Protocol of the Session on January 29, 2009

Ich sage Ihnen heute voraus, wenn Sie diesen Weg gehen, dann werden wir in einem halben oder in einem dreiviertel Jahr, wenn Sie das vorstellen, ein ähnliches Kasperletheater erleben, wie wir es hier jetzt gerade erleben. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Roolf.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borrmann für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Abgeordnete des Landtags! Bürger des Landes! Etwas Erbauliches hat der Antrag der Regierungsfraktionen schon: „Der Landtag möge beschließen: Der Landtag begrüßt die vielfältigen... Aktivitäten der Landesregierung“, und dann noch eine Aufforderung an die Landesregierung, bis Ende 2009 über diese eingeleiteten Aktivitäten zur Baukultur zu unterrichten. Es lebe das Protokoll- und Berichtswesen!

Nur, was nützen all die devoten Grußformeln und die beweihräuchernden Berichte, wenn im realen Leben Bauen und Kultur getrennte Wege gehen, wenn es im realen Leben einem das Herz zerreißt, sollten Bauen und postmoderne Kultur auf gemeinsamen Pfaden wandeln? Die Kultur der Entfremdung hat einen entfremdeten Baustil hervorgebracht. Schauen wir doch nur aus dem Fenster,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

obwohl es jetzt eigentlich schon dunkel ist. Dem Schlosse – das Weltkulturerbe werden soll – gegen über lässt die IHK an den Ufern des Sees einen Neubau errichten, dessen Charakter einem Weltkulturekel entspricht: ein Klotz aus Glas, Stahl und Beton, getragen vom Geist der Diktatur des rechten Winkels,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

mit überdimensionierten Proportionen, einer gesichtslosen Fassade, einem Computerprogramm entsprungen und zur Unmenschlichkeit verdammt, weil die Programmiersprache von Maschinen keine Ästhetik kennt, die den Menschen zum Menschen macht.

(Ute Schildt, SPD: Oh!)

Wer in einer solchen Stadt leben muss, in der solche Fratzen der Unmenschlichkeit das Gesicht prägen, des

sen kulturelles Empfinden ist selbst von dieser Seelenlosigkeit bedroht. Warum kommen künftig Touristen nach Schwerin? Um den neuen IHK-Würfel zu bestaunen oder um sich an vergangener Baukultur wie dem Schweriner Schloss oder dem Flair der Altstadt zu erfreuen? Worin liegt dann die kulturelle Leistung der zeitgenössischen Bauwirtschaft? Was für bleibende Werte und sinnvermittelnde Werke der Architektur schafft sie? Wir Nationaldemokraten meinen, keine.

(Zurufe von Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Torsten Koplin, DIE LINKE)

Gegenwartskultur ist eine parasitäre Baukultur, eine zerstörende Bauwirtschaft. Schauen wir nur in die Innenstadt von Schwerin. Ein ganzes Viertel musste weichen, damit ein neues Zentrum der kulturellen Dekadenz entsteht, ein neuer Konsumtempel mit Luxusläden für Bonzen Europas.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Denn bei weiter schwindenden Reallöhnen, sinkenden Einwohnerzahlen und schwierigeren Wirtschaftsbedingungen werden die Bürger des Landes wohl kaum etwas davon haben.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Wie ein riesiges Loch klafft die Baugrube in der Innenstadt. Denkmalschützer sind machtlos gegen diese Kulturlosigkeit. Wie ein Hohn klingen die Worte von SPD- und CDU-Fraktion, Zitat: „Die Besonderheiten der baulichen Werte in Mecklenburg-Vorpommern, die sich als gebaute Kultur in unseren Städten … darstellen, sollten weiter befördert und die zur Belebung, Entwicklung und Pflege wertvoller Bauten nötigen Maßnahmen … unterstützt werden.“ Zitatende. Die etablierte reale Politik sieht anders aus. Bei einem Ortstermin in Heiligendamm mussten die Mitglieder des Landtags feststellen, dass das novellierte Baugesetz dem Abriss von historischen Villen der Perlenkette kein Riegel vorschieben konnte. Und wenn zwei weitere Villen zerstört werden, dann ist das ein Privatakt von Investor Jagdfeld, dessen zweifelhafte Spekulationen ebenso kulturlos sind wie die der internationalen Finanzbankrotteure. Sie sind die wahren Herren der Zeit: unnahbar, unverantwortlich, mit fremden Mitteln auf fremdes Risiko agierend, sodass kein Außenstehender etwas von ihrem wahren Tun, dieser geheimen und der Welt entrückten Zirkel, erfährt.

Genauso sieht die Architektur dieser außerirdischen Wesen aus. Schauen Sie doch nach Frankfurt am Main oder nach New York: himmelsstürmende Kuben mit einer strukturlosen Fassade aus Glas, an der jede hinterfragende Kritik abperlt und irrewird bei der Frage, hinter welchem Fenster wird sie fallen, die Entscheidung, die uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen wird – verlorene Rentenansprüche, sinkende Kassenleistungen, höhere Steuern, höhere Arbeitslosigkeit.

Baukultur hat immer etwas mit gesellschaftlichen Bedingungen zu tun. Wie gelebt und gearbeitet wird, so entsteht auch Baukultur. Kultur lässt sich nicht per Antrag beschließen. Kultur entsteht aus der Identität einer Volksgemeinschaft oder sie geht mit ihrer Entfremdung oder Zerrissenheit zugrunde. Die Politik der etablierten Systemparteien zerstört jede nationale Identität. Es entsteht eine völlig auswechselbare internationale Baukultur, die nicht mehr von völkischen Besonderheiten geprägt ist, sondern vom Zerfall in unkontrollierbare Oberschichten und ihrem eigenen Schicksal überlassene Unterschichten.

Wir Nationaldemokraten werden dies ändern. Wir sehen in der Identität einer Volksgemeinschaft den einzigen Ausweg aus der um sich greifenden Kulturlosigkeit. Scheint die Sonne noch so schön, einmal muss sie untergehn.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Herr Abgeordneter Borrmann, Sie haben in Ihrer Rede mehrfach Begriffe aus der Zeit des Nationalsozialismus verwendet, die Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie waren. Ich weise diese Begriffe hier auf das Entschiedenste zurück.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Baunach für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Roolf, ich denke doch, dass alle demokratischen Parteien und alle Sprecher und alle, die sich diesem Thema gewidmet haben über Jahre, dies auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit angehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Michael Roolf, FDP: Das war heute nicht zu erkennen. Das war heute leider nicht zu erkennen.)

Die Herren in den hinteren Reihen, die sind eben so, wie die Herren in den hinteren Reihen zu späten Abendstunden dann manchmal so sind. Aber das ist nicht mein Thema.

(Michael Roolf, FDP: Deshalb sitzen sie auch da. – Peter Ritter, DIE LINKE: Peinlich genug.)

Uns ist das Thema wichtig und darum geht es. Ich denke, die SPD-Fraktion und mit ihr auch die demokratischen Fraktionen in diesem Hause sind sich einig bei der Einschätzung über die Besonderheiten der baulichen Werte in M-V, die sich in der Tat als gebaute Kultur in unseren Städten und Dörfern darstellen.

Baukultur ist in den vergangenen Jahren immer mehr ein Thema geworden und alle Redner haben dies auch angedeutet aus ihrem Blickwinkel, aus ihrer beruflichen Identität, wie Herr Timm. Dieses Thema ist in der Gesellschaft angekommen, nicht nur in Deutschland, in Europa, weltweit bewegt dieses Thema die Menschen beziehungsweise die, die dafür verantwortlich sind. Ich denke, es sollte sie auch bewegen.

Ich will eigentlich nur einige Dinge kurz sagen. Damit wir uns auch in Mecklenburg-Vorpommern künftig wohlfühlen, stellt sich auch weiterhin die Frage nach der zukünftigen Gestaltung unserer Städte und Dörfer. Politik, Wirtschaft, Architektur und Städtebau müssen – und das ist auch allen bekannt – sich auch dem demografischen und wirtschaftlichen Wandel stellen, der unsere Gesellschaft in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch stärker prägen und noch mehr verändern wird. Wir setzen ja jetzt schon auf Rückbau, das Organisieren von Schrumpfungsprozessen, das Finden von neuen Nutzungspotenzialen. Mit diesen Dingen setzen wir uns doch jetzt schon auseinander. Ich denke, das ist gut so, dass wir dieses Thema heute noch mal auf die Tagesordnung gerufen haben. Ich muss es auch so sagen, es ist mir auch ein Bedürfnis gewesen über die Jahre, als einer, der dieses Thema hier begleitet hat.

Kurz noch eins: Baukultur ist und bleibt ein Standortfaktor. Das kann jeder von Ihnen in seinem Wahlkreis sehen,

in seiner Region verfolgen. Kurz noch: Das Verhältnis – Herr Timm hat es angesprochen und auch andere –, die Mischung von Tradition und moderner Baukultur muss stimmen. Dann fühlen sich die Einheimischen wohl und die Touristen ebenso. Das kann nur gut sein für unsere Städte und Dörfer und für unsere touristische Entwicklung hier im Land. Herr Schlotmann hat einiges dazu gesagt.

Aber eine Bemerkung möchte ich auch noch machen. Es geht nicht mehr – aufgrund der Dinge, die ich vorhin gesagt habe, demografische Entwicklung, Schrumpfprozess und so weiter – primär um Quantität, es geht einfach jetzt um Qualität in unserer ganzen Betrachtung dieses Problems.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Es müssen noch verstärkt qualitative Fragen des Bauens in den Mittelpunkt rücken.

Ich erwarte wie Sie alle Ende dieses Jahres die Unterrichtung zur Baukultur mit Interesse. Und wenn der Minister sagt, er kriegt es noch eher hin, dann sage ich erstens, schön und gut, gehe aber davon aus, dass es dann auch die nötige Gründlichkeit hat und die nötige Nachhaltigkeit.

(Angelika Peters, SPD: Das hat er ja angekündigt, Norbert. – Egbert Liskow, CDU: Davon gehen wir aus.)

Davon gehen wir aus und das sieht auch das Parlament so, Herr Minister.

Ich habe mir im Verkehrsausschuss noch einen Satz aufgeschrieben. Da hat der Minister angedeutet, er will der Baukultur einen neuen „Drive“ verleihen. Ich habe heute schon diesen neuen Drive vonseiten des Ministers, des Ministeriums gehört. Es war in letzter Zeit ein wenig ruhig geworden zu dem Thema, die Architektenkammer und die Ingenieurkammer haben von hinten ein bisschen geschoben.

(Michael Roolf, FDP: Aha! Aha!)

Wir waren alle irgendwo involviert in Gespräche mit der Architektenkammer, andere mit der Ingenieurkammer.

(Michael Roolf, FDP: Also doch!)

Insofern denke ich und hoffe auch, mit diesem Minister einen neuen Drive in der Thematik Baukultur zu sehen und dass dieser sichtbar wird.

Zum Antrag der Kollegen der FDP: Herr Roolf, ich hatte vorhin gesagt, ich gehe davon aus, der Bericht kommt, wir hören uns das an, dann gehen wir damit noch einmal in den Ausschuss und machen da noch einiges draus.

(Michael Roolf, FDP: Nicht unbedingt.)

Wir sind doch nicht so blauäugig zu glauben, dass alles das, was hier diskutiert worden ist und besprochen worden ist, ohne Abstimmung oder Gespräche beispielsweise mit der Architektenkammer abgelaufen ist, jedenfalls was mich betrifft und andere auch. Insofern lassen wir das.

Kollegin Lück, ich habe damals versprochen, ich sage das nie wieder, Herr Timm, ich komme auch nie wieder auf dieses Thema mit dem Spruch: „Vergebens predigt Salomo, die Leute machen’s doch nicht so“ mit dem gemeinsamen Antrag. Nun haben wir wieder alle einen