Protocol of the Session on April 3, 2009

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein Bereich, der unbedingt der bundesweiten Abstimmung bedarf. Das ist bei all diesen Dingen deutlich geworden. Im Juni 2008 wurde deshalb nach umfangreicher Diskussion ein statistisches Abgrenzungsmodell als bundesländerübergreifender Standard für die Kultur- und Kreativwirtschaft beschlossen. Dieses Modell enthält alle relevanten Teilbereiche und umfasst insgesamt elf Teilmärkte, die mit der Wirtschaftszweigklassifizierung vergleichbar sind. Der eine oder andere kennt das. Ich verweise vielleicht

auch hier auf die Drucksache 16/7000 des Deutschen Bundestages.

Zur Kulturwirtschaft zählen neun Teilmärkte: die Musikwirtschaft, der Buchmarkt, der Kunstmarkt, die Filmwirtschaft, die Rundfunkwirtschaft, der Markt für darstellende Kunst, die Designwirtschaft, der Architekturmarkt und der Pressemarkt. Und zur Kreativwirtschaft gehören der Werbemarkt und die Software-Industrie, auch die Game-Industrie und so weiter.

Was besonders wichtig war: Es einigten sich die Beteiligten auf Bundesebene im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz 2008 auf folgende, länderübergreifend einheitliche und europaweit anschlussfähige Definitionen und Abgrenzungen des Begriffs „Kultur- und Kreativwirtschaft“ auf Basis der amtlichen Statistik. Ich zitiere: „Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen.“ Zitatende.

Diese Definition in der Abgrenzung der Kultur- und Kreativwirtschaft durch die Wirtschaftsressorts ist identisch mit der Definition der Enquetekommission des Deutschen Bundestages im Schlussbericht „Kultur in Deutschland“. Auch das ist nachzulesen. Sie ist zugleich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer einheitlichen und damit auch einheitlich erfassbaren Sicht darauf, was Kultur- und Kreativwirtschaft ist und welche Wirtschaftsbereiche demnach für vergleichbare statistische Erhebungen von Belang sind.

Zudem einigten sich 2008, also im letzten Jahr, sieben Bundesländer – Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, SchleswigHolstein und Mecklenburg-Vorpommern – darauf, einen Leitfaden zur Erstellung einer statistischen Datengrundlage für die Kulturwirtschaft und eine länderübergreifende Auswertung kulturwissenschaftlicher Daten und somit eine Orientierungshilfe für alle Bundesländer in Auftrag zu geben. Also dieser Auftrag ist erteilt.

Mit dem oben genannten Ländergutachten aus 2008 wird Mecklenburg-Vorpommern in Kürze ein Leitfaden vorgelegt, der in seiner Struktur als methodische Orientierungshilfe und Praxisbeispiel zur Erschließung und Auswertung der amtlichen Quellen dienen soll. Aktuelle Datenlagen zur Gesamtbranche oder Teilmärkten der Branche lassen sich dann für alle potenziellen Nutzer durch die Auswertung der amtlichen Statistik und anderer Quellen transparenter und kostenneutral organisieren.

Erstmalig hat die Bundesregierung 2008 ein Forschungsgutachten zum Thema „Gesamtwirtschaftliche Perspektiven der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland“ in Auftrag gegeben. Diese Studie wurde im Februar dieses Jahres fertiggestellt und soll laut Bundeswirtschaftsministerium regelmäßig unter Betrachtung aller Teilmärkte, aller Bundesländer und deren spezifischer Profile in der Kultur- und Kreativwirtschaft fortgeschrieben werden und – dies ist ein Teil, den wir sehr begrüßen und unterstützen – auch die Analyse der jeweiligen Länderebenen beinhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, durch den Verzicht auf einen eigenen Länderbericht lassen sich für Mecklenburg-Vorpommern erhebliche finanzielle Mittel in jeweils fünfstelliger Summe einsparen. Für Teilmärkte

wie die Filmwirtschaft oder Rundfunkwirtschaft, Medienwirtschaft, das wissen Sie, liegen Landeskonzeptionen vor oder befinden sich in Erarbeitung.

Mecklenburg-Vorpommern trägt der Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft insofern bereits Rechnung, als dass im Rahmen der zur Verfügung stehenden Förderprogramme, zum Beispiel durch Mikrodarlehen, die Unterstützung von Tagungen, Messen und Netzwerken, aber auch von Wettbewerben und Preisen Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft unterstützt werden. Wir können jetzt hier alle, denke ich, auch die bekannten Beispiele aufzählen, ob das das DesignZentrum M-V seit den 90er-Jahren ist, bestimmte Preise, die ausgelobt werden, bis hin zum Mode-Award, das sind alles Dinge, die eine Rolle spielen.

Seit 2005 werden Marketingmittel aus der Tourismuswerbung für die Dachmarke „Musikland M-V“ und der unter diesem Verbund bestehenden Festivals eingesetzt. Seit 2008 existiert ein eigenes Förderprogramm für die Filmwirtschaft, aber auch die Förderung der Rundfunkwirtschaft, Medienwirtschaft über die Landesrundfunkzentrale und die Staatskanzlei zählen ebenfalls dazu.

Über die benannten Möglichkeiten werden uns künftig insbesondere statistische Daten und bereichsbezogene Übersichten, Profile und Praxisbeispiele eben zur Kreativ- und Kulturwirtschaft vorliegen und für die Verwertung vor Ort zur Verfügung stehen. Unmittelbare Voraussetzung dafür war und ist ein ständiger, detaillierter Blick auf die Branche in Mecklenburg-Vorpommern. Von einer eigenen, von den bundesweiten Entwicklungen abgekoppelten Erhebung und Konzeption ist deshalb aus meiner Sicht abzusehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Körner. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Bei der letzten Landtagssitzung wurde von der Linksfraktion ein Antrag vorgelegt, der eine umfassende Analyse des Berichtes der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ zum Ziel hatte. Dies haben wir abgelehnt, weil es etwas großspurig vorgetragen wurde, eine Handlungsempfehlung,

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Also das macht Herr Koplin wirklich nicht. – Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

eine Handlungsempfehlung undifferenziert nach Bund, Ländern und Kommunen sozusagen in gleicher Weise im Antrag zu berücksichtigen, das schien uns zu wenig befasst mit der Materie.

(Irene Müller, DIE LINKE: Dann hätten Sie ja einen Änderungsantrag machen können. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Diesmal gibt es aus meiner Sicht eine ähnliche Blickrichtung auf den vorliegenden Antrag.

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Torsten Koplin, DIE LINKE)

Der Antrag nimmt diesmal einen Teil des Berichtes „Kultur in Deutschland“ der Enquetekommission heraus und stellt ihn hier sozusagen in die Mitte des Landtages.

Nach meiner Einschätzung ist die Befassung mit diesem Thema ähnlich undifferenziert erfolgt wie bei der letzten Landtagssitzung mit dem Gesamtbericht.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Ja, ja, besser wir reden gar nicht über die Dinge. – Hans Kreher, FDP: Sie befassen sich ja gar nicht einmal damit und jeder differenziert anders. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Wenn ich jetzt weiterreden darf, dann würde ich das gerne versuchen näher zu erläutern.

Zunächst: Wenn Sie auf den Bericht der Enquetekommission abzielen, Herr Kollege Koplin, dann werden Sie zugestehen müssen, dass zu der Zeit, als der Bericht abgefasst wurde, überhaupt noch nicht klar war, was überhaupt Kultur- und Kreativwirtschaft ist. Es gab keine einheitlichen Kriterien in einzelnen Ländern, überhaupt Kultur- und Kreativwirtschaft sozusagen zu analysieren. Es gibt einen Versuch der Enquetekommission, hier etwas als Orientierung zu geben, aber zu dieser Zeit war es länderweit überhaupt nicht Konsens. Und ich höre nun vom Minister, dass es langsam – eigentlich über das Jahr 2008, aber in einem Prozess, dem bis heute immer noch nicht alle Länder beigetreten sind –, langsam so eine Art Koordinatensystem gibt, um überhaupt zu erfassen, was Kultur- und Kreativwirtschaft ist. Und da kommen Sie daher und sagen, wir sollen jetzt ein Konzept machen.

(Hans Kreher, FDP: Weil Sie sich früher auch nicht damit befasst haben.)

Sie haben nicht klar erkennen lassen, was Sie überhaupt da berücksichtigen wollen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Damit das Koordinatensystem vervollständigt wird.)

Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Aber ich will noch einen zweiten Grund sagen. Ich bezweifle, Kollege Koplin, ich bezweifle –

(Irene Müller, DIE LINKE: Oh, er ist ja ein Zweifler.)

und zwar, Kollege Kreher, nach ziemlich gründlicher Auseinandersetzung mit dem etwas schwierigen Thema, das will ich durchaus zugestehen, Kultur- und Kreativwirtschaft, das ist ein Thema, was sozusagen noch keine klaren, festen Konturen hat und was noch in Bewegung ist, das will ich gerne zugestehen, trotzdem habe ich mich sehr intensiv eingelesen in die Situation dort –,

(Irene Müller, DIE LINKE: Na, was bezweifeln Sie denn nun?)

ich bezweifle, Kollege Koplin, ob die von Ihnen, und da sage ich jetzt einfach, undifferenziert aus dem Bericht übernommenen Aspekte, ich nenne Sie noch einmal, Wirtschaftszweige Musik- und Theaterwirtschaft, Verlagswesen, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Architektur, Designwirtschaft und so weiter, ob das in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern überhaupt Wirtschaftszweige in der Form,

(Hans Kreher, FDP: Dazu werde ich nachher gleich noch was sagen. Dazu werde ich noch was sagen.)

wie der Bericht „Kultur“ das suggeriert, da sind.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da lernen wir noch was.)

Wenn Sie in Berlin, in Hamburg, in Nordrhein-Westfalen leben würden, da gibt es eine Form von Kreativwirtschaft in richtigen Wirtschaftszweigen,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, die gibt es hier auch.)

die bei uns so überhaupt nicht existiert. Das ist meine Einschätzung. Sie reden …

(Irene Müller, DIE LINKE: Reden Sie nicht das Land Mecklenburg-Vorpommern schlecht hier. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das machen Sie nämlich hier gerade. – Hans Kreher, FDP: Dann müssen Sie auswandern.)

Wir können gerne vertieft darüber reden. Ich vermag das nicht so zu sehen,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Jetzt widersprechen Sie aber dem Minister.)

dass es hier eine gleichmachende Sichtweise über alle Länder hinweg gibt, und ich behaupte, die gerade von mir vorgetragenen Bereiche gibt es als einzelne Wirtschaftszweige so in unserem Land nicht, dass sie industrierelevant wären

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Der Minister hat was anderes gesagt. – Zurufe von Helmut Holter, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

und dass sie in dieser Form wirklich auch als Zweige für Kultur- und Kreativwirtschaft zu erkennen sind.

Natürlich gibt es bei uns Kultur und Wirtschaft und auch in einem Zusammenspiel. Aber dieser Antrag lässt für mich auch nicht nachvollziehen, Herr Koplin, in welchem Verhältnis Sie – und dieses Verhältnis zu beschreiben, ist in der Tat auch noch nicht abschließend passiert – Wirtschaft und Kultur zueinander sehen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da kommen wir gleich zu.)