Protocol of the Session on March 5, 2009

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Tegtmeier.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben gestern das Thema Kinderfreundlichkeit und damit verbunden auch das Thema Familienfreundlichkeit in der Aktuellen Stunde in den Mittelpunkt gerückt. Ein großer Schlüssel für mehr Familienfreundlichkeit in unserem Land ist die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Junge Mütter und junge Väter wollen sich heute nicht mehr entscheiden müssen – und das betrifft ja vorwiegend auch insbesondere immer noch die Frauen –, ob sie sich für die Arbeit, für den Berufsweg oder für die Familie entscheiden. Wir müssen dafür sorgen, dass beides möglich ist. Wir haben in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern dafür sehr gute Voraussetzungen. Aber insgesamt in der Bundesrepublik muss der gesellschaftliche Wandel noch mehr dahin gehen, dass junge Eltern sich nicht zerreißen zwischen Familie, Beruf und Freizeit, sondern dass wir dafür Rahmenbedingungen schaffen, dass alles möglich ist. Und da ist nicht nur die Bundesregierung, die Landesregierung oder der Staat gefragt, sondern ich habe es gestern schon betont, Familienfreundlichkeit ist eine Querschnittsaufgabe. Es sind alle Lebensbereiche gefragt und insbesondere natürlich die Arbeitswelt und die Wirtschaft.

Ich betone hier ausdrücklich, dass es für meinen Geschmack nicht Aufgabe der Politik sein sollte, jungen Eltern heutzutage vorzuschreiben, in welchen Formen sie leben. Es gibt eben viele Alleinerziehende, das sind ganz persönliche Entscheidungen. Ich habe eine große Hochachtung gerade vor den Alleinerziehenden. Das sind oftmals alleinerziehende Frauen, die tagtäglich genau diesen Spagat leisten, denn sie müssen ja auch arbeiten gehen. Viele wollen arbeiten gehen, aber viele müssen natürlich auch arbeiten gehen, um ihre Familie zu ernähren. Ich plädiere sehr dafür, endlich von dem Schubladendenken wegzukommen, dass Mütter, die arbeiten gehen, obwohl sie Kinder haben, Rabenmütter sind, und Mütter, die sich entscheiden, zu Hause zu blei

ben, um ihre Kinder zu betreuen, Hausfrauen sind. Wir müssen endlich weg von dem Schubladendenken. Ich plädiere dafür, diesen jungen Müttern und Vätern nichts vorzuschreiben, sondern ihnen vor allem gute Bedingungen zu geben, sich das erfüllen zu können, was sie gerne wollen.

Mütter und Väter sollen also im Beruf und in der Familie die gleichen Chancen haben, sich zu verwirklichen. Nun haben sich die sozialen Systeme Familie und Wirtschaft in der jüngeren Vergangenheit stark verändert, das macht die Sache oft nicht einfacher.

Zunächst zur Wirtschaft: Die Finanzkrise, die uns alle plagt, dürfte das Spannungsverhältnis zwischen Berufs- und Familienleben verschärfen. Aber auch in den Familien ändert sich vieles. Nur ein Beispiel: Ein Bundesprogramm „Elterngeld“ spricht auch Vätern dieses Elterngeld zu, wenn sie sich auch für Elternzeit entscheiden. Und das Programm scheint insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern ein guter Erfolg zu sein, denn wir stehen deutschlandweit an der Spitze, was die Beteiligung von Vätern an der Elternzeit betrifft.

Aber lassen Sie mich noch einmal von vorn anfangen, um mal ganz pragmatisch an das Thema heranzugehen. Was ist das zentrale Problem, wenn wir über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf reden? Was beschäftigt Mütter und Väter gleichermaßen? Es ist die Kinderbetreuung, denn keine Mutter und kein Vater werden ruhigen Gewissens zur Arbeit gehen, wenn sie nicht ihre Kinder gut versorgt wissen. Und was das Angebot der Kinderbetreuung in Mecklenburg-Vorpommern angeht, haben wir hier gute Voraussetzungen dafür, genau diese Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf zu leisten. Nehmen wir nur einmal die beeindruckende Zahl von 97 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen, die hierzulande in eine der über Tausend Kitas gehen. In den westdeutschen Bundesländern dümpelt die Quote bei 24 Prozent. Dort wird es noch viel Zeit und Geld kosten, bis dieser hohe Standard erreicht ist, den wir hier in MecklenburgVorpommern schon gewohnt sind.

Das Land unterstützt die starke Stellung der Kitas mit über 100 Millionen Euro jährlich. Wir stellen sicher, dass alle Kinder in den Kitas auch ihr Essen bekommen. Wir entlasten mit unseren Beiträgen die Elternbeiträge, denn Sie wissen, die Kinderbetreuung ist eigentlich vor Ort eine kommunale Aufgabe. Wir haben insbesondere im Vorschuljahr die Entlastung sehr stark geleistet. Und auch die 24-Stunden-Kita, die als Beispiel demnächst in den Schweriner HELIOS Kliniken aufgebaut wird, finanziert das Land zum Teil. Also: Gute Angebote für die Kinderbetreuung sind ein wichtiger Beitrag, dass Mütter und Väter Familie und Beruf unter einen Hut bekommen.

Und – gestern hat Herr Grabow es schon angesprochen in der Aktuellen Stunde – es wird auch darauf ankommen, dass wir uns, was das Thema Randzeiten angeht, verbessern. Herr Grabow, da muss ich Ihnen aber sagen, das kann vom Land, von oben, nicht verordnet werden. Das ist gerade kommunale Selbstaufgabe – hinzuschauen, wie und welche beruflichen Angebote gibt es in meiner Gemeinde vor Ort und wie sieht es mit den Angeboten für Randzeiten aus. Ich habe es gerade angesprochen, zum Beispiel die Schweriner HELIOS Kliniken als großer Arbeitgeber reagieren darauf. Da sind natürlich ganz konkret auch gerade die Vertreter in den Kommunen vor Ort gefragt. Wir haben mit dem KiföG bereits schon in der letzten Legislatur entsprechende Rahmenbedingungen dafür geschaffen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen, ist also ein klassischer Fall, was man in der Politik Querschnittsaufgabe nennt. Ein schönes Beispiel dafür ist die Broschüre, die Wirtschafts- und Sozialministerium derzeit gemeinsam erarbeiten. „Familie und Wirtschaft – Zeichen einer modernen Unternehmens-, Wirtschafts- und Standortpolitik“ wird die Broschüre heißen. In Sachen Vereinbarkeit müssen also alle ran und mithelfen.

Nehmen wir ganz konkret die Wirtschaft: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es ein klarer Standortvorteil ist, dass wir über ein derart gut ausgebautes Kita-System verfügen. Alle Fachleute sagen voraus, dass wir bald junge und gut ausgebildete Fachkräfte dringend nötig haben werden. Wir wissen aus Gesprächen mit Unternehmen, dass wir bereits an diesem Punkt angelangt sind. Im Land halten oder gar ins Land holen können wir sie nur, wenn wir ihnen zeigen, dass sie hier eine Existenz aufbauen können. Und für viele gehört nun mal zum Lebensplan dazu – und das ist natürlich gut –, eine Familie zu gründen.

Es geht also um gute Rahmenbedingungen und es geht um gute Politik für die jungen Familien, aber es geht auch um die kleinen Gesten im Alltag. Und diese entsprechenden Angebote in der Arbeitswelt müssen natürlich vor allem auch die Unternehmer vorhalten, denn sie wissen ganz genau, wie sind die Arbeitsbedingungen für die jungen Väter und Mütter und wie können wir es ihnen leichter machen. Deswegen gehört eben dazu, dass der Chef – und meistens sind es leider noch Chefs, also männliche Chefs – sozusagen nicht auf die Schwangerschaft einer Frau damit regiert, dass er sagt: „Oh Gott! Und was soll ich nun machen?“, sondern dass er sagt: „Schön, dass ein Kind zur Welt kommt. Lassen Sie uns mal gemeinsam darüber reden, wie wir Ihre Auszeit gestalten und wie wir Ihre Qualifizierung und Ihren Einstieg nach der Auszeit in das Berufsleben wieder hinbekommen.“

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Dazu gehören auch Qualifizierungs- und Einstiegsmaßnahmen, dazu gehören Teilzeitangebote an junge Mütter und Väter und dazu gehört, dass man anerkennt, wenn sich Väter für die Erziehung entscheiden, dass diese Väter keine Weicheier sind. Nein, sie stellen sich dem tatsächlichen Leben. Das muss auch in der Wirtschaft anerkannt werden. Ich habe es gestern schon gesagt, die Sozialkompetenz, die man sich in dieser Zeit holt, ist durch nichts anderes und schon gar nicht durch teure Managerlehrgänge zu überbieten.

Ich fand gestern den Satz von Herrn Kokert gut, dass es nicht darum geht, dass die Familien wirtschaftsfreundlicher werden, sondern die Wirtschaft familienfreundlicher. Ich fand, das war sehr zutreffend.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Hans Kreher, FDP)

Einmal, finde ich, reicht.

Und zu Ihrer konservativen Haltung, dass alle sich unbedingt in einer Ehe befinden müssen, obwohl ich es persönlich auch tue,

(Vincent Kokert, CDU: Ehe oder Partnerschaft habe ich gesagt. Ehe oder Partnerschaft!)

haben wir unterschiedliche Meinungen. Da bin ich der Meinung, wir haben den jungen Eltern nichts vorzuschreiben. Aber Sie haben es ja gestern gesagt, es gibt Unterschiede zwischen SPD und CDU, das ist auch nicht schlimm.

Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt sich heute beiden Geschlechtern. Mütter und Väter müssen die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Das ist ein moralisches, soziales aber auch wirtschaftliches – und darauf liegt die Betonung, wirtschaftliches – Gebot der Stunde. Also Familienfreundlichkeit geht nicht nur die Familienministerin etwas an. Wir erkennen, dass sich die Rollen angleichen. Ich will an dieser Stelle noch einmal auf den Erfolg der Vätermonate verweisen und es ein bisschen vereinfacht darstellen: Heute wollen Mütter auch arbeiten und auch Väter wollen mit ihren Kindern kuscheln. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe davon aus, dass die Koalitionäre diesen Antrag auch gestellt haben, weil wir am Sonntag den Internationalen Frauentag begehen, und da passt so ein Thema natürlich auf die Tagesordnung. Ich habe mir deshalb noch mal überlegt, wie es denn mit der Gleichstellung hier im Hohen Hause aussieht,

(Irene Müller, DIE LINKE: Richtig, berechtigt!)

habe mir die Wahlliste der Wahlfrauen und der Wahlmänner zur Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten noch mal zur Hand genommen und da findet man interessante Zahlen.

Die SPD-Fraktion kann fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Berlin entsenden, davon ist eine eine Frau. Die CDU-Fraktion kann vier Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Berlin entsenden, davon ist keine eine Frau. Die Fraktion DIE LINKE kann zwei Teilnehmer entsenden, vorbildlicherweise eine Frau und einen Mann. Die FDP hat ein Mandat mit einem Mann besetzt. Na ja, und die Herren von der NPD, die lassen ihre Frauen ohnehin lieber die Hemden bügeln und die Schnitten schmieren für den Einsatz an der Front oder schlagen Frauen auf der Straße. Dass Sie keine Frauen nach Berlin schicken, ist völlig klar.

(Michael Andrejewski, NPD: Würden Sie eine NPD-Bundeskanzlerin wählen?)

Und Herr Köster hat gestern Abend im „Nordmagazin“ noch einen draufgegeben, Herr Andrejewski,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist eine Präsidentin übrigens, keine Bundeskanzlerin.)

als er mitteilte, es gibt viele Frauen, die sich verteidigen müssen. Ja, Herr Köster, Sie haben recht, vor Kameraden wie Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Richtig.)

Und nun zum vorliegenden Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Antrag bittet die Landesregierung um einen Sachstandsbericht zu Punkt 210 des Koalitionsvertrages, zur gleichen Teilhabe von Vätern und Müttern am Erwerbs- und Familienleben.

Was mir sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Überschrift Ihres Antrages sofort ins Auge springt, ist die Reihenfolge in der Wahl der Begrifflichkeiten: „Väter“ vor „Mütter“, „Beruf“ vor „Familie“. Damit wird klar, wo Ihre Prioritäten liegen. Dass vor allem Frauen bezüglich Ihrer Teilhabe am Erwerbsleben gefördert werden müssen und angesichts der aktuellen Entwicklungen und immer weiter sinkenden Geburtenzahlen die Förderung von Familien nicht nur formal den Vorrang erhalten sollte, wird von Ihnen wohl eher anders gesehen. So interpretiere ich Ihre Wortwahl.

(Egbert Liskow, CDU: Na, na, na, na, na!)

Dabei hat die Sozialministerin in den letzten Wochen doch ganz deutlich ihre Position dargestellt, eindeutig Kinder und Familie in den Vordergrund gerückt.

(Egbert Liskow, CDU: Das ist auch so.)

Auch im Positionspapier des Fachgremiums zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt ist zu lesen, dass sich der Begriff „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ etabliert hat und nicht umgekehrt. Ich zitiere aus dem Positionspapier, wo es heißt: „Familie sollte dabei an erster Stelle stehen, um deutlich zu machen, dass dieser Kern und diese Basis unserer Gesellschaft nicht nur Anpassung leisten, sondern auch Berücksichtigung ihrer Belange erleben muss.“ Zitatende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, Sie bitten die Landesregierung um einen Sachstandsbericht über modellhafte Maßnahmen für betriebliche Veränderungen zur besseren gleichen Teilhabe von Vätern und Müttern am Erwerbs- und Familienleben. Da drängt sich bei mir gleich die nächste Frage auf: Warum wird dafür ein gesonderter Bericht verlangt? Ist der Bericht, wie Sie ihn fordern, nicht schon Bestandteil des „Berichts zur Lebenssituation von Haushalten mit Kindern in Mecklenburg-Vorpommern“, der kürzlich von der Sozialministerin an die Prognos AG in Auftrag gegeben wurde? Jedenfalls bietet es sich doch ganz klar an, dieses Thema in diesem Bericht mitzubehandeln und nicht zwei Berichte zum gleichen Thema zu erarbeiten. Und warum veranschlagen Sie für die Bearbeitung über ein Jahr für einen Sachstandsbericht? Vielleicht können Sie mir diese Fragen in der Debatte ja noch beantworten.

Nach Ihrem Verständnis gehören zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf Maßnahmen zur Sicherstellung der gleichen Teilhabe – ich glaube, Sie meinen eher die gleichberechtigte Teilhabe – am Erwerbs- und Familienleben von Eltern mit Kindern. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur die Kinderbetreuung spielt dort in unseren Familien eine Rolle, sondern angesichts der demografischen Entwicklung eben auch die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger. Das wird in Ihrem Antrag völlig außer Acht gelassen. Dass Sie sich im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf lediglich auf die Eltern-Kind-Dimension beziehen, ist ziemlich einseitig und zeigt, dass Sie die Komplexität der Thematik nicht erkannt haben.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da hast du recht, Peter.)

Familie ist eben nicht mehr nur als traditionelle Kernfamilie zu sehen, sondern eher im Sinne einer Gemeinschaft des Füreinandereinstehens der Generationen. Die Gemeinschaft definiert sich nicht nur durch gegenseitige soziale Verpflichtungen gegenüber Kindern, sondern auch in Form von anderen Beziehungen der Generationen. Es gibt eben verschiedene Lebensphasen und je nach Phase unterschiedliche Bedürfnisse in der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Es ist ein Unterschied, ob ich mich in der Phase der Familiengründung befinde oder ob die Pflege von Angehörigen in der Familie im Vordergrund steht. Das muss doch bei Maßnahmebildungen in der Wirtschaft einfach Berücksichtigung finden.

Wissen Sie, es ist traurig, dass wir auch an diesem Punkt wieder von vorne anfangen müssen. Dabei waren die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den neuen Bundesländern bis zur Wiedervereinigung weit fortgeschritten. Seit der Wende gibt es einen Rückwärtstrend, der bis heute nicht aufgehalten werden konnte. Den weiten Weg, den wir der Gleichstellung bis dahin näher gekommen sind, haben wir durch die Verschärfung geschlechtstypischer Ungleichheiten und durch unzählige Rückwärtsschritte wieder einbüßen müssen.

Zu den Besonderheiten, die mit der Wende verschwunden sind, gehören die Rechtsnormen zugunsten der Frauen und die Frauenförderungspläne in Betrieben. Sozialpolitische Hilfen für erwerbstätige Frauen und Mütter wurden abgeschafft oder auf westdeutsches Niveau abgeschmolzen. Der Grund war nicht, dass sie sich nicht bewährt hätten, ganz im Gegenteil. Der marktwirtschaftlich orientierte Sozialstaat des vereinten Deutschlands hielt es einfach nicht für nötig, dieselben Finanzmittel zur Unterstützung der Frauen aufzuwenden wie bisher. Sie nahmen damit das scheinbar überflüssige Zahnrad „Frauenförderung“ aus dem Getriebe und schon lief das ganze Räderwerk aus Familiengründung, Geburtenziffern und Erwerbsbeteiligung nicht mehr ordentlich. Und darüber wundert man sich noch heute. Die soziale Lage der Frauen in den neuen Bundesländern verschärfte sich zusätzlich durch den Abbau der sozialpolitischen Stützungsmaßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und durch den Abbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, auch wenn hier wieder eine Trendwende eingesetzt hat.

Unter der rot-roten Regierung hier in MecklenburgVorpommern wurde damit begonnen, die Benachteiligungen von Frauen wieder aufzuheben. Wir haben gut funktionierende Maßnahmen für alle Frauen unabhängig vom sozialen und beruflichen Status ins Leben gerufen, die „Modulare Qualifizierung in der Eltern- und Familienzeit“ zum Beispiel. Sie hat es zunächst allen Frauen ermöglicht, sich während des Elternjahres weiterzubilden und weiterzuqualifizieren. Damit hatten sie einen leichteren Wiedereinstieg ins Berufsleben. Vor allem die Frauen, die zuvor arbeitslos waren, haben davon profitiert. Sie waren für den Arbeitsmarkt wieder interessant. Zu dieser Maßnahme gab es nur Erfolgsmeldungen. Die jetzige Landesregierung schränkt sie aber derart ein, dass Mütter und Väter, die Sozialleistungen nach dem SGB II und SGB III erhalten, nicht davon partizipieren können. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist völlig kontraproduktiv.

Herr Kuhn, stattdessen loben Sie den Wettbewerb „Familienfreundliche Kommune in Mecklenburg-Vorpommern 2009“ aus. So ein Wettbewerb ist grundsätzlich zu befürworten, er macht sensibel für das Thema Kinderfreundlichkeit und schafft einen Anreiz, Angebote für Kinder sowie eine kinderfreundliche Atmosphäre in den Kommunen zu schaffen. Für die Kommune, die den Preis nach Hause trägt, ist es eine Anerkennung und Aufwertung. Positive Effekte würden dadurch sicherlich entstehen. Doch genügt es bei Weitem nicht, nur Anreize zu schaffen. Es müssen direkte Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden, die vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen dazu beitragen, Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können.

In der „Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3. Februar 2009“, Herr Kuhn, wo Sie bald hin wollen,