menschenrechte zu, wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Und da Sie in Ihrem Antrag besonders die Schwarzafrikanerinnen und Schwarzafrikaner erwähnen, zum Schluss nur noch dies: Der neueste Stand der Wissenschaft besagt, dass die Wiege der Menschheit vor zweieinhalb Millionen Jahren in Afrika stand. Dort liegt unser gemeinsamer Ursprung, auch der Ihre, auch wenn Ihnen davor regelmäßig gruselt.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Auf nach Afrika!)

Rücken Sie also endlich von Ihrer unhaltbaren und gefährlichen rassistischen Ideologie ab! Eine Zustimmung zu Ihrem Antrag kann und wird es nicht geben. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Vielen Dank, Herr Ritter.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Herr Köster, bitte.

Hier ist noch ein Teil Ihrer Rede, den können Sie sich gleich bitte gerne abholen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Zum Wohle des deutschen Volkes“,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Tragen Sie nichts bei.)

das steht auf unserem Reichstag. Der Herr Ritter möchte gerne in diesen Reichstag rein. Herr Ritter, es wird Zeit, dass Sie endlich einmal zum Wohle des deutschen Volkes auch handeln.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Des Deutschen Bundestages. – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

50 Prozent der Straftaten in Mecklenburg-Vorpommern haben einen internationalen Bezug. Das hat selbst jetzt in dieser Woche das Landeskriminalamt herausgegeben.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Mein Kamerad Müller wird sicherlich nachher noch darauf eingehen.

Ihre Milieutheorie, die Ihnen immer noch im Geiste vorschwebt, ist wissenschaftlich schon längst widerlegt

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das hat damit nichts zu tun.)

und die sollten Sie auch endlich ablegen. Und wenn Sie von Rassismus sprechen, dann muss es ja auf der Welt auch Rassen geben.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und wenn alles gottgegeben ist, dann muss man sich doch darum kümmern, dass das, was Gott gibt, auch erhalten wird.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh! – Dr. Margret Seemann, SPD: So was Primitives!)

Marieluise Beck, die ehemalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, selbst mit grünem Parteibuch, sagte einmal: „In Deutschland leben mittlerweile gut 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.“

(Irene Müller, DIE LINKE: Na und?! – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Wir von der NPD sagen, es reicht, es ist viel zu viel.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Dr. Margret Seemann, SPD: Nur Sie sind zu viel hier.)

Konrad Lorenz sagte einmal,

(Toralf Schnur, FDP: Was sagen Sie denn eigentlich?)

ich zitiere: „Die Grenzen zwischen Kulturen werden unscharf und verschwinden, die ethnischen Gruppen der ganzen Welt sind im Begriffe, zu einer einzigen, die ganze Menschheit umfassenden Kultur zu verschmelzen.“ Darin sieht Lorenz eine vernichtende Wirkung, ein Rückgängigwerden der Menschheitsentwicklung. Und dem schließe ich mich an.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wann hat er denn das geschrieben? Wann hat er das geschrieben? Sagen Sie mal: Wann hat er denn das geschrieben?)

Herr Ritter, Sie sprechen immer von den Grausamkeiten auf der gesamten Welt. Wer ist denn dafür verantwortlich? Es sind Ihre Brüder im Geiste, die Sowjetunion, die Briten, die US-Amerikaner, die die armen Völker der Welt geknechtet haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh! – Irene Müller, DIE LINKE: Nur Sie nicht. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sie sind doch direkt mit dafür verantwortlich, weil Sie diese Ideologie mit unterstützen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gehen Sie mal ein paar Jahre zurück, dann wissen Sie, was Ihre Väter getan haben! – Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)