Protocol of the Session on January 28, 2009

Meine Damen und Herren, jeder Ausschuss in diesem Landtag hätte in dieser Situation innegehalten. Er hätte die aufgezeigten Probleme strukturiert, die vorgesehenen Lösungen kritisch hinterfragt und nach weniger riskanten Alternativen gesucht, ja suchen müssen.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das zeigt die Sinnlosigkeit.)

Die hierfür notwendige Zeit wurde dem Innenausschuss aber nicht gelassen, denn nach neuem Recht müssen die Wahlleiter spätestens am 13. Februar die Wahlbekanntmachung veröffentlichen und vorher muss das vorliegende Gesetz noch ins Gesetz- und Verordnungsblatt. Und hier hinein gehen dann auch die ungelösten Probleme und Verfassungsrisiken.

Meine Damen und Herren, sind diese Entscheidungsbefugnisse wirklich bei den Wahlausschüssen richtig angesiedelt? Welche Konsequenzen hat es, wenn die Wahlausschüsse gegenüber der Rechtsaufsicht künftig ihre Unabhängigkeit formal behalten, de facto aber verlieren?

(Michael Andrejewski, NPD: Die haben wir schon lange nicht mehr.)

Kann jetzt nach Auffassung des Wahlausschusses jemand wählbar sein, der später nicht zum Ehrenbeamten zu ernennen ist? Was heißt es konkret, dass die Rechtsaufsicht nur gerichtsverwertbare Tatsachen heranziehen darf? Wie ist der Quellenschutz zu praktizieren? Ist die im Gesetzentwurf nunmehr vorgesehene beamtenrechtliche Prüfung bereits im Vorfeld der Wahlen überhaupt zulässig? Diese und weitere Fragen werden durch die vorgenommenen Änderungen der Koalitionsfraktionen am Gesetzentwurf nicht beantwortet und genau deshalb lehnen wir ihn ab. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Měšťan.

Das Wort hat jetzt der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Liebe Kollegin Měšťan, ich bin, was die Ausführungen von Ihnen betrifft, etwas erstaunt, denn in bestimmten Zusammenhängen gab es zu den Verfahrensfragen bisher, was den Gesetzesinhalt in Gänze betrifft, zwischen den demokratischen Parteien keine unterschiedlichen Auffassungen. Letztendlich haben die Anhörungen auch ergeben, dass das, was hier getan wird, nicht gesetzeswidrig ist, sonst hätten wir es gar nicht tun können. Sie müssten noch fairerweise hinzufügen, dass der Städte- und Gemeindetag auch geschrieben hat, dass er sich das anders gewünscht hätte, was die zwei Gesetzesvorhaben betrifft, aber dass man es auch so machen kann, wie es gemacht worden ist.

Vor zehn Wochen ist der vorliegende Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht worden. Zur damaligen Begründung im Verfassungsschutzgesetz habe ich auf den Anschlag vom 11. September und auf die nachfolgenden Attentate aus dem islamistischen Täterspektrum hingewiesen. Die erst durchgeführten Anschläge Ende November in Bombay haben uns erneut die ständige weltweite Bedrohung durch den internationalen Terrorismus vor Augen geführt. Ich danke daher allen Kollegen im Innenausschuss dafür, dass sie das vorliegende Gesetz zügig beraten und eine Beschlussempfehlung gefasst haben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Von beraten kann ja wohl nicht die Rede sein.)

die es uns heute ermöglicht, das Gesetz in Zweiter Lesung verabschieden zu können.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Genau so war es eben nicht.)

Der Gesetzentwurf beinhaltet eben verschiedene Facetten, wie Sie schon richtig erwähnt haben: das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, das Verfassungsschutzgesetz und Teile des Kommunalwahlgesetzes.

Artikel 1 modifiziert die Sicherheitsüberprüfungsgesetzgebung. Die elektronische Aktenführung bei Sicherheitsüberprüfungen soll auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Diese Form der Vorgangsbearbeitung ist für eine moderne, effiziente Verwaltung unerlässlich.

Durch Artikel 2 wird das Landesverfassungsschutzgesetz geändert. Der Verfassungsschutz in MecklenburgVorpommern soll die Möglichkeit erhalten, wie eben auch auf Bundesebene Geldströme und Reisewege von Terroristen sowie deren Kommunikationswege zu erkennen und zu überwachen. Dazu ist es erforderlich, dass der Verfassungsschutz die Befugnisse erhält, bei Finanzdienstleistern, Postdienst- und Luftfahrtunternehmen sowie Telekommunikations- und Telemedienanbietern Auskünfte einzuholen. Zusätzlich wurde aufgenommen, dass diese Instrumente auch zur Bekämpfung des Extremismus eingesetzt werden können, allerdings nur in den Fällen, in denen er einen Gewaltbezug aufweist. Ein weiterer Punkt bei der Änderung des Verfassungsschutzgesetzes betrifft wie bei der Änderung des Sicherheits überprüfungsgesetzes die Normierung der elektronischen Aktenführung.

Im Zusammenhang – und da haben Sie recht – mit diesen bedeutsamen Änderungen im Verfassungsschutzgesetz soll auch das Kommunalwahlgesetz verändert werden. Dies ist deshalb besonders dringlich und wichtig, weil im Sommer dieses Jahres bereits die nächsten Kommunalwahlen zusammen mit den Europawahlen anstehen.

(Michael Andrejewski, NPD: Was wir ja jetzt erst wissen.)

Insbesondere die Kommunalwahlen verbunden mit der Wahl der ehrenamtlichen Bürgermeister am 7. Juni sind eine Herausforderung für alle demokratischen Kräfte in diesem Land.

(Michael Andrejewski, NPD: Besonders für uns.)

Es gilt diesmal, nicht nur die Wähler von der jeweils eigenen Politik zu überzeugen,

(Stefan Köster, NPD: Das gelingt Ihnen nicht.)

um neu oder wieder gewählt zu werden. Nein, diesmal eint uns Demokraten – und ich denke, das ist innerhalb der vier demokratischen Fraktionen zumindest unstrittig –

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

noch ein weiteres Ziel, dass wir alle Kräfte mobilisieren:

(Michael Andrejewski, NPD: Die Nationale Front steht wieder. – Zurufe von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Wir wollen verhindern, dass rechtsextreme Kräfte in diesem Land an Boden gutmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Stefan Köster, NPD: Gelingt Ihnen aber nicht.)

Vor allem – und dazu wird die Gesetzesänderung ihren Beitrag leisten – wollen wir verhindern, dass Bürgermeisterämter in unseren Gemeinden wie auch die Ämter der Landräte verfassungsfeindlichen Kräften in die Hände fallen.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Daher wird die Prüfung der Verfassungstreue bei Bürgermeister- und Landratskandidaten ein besonderes Gewicht erhalten und dem Wahlausschuss mehr Zeit für diese Prüfung geben, als das bisher der Fall gewesen ist. Und das ist auch gut so.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Er soll drei Wochen – statt bisher acht Tage – Zeit für die Zulassung der Wahlvorschläge haben. Wenn tatsächlich Anhaltspunkte für Zweifel an der Verfassungstreue eines Kandidaten vorhanden sind, wird der Wahlausschuss den Wahlvorschlag künftig der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde zur Prüfung zuleiten. Solche Umstände oder Anhaltspunkte können sich aus objektiven Umständen wie zum Beispiel Reden, Veröffentlichungen und öffentlichen Auftritten ergeben. Als Regelfall für solche tatsächlichen Anhaltspunkte wird die Mitarbeit in einer extremistischen Partei oder Gruppierung anzusehen sein. Der Wahlausschuss behält aber immer das Recht der Entscheidung für die Wahlzulassung. Die Rechtsaufsichtsbehörde hilft lediglich, seine Entscheidung, sofern die berechtigten Zweifel bestehen, vorzubereiten. Dabei ist sie berechtigt, sich an die Verfassungsschutzbehörde zu wenden. Diese teilt mit, ob und gegebenenfalls welche Erkenntnisse über den Bewerber vorliegen. Die Rechtsaufsichtsbehörde lässt diese Auskunft dann in ihre Stellungnahme einfließen, die sie dem Wahlausschuss vor Ort rechtzeitig zukommen lässt.

Als Ergebnis der Sachverständigenanhörung – und auch das wäre korrekterweise dann richtig, das hier so darzustellen – im Innenausschuss ist dabei noch eine Klarstellung in den Gesetzestext eingefügt worden, dass die Rechtsaufsichtsbehörde auch befugt ist, die vom Verfassungsschutz mitgeteilten Erkenntnisse an den Wahlausschuss weiterzuleiten.

An dieser Stelle möchte ich dem Innenausschuss noch einmal ausdrücklich für die trotz des großen Zeitdruckes gründliche und trotz aller inhaltlichen Gegensätze äußerst sachliche Behandlung des Gesetzes danken. Da bewährt sich letztendlich immer wieder der eingeforderte Zusammenhalt aller Demokraten in diesem Lande bei unterschiedlichen Auffassungen.

Nun aber noch einmal zurück zum neuen Prüfverfahren: Eine solche Anfrage beim Verfassungsschutz wird nicht der Regelfall sein. Ich habe das an dieser Stelle zwar schon einmal ausgeführt,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

aber bei diesem wichtigen Punkt riskiere ich es gerne, mich zu wiederholen.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Frank Borrmann, NPD)

Eine Regelanfrage wird nicht geschaffen. Die meisten Bürgermeisterkandidaten wird das neue Verfahren im Übrigen gar nicht betreffen, da es keinen Anlass gibt, an ihrer Verfassungstreue zu zweifeln.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Aber für den Fall, dass ein Kandidat mit extremistischem Hintergrund, und zwar offensichtlich so, dass es schon jedem im Umfeld bekannt ist, antreten will, wird den Wahlausschüssen – und das halte ich auch für legitim – nun ein wirkungsvolles Instrumentarium an die Hand gegeben, dies zu verhindern. Die Entscheidung bleibt immer beim Wahlausschuss.

In meinem Bemühen, die Demokraten gegen alle Formen von Extremismus zusammenzuschweißen, fühle ich mich bestätigt durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Greifswald, das erst im Dezember letzten Jahres gegen ein Mitglied dieses Hohen Hauses ergangen ist. In diesem Urteil hat das Gericht festgestellt, dass dieses Mitglied des Landtages nicht geeignet wäre, Landrat zu werden, da es die Zweifel an seiner Verfassungstreue nicht ausräumen konnte.

(Michael Andrejewski, NPD: Da stehen noch andere Sachen drin.)

Weiterhin entschied das Gericht, dass die Forderung des Kommunalwahlgesetzes nach der Verfassungstreue eines Landratskandidaten nicht etwa verfassungswidrig sei.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau so.)

Ich bin zuversichtlich, dass diese Rechtsprechung auch für die Zukunft hält.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss kommen: Weitere Änderungen im Kommunalwahlgesetz dienen der Vorbereitung der Kreisgebietsreform. Es wird klargestellt, dass die Vorschriften über Wahlen aus besonderen Anlässen nicht nur bei Neustrukturierung, sondern auch bei allgemeinen Gebietsreformen anwendbar sind. Weiterhin wird klargestellt, dass die Auflösung von Landkreisen auch die Wahlzeit der Kreistagsmitglieder betrifft.