Protocol of the Session on January 28, 2009

Für die wichtige Novellierung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, des Landesverfassungsschutz- und des Kommunalwahlgesetzes bitte ich heute noch einmal um die Zustimmung durch die Kolleginnen und Kollegen des Landtages und möchte mich außerordentlich dafür bedanken, dass die Beratungen in dieser Zeit durchgeführt wurden, die auch die Möglichkeit einräumen, dass Kommunalwahlen auf der Grundlage dieser Änderung geführt werden können. Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Gelbe Karte, zumindest was den Innenminister betrifft, in dem Zeitraum nicht ganz unberechtigt ist. Insofern nehme ich auch Kritik an.

(Michael Roolf, FDP: He!)

Ich bin ja nicht ganz beratungsresistent. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Caffier.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schnur für die Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin vorweg ganz froh, dass wir das Thema nicht so sehr mit Emotionen verpacken. Das wäre ja auch unter Umständen zu erwarten gewesen. Nun gut.

Im Zusammenhang mit der Diskussion zum vorliegenden Gesetzentwurf muss vorab eines klar und deutlich gesagt werden: Die wirkungsvolle Bekämpfung des politischen Extremismus muss das Ziel aller Demokraten sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist aber überdies auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Landtagspräsidentin hatte darauf bereits heute früh hingewiesen. Darin sind wir Demokraten sicher auch alle einer Meinung.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung, den wir hier zu beraten haben, hat auch ganz überwiegend dieses Ziel. Mit der darin enthaltenen Änderung des Kommunalwahlgesetzes soll die wehrhafte Demokratie gestärkt werden, genauer gesagt soll jede Form des politischen Extremismus besser bekämpft werden können.

Um es für die FDP, für uns als Fraktion noch einmal klar zu sagen – der eine oder andere will es vielleicht auch gar nicht mehr hören –: An dieser Zielsetzung, den politischen Extremismus zu bekämpfen, gibt es für uns überhaupt keinen Zweifel.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP)

Gleichwohl muss ich im Hinblick auf diesen Gesetzentwurf für die FDP-Fraktion feststellen, dieses Gesetz lässt einfach viel zu viele Fragen offen, sodass wir hier und heute, das muss man auch vorwegsagen, diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können. Man könnte es kurz zusammenfassen: Gut gemeint ist eben nicht automatisch auch gut gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Richtig.)

Die Entscheidungsfindung haben wir uns allerdings wahrlich nicht leicht gemacht. Ich denke, das wird jeder verstehen. Das haben wir auch in den Beratungen mitbekommen. Auch das möchte ich betonen. Dafür ist das Thema viel zu sensibel.

Im Hinblick auf Artikel 3 des Entwurfes, und das ist ja der wesentliche Teil, der Änderung des Kommunalwahlgesetzes, hat sich die Diskussion ganz wesentlich auf den Paragrafen 61 konzentriert, der Frage nach der Wählbarkeit von Bewerbern für das Amt von Bürgermeistern und Landräten und hierbei insbesondere auf die Zuständigkeit von Wahlausschüssen. Nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfes soll bei Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten, die Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers geben, der betreffende Wahlausschuss die Rechtsaufsichtsbehörde um Prüfung bitten. Die Rechtsaufsichtsbehörde wiederum kann dann im Rahmen dieser Prüfung Auskünfte über den Bewerber von der Verfassungsschutzbehörde des Landes einholen und danach unterrichtet die Rechtsaufsichtsbehörde den Wahlausschuss unverzüglich über das Ergebnis der Prüfung.

Meine Damen und Herren, die durchgeführte Anhörung des Innenausschusses hat im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Gesetzentwurfes eines klar gezeigt: Es ist und bleibt umstritten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Sehr Richtig.)

Letztlich geht es ja um die Frage, ob das passive Wahlrecht durch dieses Verfahren in zulässiger Art und Weise eingeschränkt werden kann oder eben auch nicht. Eine Rechtfertigung der Einschränkung des passiven Wahlrechtes könnte unter dem Aspekt der wehrhaften Demokratie in Betracht kommen. „Der Grundsatz der wehrhaften Demokratie“, ich zitiere jetzt auch von Herrn Murswiek, „ist jedoch kein selbstständiger Rechtfertigungsgrund für beliebige Beschränkungen politischer Grundrechte, sondern eine Zusammenfassung derjenigen Regelungen, die das Grundgesetz zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung enthält.“

Die grundgesetzlichen Bestimmungen über die wehrhafte Demokratie sehen die Möglichkeit eines Ausschlusses von Wahlbewerbern grundsätzlich nicht vor. Zwar kann das Bundesverfassungsgericht Personen, die bestimmte Grundrechte verwirkt haben, auch das Wahlrecht und die Wählbarkeit aberkennen. Solange das Bundesverfassungsgericht eine solche Entscheidung nicht getroffen hat, ist der Entzug des aktiven oder passiven Wahlrechtes eben nicht möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist eben falsch. – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Für die Entziehung des passiven Wahlrechtes im Zusammenhang mit Bürgermeister- und Landratswahlen ist eines klar: Die mangelnde Verfassungstreue ist dann nachweisbar, wenn der Bewerber sich weigert, die Verfassungstreueerklärung zu unterschreiben. Ansonsten gibt es kaum einen Grund, jemand nicht zur Wahl zuzulassen. Die Zulassungsvoraussetzungen für Wahlvorschläge sind klar auf Kriterien zu begrenzen, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen auch objektiv festgestellt werden kann. Allein diese sehr komplexe Situation wirft schon Fragen auf, inwieweit ein Wahlausschuss über die Verfassungstreue von Bewerbern objektiv überhaupt entscheiden kann.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Es ist entsprechend des Demokratieprinzips insgesamt festzuhalten, dass in einer Demokratie die Wählerinnen und Wähler die Persönlichkeit des Bewerbers zu beurteilen haben, und eben nicht der entsprechende Wahlausschuss.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Sehr Richtig.)

Die Gefahr, dass Bewerber wegen möglicherweise fragwürdiger Einschätzungen des Verfassungsschutzes aussortiert werden und damit die Wahl durch fehlerhafte Entscheidungen verfälscht wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Dies billigend in Kauf zu nehmen, ist nach unserer Auffassung wenig tragbar. Die Praxis der Verfassungsschutzberichte zeigt eben auch, dass durch Verfassungsschutzbehörden leider auch Fehleinschätzungen nicht immer ausgeschlossen werden können.

(Michael Roolf, FDP: Genau so.)

Nicht auszuschließen ist auch, dass die Verfassungsfeindlichkeit eines Wahlbewerbers von der Mehrheit des Wahlausschusses einfach behauptet wird, obwohl die betreffenden Mitglieder des Ausschusses keineswegs tatsächliche Anhaltspunkte haben, dass ein Wahlbewerber verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.

(Michael Andrejewski, NPD: Das soll schon vorgekommen sein.)

Der politische Druck, der sofort mit dem Auftreten eines ungeliebten Bewerbers auf den Wahlausschuss ausgeübt wird, ist ebenso zu berücksichtigen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja.)

Wie soll sich ein Wahlausschuss diesem Druck entziehen? Was muten wir dem jeweiligen Wahlausschuss da eigentlich zu?

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Gehorsam.)

Diese Fragen müssen doch erlaubt sein. Es ist also denkbar, dass der Wahlausschuss von einem institutionellen Gremium zu einem politischen Gremium verändert wird.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Dies ist unter keinen Umständen zu akzeptieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Andrejewski, NPD: Wer sitzt denn da drin?)

Bewusster Missbrauch, ohne jemand etwas unterstellen zu wollen, kann ebenso nicht völlig ausgeschlossen werden.

Aber, meine Damen und Herren, es sind nicht nur diese Erwägungen, die im Ergebnis zu einer Ablehnung des Gesetzentwurfes führen. Es ist eben auch – Frau Měšťan hat darauf ja auch schon hingewiesen – die mangelnde Praktikabilität der Regelungen.

Offengeblieben sind zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit den Informationen des Verfassungsschutzes, die über den Umweg der Rechtsaufsichtsbehörde gegeben werden. Welche Qualität haben diese Informationen eigentlich? Sind es wirklich nur allgemein zugängliche Informationen? Wenn das so ist, dann stellt sich allerdings die Frage, welchen Sinn dieses Verfahren überhaupt hat.

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

Oder wird hier durch die Rechtsaufsichtsbehörde vielleicht nur eine Bescheinigung, dass Informationen zur fehlenden Verfassungstreue vorliegen oder eben nicht vorliegen, ausgestellt? Eine Art Persilschein für Wahlen? Man mag sich nicht vorstellen, wenn extremistische Gruppierungen am Ende auch noch damit werben, dass sie im Gegensatz zu anderen Bewerbern verfassungstreu sind, da diese ja nicht überprüft wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Aber weiter ist zu fragen, wie der Wahlausschuss mit dem Aushändigen einer solchen Bescheinigung überhaupt eine Prüfung vornehmen kann. Er kann sich ja nicht mal ein Urteil erlauben, weil er keinerlei Informationen hatte. Hier stellt sich wiederum die Frage nach dem Sinn des Verfahrens.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Wenn es Informationen sind, die aus nicht allgemein zugänglichen Quellen stammen, welche Qualität haben die Informationen denn dann? Letztlich können nur gerichtsverwertbare – auch das ist mehrfach gesagt worden – Tatsachen eine Entscheidung hinreichend

begründen. Wie soll aber ein Wahlausschuss erkennen, ob das entsprechende Material gerichtsverwertbar ist oder nicht? Und wenn die Angaben auch noch aus allgemein zugänglichen Quellen stammen, dann stellt sich die Frage weiter, ob der Wahlausschuss insoweit der Verschwiegenheit unterliegt. Ein Wahlausschuss tagt doch immer öffentlich

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja.)

und in kritischen Fällen sitzt die Presse sicher auch mit im Raum. Und weiter stellt sich die Frage, ob Informationen während des Zeitraums der Prüfung des Wahlausschusses im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten an Dritte gelangen können. Und es stellen sich weitere Fragen. Wie soll eigentlich die Prüfung insgesamt aussehen? Hierzu fehlen Antworten. Kann nicht allein das Auslösen des Prüfverfahrens schon eine Art Vorverurteilung sein und als Instrument des Missbrauchs benutzt werden? Besteht hier nicht auch das Risiko der Denunziation beziehungsweise der Verhinderung eines ungeliebten Bewerbers?