Protocol of the Session on April 2, 2009

1999 von 21 auf 29 Prozent. Mit 47 Prozent ist der Anteil junger Raucherinnen, gemeint sind damit die 12- bis 25-Jährigen, in den neuen Bundesländern besonders hoch.

Ostdeutsche Frauen rauchen also deutlich häufiger als junge Frauen in den alten Bundesländern. Hier liegt die Quote bei 38 Prozent. Sie greifen inzwischen sogar häufiger zur Zigarette als gleichaltrige Männer. Hier liegt der Anteil in den westlichen Bundesländern bei 43 Prozent, in den östlichen sind es etwa 45 Prozent. Etwa 70 bis 80 Prozent der Raucherinnen in Deutschland, insgesamt etwa 5 bis 6 Millionen Frauen, sind vom Nikotin abhängig.

Für Frauen gibt es neben den allgemein mit dem Rauchen verbundenen Gesundheitsgefahren wie Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Atemwegserkrankungen ganz spezifische Risiken. Dazu gehört eine erhöhte Thrombose- und Schlaganfallgefahr für Raucherinnen bei gleichzeitiger Einnahme der Antibabypille, das erhöhte Risiko einer Fehlgeburt beziehungsweise von Gesundheitsschäden bereits beim Ungeborenen und nicht zuletzt die gesundheitlichen Risiken des Säuglings beim Rauchen während der Stillzeit.

Gerade in Anbetracht der Zahlen bei den jungen Raucherinnen möchte ich auf die beiden letztgenannten Risiken etwas näher eingehen. Neben dem schon erwähnten erhöhten Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, wenn während der Schwangerschaft geraucht wird, erhöht sich auch das Risiko einer Frühgeburt. Darüber hinaus ist das Risiko, dass ein Baby bereits im Bauch der Mutter unter Wachstumsrückständen leidet, doppelt so hoch. Das Immunsystem des Kindes ist bei rauchenden Müttern sowohl bei der Geburt als auch später geschwächt. Und nicht zuletzt erhöht sich das Risiko des plötzlichen Kindstods auf das Vierfache, wenn die Mutter während der Schwangerschaft geraucht hat. Erwiesen ist allerdings auch, dass 40 bis 50 Prozent der Frauen, die während der Schwangerschaft mit dem Rauchen aufgehört haben, nach der Geburt wieder mit dem Rauchen anfangen.

Aber auch das Rauchen während des Stillens schadet dem Kind. Es ist nachgewiesen, dass viele der zahlreichen Substanzen der Zigarette in die Muttermilch übertreten und dort in gleicher Konzentration wie im mütterlichen Blut vorliegen. Bei starkem mütterlichem Rauchen während des Stillens kann es beim Kind zu Unruhe, Koliken, Erbrechen und verminderter Gewichtszunahme kommen. Von Raucherinnen gestillte Kinder leiden im Kindesalter häufiger unter Erkrankungen der Atemwege und der Lunge.

Schon allein diese Folgen, denke ich, beschreiben die Motivation für unseren Antrag. Darüber hinaus ergaben Langzeitstudien, dass rauchende Frauen durchschnittlich ein bis zwei Jahre früher in die Wechseljahre kommen. Rauchende Frauen haben ferner ein höheres Risiko, an Osteoporose zu erkranken, ein höheres Risiko, an Lungenkrebs zu sterben oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erleiden,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir müssen eine Aufklärungskampagne machen.)

da sie empfindlicher auf die gesundheitsschädlichen Wirkungen des Rauchens reagieren als Männer. Frauen sind durch das Rauchen also nachweislich besonders gefährdet. Besorgniserregend ist, dass der Lungenkrebs, der viele Jahrzehnte als typischer Raucherkrebs

bei Männern galt, seit etwa zehn Jahren bei den Frauen kontinuierlich steigt. In Deutschland ist Lungenkrebs die häufigste Krebstodesursache bei Männern und inzwischen die dritthäufigste Krebstodesursache bei Frauen mit jährlich über 12.000 Todesfällen, Tendenz weiter stark ansteigend. Die Lungenkrebserkrankungen bei Frauen haben sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. In den kommenden 20 Jahren könnten wir einen weiteren dramatischen Anstieg verzeichnen, wenn wir jetzt nicht wirksam handeln und gegensteuern.

Daher beinhaltet der Ihnen heute vorliegende Antrag zur Förderung der Frauengesundheit und für eine geschlechtsspezifische Tabakprävention eine Aufforderung des Landtages an die Landesregierung zu einer Fortführung und Weiterentwicklung der gegenwärtigen Anstrengungen zusammen mit der Wissenschaft und der Praxis auf der Grundlage bestehender Erfahrungen zu geschlechtssensiblen Ansätzen, effektivere Präventionsmaßnahmen für Frauen und Mädchen zu entwickeln, um den frühen Einstieg in das Rauchen zu verhindern sowie den Ausstieg zu erleichtern. Hierbei sollen insbesondere die spezifischen Gründe und Anreize zum Rauchen bei Frauen und Mädchen besondere Beachtung finden. Ich bitte somit um Zustimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke, Frau Schlupp.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.

(Toralf Schnur, FDP: Jetzt bin ich gespannt, was Sie dazu sagen.)

Rauchen Sie oder rauchen Sie nicht?

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Sie sind aber keine Frau, nicht?

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich bitte mit einer sehr simplen, sehr klaren Feststellung beginnen: Es gibt Risiken für die Gesundheit, die leicht zu umgehen sind, und das größte dieser Risiken heißt Rauchen. Nicht zu rauchen, ist leichter, als es immer dargestellt wird. Das gilt, glaube ich, auch für Männer. Am leichtesten fällt es dem, der mit dem Rauchen natürlich erst gar nicht anfängt. Rauchen gleich Risiko, diese Gleichung lässt sich schnell begründen: In Deutschland sterben etwa 140.000 Menschen pro Jahr an dem, was manche lyrisch den blauen Dunst nennen, obwohl er vor allem die Vernunft vernebelt.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Da sind Sie sozusagen an der Stelle mein Blickpartner.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Um die Zahl anschaulicher zu machen: Jedes Jahr stirbt eine Menschenmenge, die fast anderthalbmal so groß

ist wie Schwerins gesamte Bevölkerung, die Menschenmenge vom Säugling bis zum Greis. In den vergangenen Jahren hat die Politik vor allem bei der Prävention viel unternommen. Die Tabaksteuer wurde in mehreren Schritten erhöht, der Nichtraucherschutz hat durch Gesetze auf Bundes- und Landesebene erheblich an Bedeutung gewonnnen. Außerdem wurde das Alter, ab dem Erwerb und Konsum von Tabak erlaubt sind, von 16 auf 18 Jahre angehoben. All diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Zahl der Raucher in Deutschland deutlich gesunken ist.

Dann könnten wir uns vielleicht entspannt zurücklehnen – nein, das können wir leider nicht. Mir persönlich macht zum Beispiel zu schaffen, nicht mir ganz persönlich, aber politisch gesehen, dass die Zahl der rauchenden Frauen zunimmt. Der Trend zur Angleichung der Geschlechter, was die Zahl der Raucher betrifft, hält schon seit Jahrzehnten an. An dieser Stelle muss ich sagen, ich bin sehr für Gleichberechtigung, aber die darf nicht so aussehen, dass wir als Frauen jeden Unsinn übernehmen, den uns Männer vormachen.

(allgemeine Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Toralf Schnur, FDP: Oh, das haben wir nicht vorgemacht.)

Ich bin überrascht, wer spätestens an dieser Stelle so aufwacht.

Nehmen wir nur mal die Gruppe der 12- bis 17-Jährigen. Derzeit rauchen in Deutschland 17,8 Prozent der Jungen und 17,5 Prozent der Mädchen, die in diesem Alter sind. Insgesamt ist etwa jede vierte Frau in Deutschland Raucherin. Besonders anfällig sind Frauen mit geringer Bildung, außerdem alleinerziehende Mütter. Von denen raucht etwa jede Zweite. Ich kann mir wirklich vorstellen, dass man in dieser Lebenslage sehr, sehr viel Stress hat, aber eine Entschuldigung darf dies letztendlich nicht sein. Diese Frauen schädigen schließlich nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Kinder. Die gesundheitsschädigende Wirkung des Passivrauchens bezweifelt heute niemand mehr.

Als wäre das nicht genug, hat das Deutsche Krebsforschungszentrum auch noch herausgefunden, dass Frauen für die verheerende Wirkung der Zigaretten anfälliger sind als Männer. Frauen schreiben die Forscher ein deutlich höheres Risiko zu, sich Erkrankungen von Herz oder Kreislauf zuzuziehen. Wenn sie dazu die Antibabypille nehmen, erhöhen sie dieses Risiko noch einmal um ein Vielfaches. Und zu schlechter Letzt: Rauchen fördert die Entstehung von Osteoporose, einer schlimmen Erosion des Knochenapparates.

Wissenschaftler haben einen weiteren Unterschied zu Männern herausgefunden. Frauen fällt es noch schwerer, mit dem Rauchen aufzuhören. Das ist besonders schlimm, wenn sich die Frau in einer Situation befindet, in der sich ihre Sucht sehr direkt auf Dritte auswirkt – und hier hört für mich der Spaß auf –, ich meine natürlich die Zeit der Schwangerschaft. Wenn eine schwangere Frau raucht, verdoppelt sie das Risiko, dass ihr Kind tot geboren wird. Das Kind, das im Leib einer schwangeren Raucherin heranwächst, wird oft nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Dies kann seine Entwicklung massiv stören. Das Kind einer Raucherin ist in der Regel kleiner und leichter als das einer Nichtraucherin. Es ist zudem statistisch bewiesen, dass es gefährdeter ist, den plötz

lichen Kindstod zu sterben, und auch gefährdeter ist, zu früh geboren zu werden.

Ich hatte vor einigen Tagen die Gelegenheit, mir die Frühgeborenenstation in den HELIOS Kliniken anzusehen. Da erschreckt man sich schon, was Rauchen in der Schwangerschaft bedeutet. An dieser Stelle muss ich sagen, hier liegt auch nicht nur die Verantwortung bei der werdenden Mutter. Es hilft auch nichts, wenn die schwangere Frau nicht raucht und der werdende Vater, der daneben auf dem Sofa sitzt, qualmt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Vincent Kokert, CDU: Sehr richtig. Sehr richtig.)

Weiter geht es damit, dass viele Eltern im Beisein ihrer Kinder in der Wohnung rauchen. Und lebt dieses Kind in einer Wohnung, in der die Eltern viel rauchen, erkranken seine Atemwege häufiger, es können verstärkt Asthma oder Mittelohrentzündungen auftreten. An dieser Stelle, muss ich noch einmal betonen, hat das Rauchen dann nicht mehr nur Freizeitwert, sondern ist gesundheitsschädigend,

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig, Frau Ministerin. Sehr richtig.)

nicht nur für sich selbst, sondern für die Kinder, und das darf man nicht tolerieren.

Das Greifswalder Suchtforschungszentrum hat zwischen 2003 und 2006 mit einer Studie herausgefunden, dass in der Region vor der Schwangerschaft 47 Prozent aller Frauen geraucht haben. Nur etwas mehr als der Hälfte dieser Frauen ist es gelungen, die Sucht bis zur Geburt aufzugeben. Nur die Hälfte hat es geschafft.

Was lernen wir daraus? Der bundesweite Trend zu rauchenden Frauen hat auch vor Mecklenburg-Vorpommern nicht haltgemacht. Dieser düstere Befund gilt insbesondere für die Zeit der Schwangerschaft. Deshalb tut Aufklärung not. Raucherinnen müssen lernen, welche Folgen ihre Entscheidung hat, für sich und für ihre Kinder. Nur so können wir Frauen das Aufhören erleichtern. Das Sozialministerium gibt Hilfe und Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Toralf Schnur, FDP: Und was ist mit den Männern?)

Die kommen da mit rein, das habe ich schon gesagt.

(Toralf Schnur, FDP: Ach so.)

Aber Sie haben recht, an der Stelle muss man es mehrfach betonen.

(Vincent Kokert, CDU: Herr Schnur braucht aber eine Sonderbehandlung.)

Die Suchtvorbeugung ist ein zentraler Pfeiler unseres Landesaktionsplanes „Gesundheitsförderung und Prä vention“. Die Fachleute des Greifswalder Suchtforschungszentrums beschäftigen sich intensiv damit, Rauchern Wege aus der Sucht aufzuzeigen. Unter anderem versuchen sie Eltern dafür zu sensibilisieren, dass Passivrauchen ihren Kindern schadet. Dazu weisen sie die Abbauprodukte der Zigaretten in den Körpern der Kinder nach.

Zudem haben wir im Land mit dem Aktionsbündnis „MV Rauchfrei“ ein Gremium, an dem sich Institutionen aus Politik, Bildung, Forschung, Medizin und Wirtschaft unter einem Anspruch versammelt haben: Sie wollen die Zahl der Raucher in Mecklenburg und Vorpommern verrin

gern. Und diese Sachen werden auch sozusagen statistisch und empirisch begleitet. Insofern ist meines Erachtens dieser Änderungsantrag oder dieser Berichtsantrag nicht notwendig, weil das bereits läuft.

Was wir bei aller Prävention, allen Programmen, allen Forschungen am dringendsten brauchen, ist ein Imagewandel. Rauchen halten viele immer noch für cool. Das ist es aber nicht. Warum? Ganz einfach, weil Lungenkrebs nicht cool ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich glaube, wir brauchen den Antrag nicht.)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.