Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Im Vorfeld dieser Landtagssitzung wurde ich des Öfteren gefragt, was denn bloß unter dem Begriff „maritimes Erbgut“ zu verstehen sei. Wir verstehen unter „maritimem Erbgut“ nicht das rein biologische Erbgut. Der Begriff hat eine weitläufigere Bedeutung, beinhaltet aber in jedem Fall auch den Aspekt der Tradition, auch Familientradition.
Zum maritimen Erbgut zählen für uns außerdem der Schiffbau, die Schiffsrestaurierung und Schiffsrenovierung, weiterhin das Erscheinungsbild der Fischerdörfer, die Häfen und sonstigen maritim geprägten Bauwerke. Ebenso gehört unserer Auffassung nach vor allem die Fischerei zum maritimen kulturellen Erbgut unseres Landes,
Es gibt europäische Förderprogramme im Rahmen INTERREG III b, die zur Erhaltung des maritimen Erbgutes durchgeführt werden. Ziel dieser Programme ist es, die Erhaltung und Entwicklung des kulturellen Erbgutes auch auf dem maritimen Gebiet voranzubringen. In diesem Zusammenhang verstehen wir also den Begriff „maritimes Erbgut“.
Die Fischerei ist untrennbar mit der Geschichte unseres Landes verbunden. Sie ist ein Erbe und Teil der norddeutschen Identität, welche es auch in Zukunft zu erhalten gilt. Die Fischerei dient seit vielen Jahrhunderten der Nahrungsversorgung der Bevölkerung und sicherte vielen Menschen ihr Einkommen. Im Laufe der Zeit hat
sich die Fischerei auch zum touristischen Markenzeichen unseres Landes entwickelt. Viele Touristen MecklenburgVorpommerns verbinden mit unserem Land immer auch das Bild eines idyllischen Hafens mit ein paar Fischkuttern oder Fischerbooten, Fischrestaurants, den Geruch von geräuchertem Fisch sowie den Geschmack eines Fischbrötchens mit frischem Fisch direkt vom Kutter.
Leider machten in den letzten Wochen und Tagen besorgniserregende Schlagzeilen wie beispielsweise mit dem Titel „Das ist der Niedergang der Fischerei“ am 14. März in der „Ostsee-Zeitung“ die Runde. In Gesprächen mit Küstenfischern wurde mir oft berichtet, dass sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Die Ergebnisse des Gutachtens des Instituts für Ostseefischerei werden offen infrage gestellt. Die Fischer bestätigen, es war noch nie so viel Hering da wie in diesem Jahr. So ist es den Fischern schwer vermittelbar, dass sie bereits kurz nach Beginn der Fangzeit wegen Erfüllung der abgesenkten Quote die Fischerei auf Hering wieder beenden müssen.
Gleichzeitig stellt das Institut in Aussicht, auch im nächsten Jahr weitere Reduzierungen zu fordern, da der Heringsbestand weiter rückläufig sei. Die Quotenkürzung in diesem Jahr war für die Fischereibetriebe in unserem Land schon kaum zu verkraften. Eine weitere Quotenkürzung würde das Aus für viele Betriebe bedeuten. Sowohl die Fischerei an der Küste als auch im Binnenland ist in den letzten Jahren immer stärker unter Existenzdruck geraten. Allein für dieses Jahr wurde die erlaubte Fangmenge für Hering um durchschnittlich 39 Prozent gesenkt. Der Hering ist der Fisch, mit dem die Küstenfischer mitunter mehr als 50 Prozent ihres Jahreseinkommens erzielen.
In den Jahren seit 1990 hat sich auch die Anzahl der Küstenfischer unseres Landes erheblich reduziert. Aber wir dürfen nicht verkennen: Die Fischerei hat bereits einen enormen Umstrukturierungsprozess hinter sich gebracht. Die Anzahl der Kutter und somit der gesamten Fischereiflotte ist erheblich gesunken. MecklenburgVorpommern hat im Sinne der gemeinsamen EU-Fischereipolitik bereits seit vielen Jahren vorgearbeitet. Die Einsparvorgaben der EU sind mit dem derzeit vorhandenen Fahrzeugbestand nicht mehr zu erreichen.
Ebenso ist es für die Küstenfischer unseres Landes nicht möglich, die Größe der Boote und die Leistung der Motoren noch weiter zu reduzieren. Ein weiteres Senken der Motorleistung, nur um europäische Fördermittel zu erhalten, ist für die Fischer unseres Landes kaum möglich. Mit der neuen Motorleistung würden sie in vielen Fällen ihre Fanggründe nicht mehr erreichen können.
In dem Maße, wie die Erarbeitung einer EU-Ostseestrategie und die Durchführung einer integrierten Meerespolitik zu begrüßen sind, so sind wir über die von der Staatskanzlei angebrachten Kritikpunkte Ostsee-Aktionsplan in Bezug auf die fehlende Vernetzung sehr besorgt. Die Programme zur nachhaltigen Nutzung der Meere sind sehr vielfältig und haben sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen auf die Fischerei. Es wird sicherlich kein Fischer einer nachhaltigen Fischerei verschlossen sein. Hierbei ist aber auch zu beachten, dass Nachhaltigkeit aus drei Säulen besteht: der ökologischen, der ökonomischen und der sozialen
Wir begrüßen ausdrücklich die Forderung, dass die sogenannten Stakeholder verstärkt in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Es stellt sich hier jedoch die Frage: Wie weit ist Mecklenburg-Vorpommern auf diesem Gebiet und welche konkreten Maßnahmen sind zukünftig noch zu erwarten?
Wie bereits gesagt, bestehen Probleme nicht nur in der Fischerei und bei den Kutter- und Küstenfischern. Die Binnenfischer sind ebenfalls von Problemen geplagt. Spricht man mit ihnen über deren Probleme, dann werden in der Regel zwei große Problemkreise zuerst genannt. Der erste ist, wie könnte es wohl anders sein, die Entwicklung des Kormoranbestandes. Trotz der Landeskormoranverordnung zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden, die im Gegensatz zum Küstenbereich im Binnenland angewendet werden kann, wird man dem Populationsanstieg anscheinend nicht Herr. Wir hatten am Ende letzten Jahres bereits die Möglichkeit, ausgiebig, aber leider ergebnislos über ein effektives Kormoranmanagement zu sprechen.
Nachdem im Januar angekündigt wurde, dass man dann dieses Jahr in Bezug auf den Kormoran endlich durchgreifen wolle, hat sich die Aussage aus dem Ministerium auch wieder nur zu einer Sprechblase entwickelt.
Von den vielen gestellten Anträgen auf Abschuss und Vergrämung sind im Endeffekt nur zwei auf Vergrämung bewilligt worden. Die bereits erteilte Genehmigung für Stör wurde wegen des Ansiedelns eines Seeadlers zurückgenommen, was in diesem speziellen Fall sicherlich nachvollziehbar ist. Somit wurden dann in diesem Frühjahr aber lediglich zwei Vergrämungsmaßnahmen in Niederhof genehmigt. Die Anträge für die großen Kolonien wie dem Anklamer Stadtbruch und das Tanklager Lubmin wurden nicht bewilligt.
Zugunsten des Kormorans, der während seines Aufenthaltes in unserem Land täglich circa 40 bis 50 Tonnen Fisch vertilgt, müssen die Fischer unseres Landes geringere Fangquoten und Fischereierträge hinnehmen. Insofern nimmt die Würdigung des 30-jährigen Bestehens der europäischen Vogelschutzrichtlinie zumindest in Bezug auf den Kormoran und die Ausweitung seiner Population schon ein wenig skurrile Züge an. Wäre der Kormoran vor 30 Jahren nicht in den Anhang 1 der Richtlinie als besonders zu schützende Art genommen worden, dann hätten die Fischer heute sicherlich erheblich weniger Probleme.
Ein anderer Punkt ist die Zunahme von Fischdiebstählen und die Zerstörung von Netzen. Zwar wurden nach gestrigen Aussagen in den Medien mehr Fischräuber gefasst als noch zuvor, trotzdem ist den Fischern erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden.
Sehr geehrter Herr Minister, wir bestreiten nicht, dass neben den aufgezeigten Vorstellungen zur integrierten EU-Meerespolitik und der EU-Ostseestrategie auch Bemühungen auf nationaler Ebene durchgeführt werden. Schon im März 2007 trafen sich die norddeutschen Bundesländer zur Fischereipolitik in Berlin und haben
dort eine gemeinsame Position zur künftigen Fischereipolitik formuliert. Einige Ergebnisse möchte ich kurz nennen. Damals wurde vereinbart, dass das Fischereimanagement sich stärker auf den ökonomisch nachhaltigen Dauerertrag ausrichten soll. Bisher stand allerdings augenscheinlich nur die nachhaltige ökologische Betrachtung im Vordergrund. Weiterhin wurde sich dafür ausgesprochen, dass die Quotenregelungen nicht ausgehöhlt werden sollen und diese im Zweitverlauf relativ stabil bleiben.
Allein bei diesen beiden Punkten wird deutlich, dass gerade hier keine entscheidenden Fortschritte zugunsten unserer Fischer erzielt wurden. Die Punkte, die in der gemeinsamen Positionierung aufgeführt sind, lesen sich gut und sind zustimmenswert, aber, wie gesagt, die Konferenz fand Anfang März 2007 statt. Dieser Termin ist mehr als zwei Jahre her. Die Frage, die man sich stellen muss, ist doch: Wie können die norddeutschen Länder und speziell Mecklenburg-Vorpommern auf EU-Ebene noch bessere Arbeit leisten, um ein noch größeres Gewicht bei den Entscheidungen zur EUFischereipolitik zu bekommen?
Sehr geehrte Damen und Herren, die Fischerei und hier vor allem die Küstenfischerei steht wieder einmal vor einem Strukturwandel. Das Vertrauen in die Politik ist aufgrund der drastischen Quotenkürzungen bei den Hauptfangfischen in den letzten Jahren erheblich gesunken. Wir können die Fischer in diesem Strukturwandel nicht allein lassen. Der Strukturwandel ist durch geeignete Maßnahmen von der Politik strategisch zu begleiten. Es müssen Überlegungen angestellt werden, in welcher Art und Weise sich die Fischer noch weiter diversifizieren können, um ein Einkommen zu erzielen, ohne lediglich zum Nebenerwerbsfischer werden zu müssen.
Unser aller Ziel muss es doch sein, die Wertschöpfung in der Fischerei unseres Landes zu erhöhen und damit Einkommen zu sichern. Hierzu ist es weiter wichtig, die Fischer sowohl in die touristische Wertschöpfungskette als auch in die Kulturlandschaftspflege einzubinden. Man könnte auch überlegen, ob und welche öffentlichen Aufgaben die Fischer übernehmen können. Inhalt einer Strategie muss auch sein, wie die Stakeholder in Zukunft noch besser mit in die Beratungen einbezogen werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass der Minister gleich im Anschluss eine sehr lange Liste von Maßnahmen, die er bereits durchgeführt hat, vortragen wird, wie er es immer tut. Und wenn ich die Äußerung des Agrarausschussvorsitzenden in der gestrigen Presse richtig interpretiere, wird die Wichtigkeit dieses Themas auch von der Koalition erkannt. Er hat bereits Hilfe zugesagt und will das Thema im Agrarausschuss behandeln. Aus unserer Sicht steht demzufolge einer weiteren Verweisung unseres Antrages in den und einer weiteren Beratung im Agrarausschuss nichts entgegen. Ich würde bitten, unseren Antrag zu überweisen. – Danke schön.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort hat zunächst gebeten der Landwirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Backhaus. Herr Dr. Backhaus, Sie haben das Wort.
Es ist richtig, Frau Reese, als ich mir den Antrag angesehen habe, habe ich mich gefragt, was Sie eigentlich damit erreichen wollen.
Nachdem Sie ihn jetzt erläutert haben und leider keine Begründung zu dem Antrag geliefert haben, ich habe keine gesehen, muss ich schon sagen,
kann ich das eine oder andere auch ein Stückchen nachvollziehen. Deswegen möchte ich ganz gerne darauf eingehen. Im Frühjahr logischerweise, der Karfreitag steht vor der Tür, ich habe heute schon zu den Schafen und Ziegen gesprochen, für mich gilt am Karfreitag, dass man Fisch isst. Ich hoffe, das geht Ihnen allen so. Und wir sind uns einig, Frau Reese, und das nehme ich sehr ernst, dass sich die Fischbestände national und international in einem zum Teil sehr, sehr schlechten Zustand befinden. Das heißt, wir müssen alles dafür tun, eine Fischereiwirtschaft aufzubauen, die angepasst ist, das heißt, sowohl ökologisch, ökonomisch und sozial verträglich ist.
Wie Sie wissen, ist die Europäische Union seit Längerem bemüht, im Rahmen der gemeinsamen europäischen Fischereipolitik durch bestimmte Managementmaßnahmen eine nachhaltige Fischerei sowohl ökonomisch, ökologisch als auch sozial verträglich in diesem wichtigen – auch das ist mir sehr wichtig, dies noch einmal zu unterstreichen – Wirtschaftsbereich zu ermöglichen. Ich unterstütze den Ansatz einer gemeinsamen und vor allen Dingen auch auf die Zukunft ausgerichteten Fischereipolitik ausdrücklich. Allerdings muss man zum jetzigen Zeitpunkt auch attestieren, dass vieles, was die Europäische Union bis jetzt vorgelegt hat, reines Stückwerk ist.
Die Zahl der Vorschriften wird ständig größer und komplizierter, die Durchsetzung ist mangelhaft und vor allen Dingen, wenn es um die Kontrollvorschriften geht, gibt es erhebliche Unterschiede in der Umsetzung innerhalb der Europäischen Union. Dieses habe ich immer wieder bemängelt und werde es auch zukünftig tun.
Hinzu kommt, dass die Förderung immer degressiver gestaltet wird. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch mal darauf hinweisen, dass die gemeinsame Initiative, von der Sie gesprochen haben, von Mecklenburg-Vorpommern ausgegangen ist, gemeinsam mit Schleswig-Holstein, nämlich die deutschen Küstenländer zusammenzunehmen und die Interessen abzustimmen und damit gemeinsam auch in Richtung Brüssel zu marschieren, eine richtige war. Darin wurden bereits im Jahr 2007 die wichtigsten Positionen der Länder für eine verantwortungsbewusste Fischereipolitik in einem 9-Punkte-Papier, aus dem Sie auch zitiert haben, zusammengefasst.
Dieses von den Küstenländern in Berlin wie auch in Brüssel – wir haben dazu einen Parlamentarischen Abend in Berlin wie auch in Brüssel durchgeführt – gemeinsam vorgestellte Papier hat kaum an Aktualität verloren. Für die Kutter- und Küstenfischerei wurden in dem
Papier wichtige Themen zur Flottenpolitik der Europäischen Union und zur nachhaltigen Nutzung der Fischbestände in besonderem Maße hervorgehoben. Auch dieses haben Sie ja selber angedeutet.
Lassen Sie mich zunächst einiges zur Flottenpolitik sagen und das ausführen. Es darf nicht vernachlässigt werden, dass die deutsche Fischfangflotte nach jahrelangem Abbau mittlerweile gerade noch drei Prozent der Flottenkapazität der Europäischen Union in Deutschland ausmacht. Ich bedauere das und Mecklenburg-Vorpommern hat hier einen ganz, ganz wesentlichen Beitrag wiederum positiv zur Gesundung der Fischbestände beigetragen.