Meine Damen und Herren, Baukultur, da haben wir immer so die Assoziation, das war ja gestern und das sind die Dinge von gestern, die alle so schön und wunderbar sind, aber Baukultur findet nicht nur in der Vergangenheit statt, kann nur als Prozess betrachtet erfolgen. Wenn unser Bundesland zukunftsfähig sein will, dann ist es auch umso wichtiger, dass neue Bauvorhaben sowohl eine zeitgemäße Architektur und Formensprache als auch Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aufweisen.
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren ist in Mecklenburg-Vorpommern bekanntlich einiges gebaut worden. Es muss uns gelingen, Vorhandenes, Traditionelles zu pflegen, zu nutzen und Modernes entstehen zu lassen. Vieles, sehr viel mehr gäbe es zum Thema Baukultur zu sagen. Ich empfehle den besonders Interessierten zur Annäherung und Vertiefung nochmals diese Broschüre „Initiative zur Baukultur“. Diese ständigen Hinweise sind also kein Anzeichen dafür, dass ich irgendwie hier an irgendwelchen Aktionen beteiligt bin, aber dieser Hinweis gilt mehr oder minder dem neuen Bau-, sprich Verkehrsminister, aber dazu will ich nachher noch einiges sagen.
Dabei möchte ich schon heute an dieser Stelle meine Erwartungen ausdrücken dürfen, dass neben dem geforderten Bericht zum Ende des Jahres, Herr Bauminis
ter, über konkrete Ergebnisse und Aktivitäten in Sachen Baukulturinitiative vielleicht – und das meine ich jetzt noch mal, und ich halte sie noch mal hoch – eine ähnlich niveauvolle Darstellung zum Thema Baukultur wie in dieser Broschüre erarbeitet wird und auch dem Bürger unseres Landes, dem Tourismusverantwortlichen, dem Besucher unseres Landes zugänglich gemacht wird.
Meine Damen und Herren, wenn der Bericht vorliegt – und so meine ich das dann auch –, sollten wir in den entsprechenden Ausschüssen darüber diskutieren. Ich bitte also heute um Zustimmung zum vorliegenden Antrag.
(Michael Roolf, FDP: Wenn der Bericht vorliegt in den Ausschüssen? Wollen wir es nicht andersherum?)
Ich kann mich gern auf einen Dialog mit Ihnen einlassen. Wir haben ja im Antrag geschrieben, Herr Roolf, wir möchten, zum Ende des Jahres möge der Herr Minister im Landtag über Ergebnisse und Aktivitäten berichten. Und wenn er diesen Bericht gegeben hat, sollten wir diesen Bericht dann auch noch bearbeiten. In diesem Sinne danke ich Ihnen und bitte um Zustimmung zum vorliegenden Antrag, nicht ohne die Bemerkung, dass ich Herrn Roolf jetzt mal die Broschüre geben will. Er scheint sie ja nicht zu kennen. – Danke.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort hat zunächst gebeten der Verkehrsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Schlotmann. Herr Schlotmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine fröhlichen Abgeordneten hinten! Also, ich soll so etwas ja nie machen, jedenfalls erzählt man mir das immer, aber erst mal gebe ich ein Versprechen ab.
Also Ende des Jahres, das kann man ja unterschiedlich definieren, ich würde sagen, ich definiere das für mich und mein Haus so: so früh wie möglich, aber auch so gründlich wie möglich.
Meine Damen und Herren, wir haben es ja hier schon anklingen hören. Es gibt in vielen Bundesländern, aber auch in Kommunen mittlerweile, Initiativen zur Baukultur, einschließlich einer Gründung einer Bundesstiftung Baukultur mit Sitz in Potsdam. Aber auch darauf kann man ruhig mal stolz sein. Norbert Baunach hat das parlamentarische Hin und Her und dann doch mit einem wirklich sehr guten Ergebnis beendete Thema Baukultur hier im Landtag angesprochen. Wir haben hier im Landtag – Herr Baunach sagte das bereits – einstimmig einen Landtagsbeschluss gefasst, und dieser Beschluss be
inhaltete im ersten Satz Folgendes: „Die Landesregierung wird aufgefordert, einen breiten öffentlichen Dialog zu baukulturellen Fragen zu initiieren, um eine schrittweise Verbesserung der Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern zu erreichen.“ Damit waren wir die Ersten in der Bundesrepublik Deutschland, die das so als Landtag auf den Weg gebracht haben.
Ich habe aber durch Gespräche heute auch mitbekommen, dass einigen die Definition des Begriffes „Baukultur“ nicht ganz so gegenwärtig ist und was eigentlich alles noch mit dahintersteckt. Herr Baunach hat einen ganz kurzen Aufriss gemacht. Ich möchte, auch wenn wir doch etwas spät heute vielleicht hier rauskommen, die Chance einfach nicht vorbeigehen lassen, da noch ein paar Takte mehr zu sagen.
Meine Damen und Herren, es lohnt sich auch ein historischer Blick auf das Thema Baukultur. Baukultur ist institutionell in Deutschland nicht etwas völlig Neues, sondern 102 Jahre, wahrscheinlich auch auf Rügen, schon 102 Jahre alt, meine Damen und Herren. Vor 102 Jahren ist der Deutsche Werkbund gegründet worden. Dieser Deutsche Werkbund hat sich zum Ziel gemacht – das war ein Zusammenschluss von bildenden Künstlern, Architekten, aber auch Industriellen, Kaufleuten und Schriftstellern –, den Begriff der Baukultur in das Volk zu tragen, an jeder Stelle dafür zu kämpfen. Und er bekämpfte Schund und Talmi, trat für die gute, sachlich geprägte Form ein, bis hin zur Stadtentwicklung.
Ich möchte auch mal aufzählen, wer eigentlich zu den Gründern des Themas Baukultur in Deutschland gehörte. Vielleicht kennen einige diese Namen. Ich will nur zwei nennen, zum Beispiel Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe gehörten mit dazu, weltberühmt als Architekten. Und dieser Werkbund, der hat im Grunde genommen das Thema Baukultur in Deutschland vorangebracht. Und jetzt verstehen Sie vielleicht, wissen Sie, wenn wir uns als Parlamentarier dauernd vorwerfen, dass der andere einen Antrag stellt, der unsinnig ist oder nichts bringt und, und, und.
Ich versuche jetzt mal, in dieses Thema, das uns alle prägt – mit dem Thema kommen fast alle Abgeordneten auch ständig zu mir ins Ministerium –, einfach noch mal so ein bisschen Hintergrund hineinzubringen. Ich halte das für nicht unwichtig, denn – und deswegen habe ich diesen Ausflug in die Historie gemacht – dieser Deutsche Werkbund, der wie gesagt das Thema Baukultur in Deutschland massiv nach vorne gebracht hat, wurde 1934 von den Nationalsozialisten aufgelöst. Auch das gehört zu der Wahrheit, auch das gehört zum Thema Baukultur. Zum Thema Baukultur ist zum Beispiel auch diskutiert worden, schon in den 50er-Jahren im Rahmen einer großen Aktion, die große Landzerstörung. Das heißt, diejenigen, die sich mit Baukultur beschäftigt haben, haben schon in den 50er-Jahren das Thema Umweltverschmutzung, nur unter einem anderen Begriff, massiv diskutiert und einfließen lassen in ihre Arbeit, einschließlich der politischen Arbeit.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zurück zur aktuellen Situation. Wir haben als Landesregierung, und zwar seit vielen Jahren – und da schließe ich ausdrücklich und eindringlich auch Helmut Holter in seiner damaligen Funktion als Minister ein –, dieses Thema versucht, so gut es uns möglich war, manchmal galt es sogar, dicke Bretter zu bohren,
nach vorne zu tragen, um wirklich überall deutlich zu machen, welche Bedeutung hat dieses Thema, denn der Begriff Baukultur erschließt sich ja nicht jedem sofort. Was steckt da eigentlich alles dahinter? Unser Ziel war es, ist es und wird es bleiben, eine hohe Baukultur als Markenzeichen zu entwickeln, weiterzuentwickeln, mit dem sich dann letztendlich die Bürger identifizieren, das die Lebensqualität steigert und das attraktive Städte und Gemeinden sichert. Gebautes ist letztendlich auch ein Spiegelbild unserer gemeinsamen Gesellschaft. Hohe Baukultur bedeutet einerseits, die Geschichte und Tradition des Landes zu bewahren, und andererseits, auf moderne, innovative Architektur und nachhaltige Konzepte der Regional- und Stadtentwicklung und der Dorferneuerung zu setzen. Baukultur ist also, meine Damen und Herren, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sowohl der staatlichen Ebene wie auch der privaten Bauherren.
Erstens. Die Baukultur ist im Landesraumentwicklungsprogramm als eine Leitlinie der Landesentwicklung formuliert. Das wird gerne vergessen. Wir sind jetzt dabei – und ich hoffe, es wird gelingen –, dass in allen regionalen Raumentwicklungsprogrammen der baukulturelle Anspruch ebenfalls aufgenommen wird.
Zweitens. Die integrierten Stadtentwicklungskonzepte – viele von Ihnen werden das kennen als Wahlkreisabgeordnete – haben sich als wirksames Steuerungsinstrument bewährt, insbesondere in den Innenstädten und in den Großwohnsiedlungen. Deshalb wird derzeit im Rahmen der sogenannten ISEK-Fortschreibung geprüft, ob eine Leitlinie Baukultur als Teil der ISEK sinnvoll und leistbar ist, und da würde ich mich freuen, wenn es Anregungen aus den Fraktionen gibt.
Drittens. Wir wollen wichtige Alleinstellungsmerkmale in Mecklenburg-Vorpommern wie die Bauten der Backsteingotik sowie die Schlösser, Guts- und Herrenhäuser und ihre Parkanlagen besser vermarkten und dazu Initiativen für die Vernetzung, den Erhalt und die touristische Vermarktung möglichst vieler dieser Anlagen auslösen.
Viertens. Ein Garant für die hohe Architektur- und Städtebauqualität von Landesbauten ist die Tatsache, dass viele dieser Objekte im Ergebnis von Architekturwettbewerben entstanden sind. Aktuellstes Beispiel: Architekturwettbewerb für die Hochschule Wismar ist zurzeit in Arbeit, oder auch der für das Physikalische Institut der Uni Rostock. Hierfür gab es 2008 einen internationalen Wettbewerb. Weitere hervorragend gestaltete Bauten im Land sind Ergebnis von Wettbewerben, die nicht vom Land gebaut worden sind, zum Beispiel das Ozeaneum, das Müritzeum und weitere Neubauten von Gymnasien. Aber wenn man das jetzt so stehen lässt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass neben dem, was ich ganz zu Anfang gesagt habe, Baukultur im Wesentlichen Architekturhochbau ist. Ich will Ihnen eins sagen – und ich weiß nicht, ob ich da überall Beifall bekomme –, Baukultur hat etwas mit Verkehr zu tun, und zwar sogar im Wesentlichen mit Verkehr zu tun.
Man kann konstatieren, ich habe mit einigen Fachleuten bundesweit mich unterhalten, Verkehrsbauwerke werden bisher relativ selten unter dem Aspekt der Baukultur betrachtet.
Ihre Qualität entscheidet mit über die Gestalt der Städte und die Nutzbarkeit der öffentlichen Räume. Es hat hierzu ein Forschungsvorhaben gegeben des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung. Aus dem möchte ich zitieren, weil ich das ein ganzes Stück weit auch als Auftrag verstehe an mich und an uns, als Handlungsmaxime letztendlich: Der vorwiegende Handlungsbedarf auf der Bundes- und Länderebene besteht in der Intensivierung der Baukulturdiskussion bezüglich der Verkehrsinfrastruktur und in der Schaffung von ideellen Anreizen. Das haben wir zum Teil erledigt, im positiven Sinne, indem wir diesen Wettbewerb auf den Weg gebracht haben. Aber, meine Damen und Herren, auch auf kommunaler Ebene ist es wichtig, das Bewusstsein für baukulturelle Bedeutung von Verkehrsbauwerken zu stärken beziehungsweise hier auch Anreize zu schaffen und diese in der Stadtpolitik und -planung dann letztendlich zu verankern.
Auf der Ebene der Fachplaner und beteiligten Institutionen liegt die wichtigste Aufgabe in der Förderung, auch wenn es manchmal schwerfällt, auch das haben wir erlebt, in der interdisziplinären Zusammenarbeit und dem fachlichen Austausch von Architekten, Planern und Ingenieuren. Und – das habe ich mir lange überlegt, ob ich das sage, aber ich sage es, weil wir sehr freundschaftlich miteinander umgehen – für eine langfristige Verankerung gestalterischer Verantwortung für Ingenieurbauwerke müssen die Grundsteine im Bereich des Bildungssystems gelegt werden. Dies betrifft vor allem eine stärkere interdisziplinäre Ausrichtung der Fachrichtungen innerhalb der Hochschulen. Das ist, glaube ich, wenn man es ernst nimmt, unbestritten.
Meine Damen und Herren, seit 1998 wird der Landesbaupreis durch das für Bau zuständige Ministerium, die Architekten- und Ingenieurkammer im zweijährigen Rhythmus ausgelobt und es hat sich zu einem Aushängeschild für die Architektur- und Ingenieurbaukunst in Mecklenburg-Vorpommern auch über die Landesgrenzen hinaus entwickelt.
Mein Haus unterstützt ebenfalls die von der Architektenkammer ins Leben gerufenen Planerwerkstätten. In diesen Werkstätten werden für Problembereiche in Regionen, Städten beziehungsweise Dörfern Gestaltungs- und Entwicklungsvorschläge von Planern und Architekten gemeinsam erarbeitet. Kommunen bewerben sich zunehmend für diese Form der Ideenfindung. Die Ergebnisse dienen oft als Entscheidungshilfe. Bisher gab es zehn dieser Planerwerkstätten, die letzten in Dranske, Dorf Mecklenburg, in Anklam. Im Mai wird es eine Planerwerkstatt zur Ortsentwicklung in Peenemünde geben, wozu ich gerne auch die Schirmherrschaft übernommen habe.
Meine Damen und Herren, auch in den anderen Ressorts oder Kommunen gibt es baukulturelle Aktivitäten. Ich denke da zum Beispiel an den „Tag des offenen Denkmals“ oder „Unser Dorf soll schöner werden“, „Design
preis“ und so weiter. Es gibt da eine lange Liste. Es gibt also schon eine bemerkenswerte Vielfalt an Aktivitäten zur Verbreitung der Baukultur im Land, bedarf aber – davon bin ich überzeugt – einer wirklich stärkeren Vernetzung noch, als das bisher der Fall ist.