Protocol of the Session on December 19, 2008

Ich möchte Ihnen alles Gute wünschen, Gesundheit und Schaffenskraft und bitte Sie, nach vorne zu kommen, damit wir auch die Blumen überreichen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Gratulationen)

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 32: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Mittel- und langfristige Schritte in der Kulturpolitik der Landesregierung, Drucksache 5/2042.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Mittel- und langfristige Schritte in der Kulturpolitik der Landesregierung – Drucksache 5/2042 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

(Jörg Heydorn, SPD: Rüber mit der Schmalzstulle!)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 4. Juli haben wir in diesem Hohen Hause den Antrag „Kulturelle Infrastruktur und demografischer Faktor“ behandelt. Das ist ein Antrag, der gewiss bei einigen in Erinnerung geblieben ist, weil es eine bemerkenswerte Debatte gab.

Wenn Sie sich erinnern oder besser gesagt vielleicht noch vorweg: Es ist üblicherweise so, dass zwischen die Koalitionäre und die Regierung kein Blatt Papier passt. Also die Koalitionäre tragen die Regierung und man hat dann in der Regel ein abgestimmtes Verhalten, was das Herangehen an einen entsprechenden Antrag betrifft. An diesem 4. Juli zu besagtem Antrag war das nicht der Fall.

Während Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU und SPD, ablehnend und verweigernd reagierten, hat der Bildungsminister sechs Schwerpunkte der Kulturpolitik der Landesregierung und selbstverständlich seines Hauses hier dargestellt, die sehr beachtlich sind und die – deshalb auch heute unser Antrag – weiterer parlamentarischer Aktivitäten bedürfen.

Ich möchte die noch einmal gern in Erinnerung rufen: Erstens sprach der Bildungsminister bei den Schwerpunkten zum Thema Kulturfinanzierung. Zweiter Schwerpunkt war strategisches Handeln – man beachte die Reihung. Drittens: Stärkung von Kooperationen; viertens: Sicherung der Grundversorgung; fünftens: kulturelle Bildungsangebote und sechstens: Ausbau der ehrenamtlichen Arbeit. In diesem Zusammenhang sprach der Bildungsminister von mittel- und langfristiger Planung.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sollten gemeinsam ein Interesse haben, diese Schwerpunkte zum Gegenstand politischer Gestaltung zu machen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf verweisen, dass es, wenn wir uns dieser Sache widmen, bestimmter Bedingungen bedarf.

Die erste Bedingung ist aus unserer Sicht eine Selbstverständigung und eine Begriffsbestimmung. Was heißt beispielsweise strategisches Handeln in Bezug auf

Kulturpolitik? Ist Strategie oder strategisches Handeln zum Beispiel die langfristige Finanzzusage, wenn ich an die Theater und Orchester denke? Ich könnte sagen Ja. Für die LINKE ist Strategie zuallererst Klären der Bedeutung von Kultur in der Gesellschaft. Kultur, sagt die Enquetekommission des Bundestages, ist das Fundament unseres Lebens. Und ich erinnere mich noch gut daran, Herr Kreher, wie Sie seinerzeit hier, als wir über Kultur gesprochen haben, ein Brot mit ans Rednerpult brachten und darauf hingewiesen haben, was zur Kultur alles dazugehört.

Und insofern ist es notwendig, wenn wir über strategisches Handeln sprechen, diese Frage in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen zu stellen. Ich hole das vielleicht weit her, aber ich sehe da schon einen Zusammenhang. Wenn Sie sich erinnern an die Diskussion der letzten beiden Tage, haben wir mehrfach über die Finanzkrise gesprochen. Herr Kuhn war der Meinung, dass die Finanzkrise lediglich eine Delle darstellen würde.

Ich meine, die Finanzkrise ist eine Gesellschaftskrise. Die Art und Weise, wie wir produzieren und verteilen, ist in einer Krise. Zu meinen, viel Geld in die Hand zu nehmen und Not leidenden Konzernen zu geben, zu meinen, Leitzinsen zu senken et cetera pp., aber die gesellschaftlichen Grundlagen und Mechanismen beizubehalten, sind nichts als Strohfeuer und Placebo. Der Krise wirksam zu begegnen, ist eine kulturelle Frage. Wie produzieren wir? Wie wird verteilt? Wer hat Verfügungsgewalt?

(Udo Pastörs, NPD: Das ist die Gretchenfrage.)

Es geht um den Stellenwert von Kunst und Kultur. Es geht um die Frage der Teilhabe am gesellschaftlichen Austausch. Insofern ist strategisches Handeln unter anderem die Verknüpfung von verschiedenen Bereichen. Das ist ein Punkt, den wir vermisst haben in der damaligen Rede und den wir unbedingt betont sehen wollen, die Verknüpfung zum Beispiel von Kultur und Wirtschaft, von Kultur und Tourismus, von Kultur und der Entwicklung des ländlichen Raumes.

Der Bildungsminister hat in seiner Rede auf der Landeskulturkonferenz am 20. Oktober von einer Vernetzung gesprochen und auch dafür Beispiele genannt, zum Beispiel die Vernetzung von Klosterstätten und Literaturhäusern. Keine Frage, das ist ein wichtiger Punkt. Aber ressortübergreifendes, vernetzendes Denken und Handeln vermissen wir bislang, das wollen wir hier zur Sprache bringen und hoffen, dass das weiter Gegenstand parlamentarischer Debatte ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt, der vom Bildungsminister genannt wurde, ist die kulturelle Grundversorgung. Was aber gehört zur kulturellen Grundversorgung? Es ist die Rede von Musik- und Jugendkunstschulen, von Theatern und Orchestern, von kulturellen Leuchttürmen ist am 20. Oktober in der besagten Rede gesprochen worden. Kulturelle Grundversorgung wird einer der zentralen Begriffe sein, in dem der Anspruch staatlicher Kulturförderung in Zukunft gemessen werden kann.

Der Deutsche Kulturrat, wie auch viele andere, haben festgestellt, dass die Kultur für die Daseinsvorsorge unverzichtbar ist und daher einer öffentlichen Förderung bedarf. Daseinsvorsorge im Bereich der Kultur meint ein flächendeckendes Kulturangebot in verschiedenen

künstlerischen Sparten, das zu erschwinglichen Preisen mit niedrigschwelligen Zugangsmöglichkeiten breiten Teilen der Bevölkerung kontinuierlich und verlässlich zur Verfügung steht. Dieses Angebot muss qualitativ hoch stehend und innovativ sein. Somit stellen sich diese Fragen im Zusammenhang mit der kulturellen Grundversorgung: Was ist mit der Breitenkultur? Was ist mit der freien Szene? Was heißt kulturelle Grundversorgung für Bibliotheken?

Jüngst hat mich ein Kreistagsabgeordneter aus Friedland angerufen, also im Kreis Mecklenburg-Strelitz, und hat darauf verwiesen, dass die Kreisbibliothek Mecklenburg-Strelitz aufgelöst werden soll und die Bestände verteilt werden sollen. Ich erinnere an die mehrfachen Debatten, die wir hier im Hause hatten zum Bestand der Biblio theken und zu einem Entwicklungskonzept. Ich weiß, dass Ihr Haus daran arbeitet, dass es am 11. November ein Gespräch mit dem Landesverband gegeben hat. Aber in der Zwischenzeit gehen Bibliotheken krachen.

Sehr geehrte Damen und Herren, völlig zu Recht ist kulturelle Bildung von Ihnen, Herr Tesch, als Schwerpunkt benannt worden. Kulturelle Bildung bestärkt die Ausbildung von Selbstbestimmung und Individualität. Damit ist Kultur ein Schlüssel dagegen, dass die völkische Idee der Vermassung weiter Raum greift. Kulturelle Bildung befördert Offenheit gegenüber Neuem. Offenheit gegenüber Neuem, dem noch fremden Anderen in einer sich schnell verändernden Welt, das ist ein Schlüssel gegen eine völkische Aggressivität.

Wer heute Früh schon die Nachrichten gehört hat, hat erfahren, dass der Passauer Polizeichef, auf den am Wochenende ein Mordanschlag verübt wurde, heute das Krankenhaus verlassen kann. Im Zusammenhang mit diesem Mordanschlag ist darüber gesprochen worden, dass die rechtsextremistische Gewalt in diesem Land eine neue Dimension habe. Wenn das stimmt, was heißt das? Was heißt das für unser Zusammenleben, eine neue Dimension rechtsextremistischer Gewalt? Ich möchte mit Brecht antworten. Er sagt, Beschwörungen helfen nicht. Den Hinweis darauf, er sei roh, beantwortet der Faschismus mit dem fanatischen Lob der Rohheit. Bezichtigt, er verletze die Vernunft, schreitet er wohlgemut zur Verurteilung der Vernunft.

(Michael Andrejewski, NPD: Das sagt der Stalin-Preisträger. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sie sind eine Flachzange, Herr Andrejewski. – Zurufe von Wolfgang Griese, DIE LINKE, und Michael Andrejewski, NPD)

Ich bin, sehr geehrte Damen und Herren, der Meinung, Kultur, kulturelle Bildung ist der Schlüssel, um einer neuen Dimension rechtsextremistischer Gewalt nachhaltig entgegenzuwirken.

Eine zweite Bedingung, sehr geehrte Damen und Herren, für den Umgang mit den Schwerpunkten, ist ihre substanzielle Untersetzung. Wann soll also was in Bezug auf die Schwerpunkte passieren? In welcher Dimension soll beispielsweise der Schwerpunkt Kulturfinanzierung umgesetzt werden? Wann und in welchem Umfang erhöht sich der Kulturetat? Wird es eine Abkehr von untauglichen Förderpraktiken geben?

Sehr geehrte Damen und Herren, eine dritte Bedingung für den Umgang mit Schwerpunkten ist ihre Verände

rung entsprechend den Erfordernissen. Aus Sicht der LINKEN ist es zunächst aber notwendig, diese Schwerpunkte – es waren ja sechs – um zwei weitere zu ergänzen. Hinzugefügt werden muss der interkulturelle Dialog und hinzugefügt werden muss eine Beschäftigungsoffensive im Bereich der Kultur. Ich halte es für einen Widersinn, im Engagement um den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen hier das Wort zu reden. Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Das spreche ich niemandem ab.

(Udo Pastörs, NPD: Doch, uns auf jeden Fall.)

Das ist uns ein ganz wichtiges Thema. Es ist uns ein ganz wichtiges Thema, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Aber mir scheint, der Kulturbereich ist davon ausgeblendet.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und das ist nicht hinnehmbar. Wir haben in den letzen Jahren 80 Arbeitsplätze verloren allein bei den Bibliotheken. Dem Eckpunktepapier zu den Theatern und Orchestern ist zu entnehmen, dass 180 Arbeitsplätze in Theatern und Orchestern wegfallen werden. Es gibt einen Abbau von regulärer Beschäftigung in Literaturhäusern und Museen. Angesichts hoher Subventionen und Förderung im Schiffbau und der Landwirtschaft behaupte ich, die Einspielergebnisse, also Verhältnisse von Gewinn, Erlös und realen Produktionskosten von Schiffbauern, Landwirten und Schauspielern, liegen relativ gesehen dicht beieinander. Wenn uns Arbeitsplätze wirklich wichtig sind, und das sind sie doch, dürfen wir zwischen ihnen nicht unterscheiden. Deshalb fordern wir eine Beschäftigungsoffensive im Kulturbereich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Arbeitsplätze, sehr geehrte Damen und Herren, im Kulturbereich schaffen einen doppelten Effekt, einmal einen monetären und einmal unbezahlbare ideelle Werte. Ich möchte als Beispiel dafür nur das Müritzeum in Waren an der Müritz anführen: über 300.000 Besucherinnen und Besucher seit der Eröffnung, ein grandioses Ergebnis. Die Eintrittspreise sind nicht von Pappe. Da ist also viel Geld eingenommen worden und zugleich ist unschätzbar wertvolle Umweltbildung, kulturelle Bildung an diesem Ort geschehen. Und das ist eine ganz wichtige Sache. Die Arbeitsplätze, die da geschaffen wurden, haben einen sehr hohen Stellenwert.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, woran misst man Wertschöpfung?)

Sehr geehrte Damen und Herren, Kultur muss Gegenstand und Ziel aller Politik sein. Wir brauchen eine Landeskulturpolitik auf der Höhe der Zeit, deshalb unser Antrag, und ich bitte Sie, stimmen Sie ihm zu. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Koplin.

Für den Zwischenruf erteile ich dem Abgeordneten Herrn Ritter einen Ordnungsruf.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Vierkant von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag wird wieder einmal die Regierung aufgefordert, kulturpolitische Schwerpunkte zu setzen, Kulturfinanzierung, strategisches Handeln, Kooperationen zu stärken, Grundversorgung zu sichern,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

kulturelle Bildungsangebote für alle, ehrenamtliches Engagement auszubauen, differenziert und mit konkreten Maßnahmen zu untersetzen.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das sind die Schwerpunkte Ihres Ministers. Das ist doch eine gute Sache.)

Kunst und Kultur sind frei, die Gedanken und Meinungen darüber auch und das wird glücklicherweise auch so bleiben. So ist es für mich selbstverständlich, ebenso wie für die Landesregierung, dass sich diese Bereiche möglichst frei von staatlichen Zwängen entwickeln sollen. Das ist ein Prozess, der wegen seiner Freiheit selbstverständlich nicht mit Fünfjahresplänen festzulegen ist.

Mit und seit der Kulturanalyse 2004 liegt meines Erachtens ein sehr wichtiges Instrumentarium vor. Darüber hinaus hat das Ministerium mit dem Kulturbeirat ein wichtiges Beratungsgremium geschaffen und die Landeskulturkonferenz hat sich zu einem bedeutenden Forum der Kulturpolitik entwickelt.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, alle paar Wochen wieder kommen Sie mit ähnlich lautenden Anträgen, um ähnlich gleiche Sachverhalte zu erfragen, die längst beantwortet sind.