Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Finanzministerin auf Drucksache 5/1991 zur Beratung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer ist für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung durch die Fraktion der SPD, der CDU, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der NPD angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Chancen des Alters weiterhin konsequent nutzen – Infrastruktur an veränderte Bedürfnisse anpassen, auf der Drucksache 5/2056. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/2093 vor.
Antrag der Fraktionen der CDU und SPD: Chancen des Alters weiterhin konsequent nutzen – Infrastruktur an veränderte Bedürfnisse anpassen – Drucksache 5/2056 –
Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Lochner-Borst. Bitte schön, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der demografische Wandel hat viele Facetten und zahlreiche Auswirkungen. Steigende Lebenserwartungen und die Tatsache, dass immer mehr ältere immer weniger jüngeren Menschen gegenüberstehen, lässt einen drastischen gesellschaftlichen Wandel erwarten. Und während wir darüber nachdenken, wie wir mit dem individuellen und dem kollektiven Altern künftig umgehen wollen, dürfen wir dort, wo sich schon jetzt Gestaltungsmöglichkeiten bieten, keine Chance ungenutzt verstreichen lassen. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass die Landesregierung auch diesen Bereich in ihrem 10-Punkte-Programm für Wirtschaft und Kommunen „Wachstum stärken – Investitionen sichern“ unter anderem beispielsweise durch die Bereitstellung von 11,5 Millionen Euro für Modernisierung und Neubau von familien- und altersgerechten Wohnungen unterstützen wird.
Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag wollen wir jedoch vor allem die öffentliche Debatte zu diesem Thema weiter befördern. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die demografische Entwicklung vor allem regional betrachtet werden muss, und wir wollen mit unserem Antrag die Bereiche aufzeigen, die direkt und ganz praktisch betroffen sind.
Die demografische Entwicklung kann nicht immer nur in Ost-West-, Nord-Süd- oder Stadt-Land-Dimensionen betrachtet werden. Ich möchte Ihnen dies an einem Beispiel gerne verdeutlichen.
Sicher lassen sich dazu oberflächliche Erklärungen finden, interessant wird jedoch eine genauere Analyse der Gruppe der 80-Jährigen und Älteren.
Diese Gruppe wächst in Potsdam um 134,8 Prozent, in Frankfurt nur um 17,8 Prozent. Dieses Beispiel zeigt, dass es uns nur wenig helfen wird, immer deutschlandweite Betrachtungen zu bemühen, wenn politische und planerische Konsequenzen vor allem regional gezogen werden müssen. Genau diese Optionen bieten uns Raumordnung, Landesplanung, Städtebauförderung und Verkehrsplanung.
Meine Damen und Herren, ältere Menschen wollen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld leben, einem Umfeld, über das sie frei verfügen können und dessen Bedeutung oftmals durch einen verklärten Blick in vergangene Zeiten völlig falsch eingeschätzt wird. In der Vergangenheit haben mehrere Generationen zusammenleben müssen, weil es dazu keine Alternativen gab. Von dem Moment an, wo finanzielle Mittel und Wohnraumversorgung es zugelassen haben, hat man sich eigene Wohnungen genommen. Dazu kommt, dass
Eine höhere Schul- und Berufsausbildung korreliert natürlich auch mit der Chance zur Bewältigung des Alltags im Alter, mit einem verbesserten Gesundheitszustand und höheren Lebenserwartungen. Diesen Veränderungen, vor allem aber dem Wunsch älterer Menschen nach weitestgehender Eigenständigkeit sollten wir Rechnung tragen, zum Beispiel, indem wir die Infrastruktur vor Ort ihren Bedürfnissen anpassen.
Dies beginnt natürlich mit der Wohnung und dem Wohnumfeld für ältere Menschen. Es ist wichtig, dass wir sie in die Planung von Neu- und Umbaumaßnahmen einbeziehen, damit wir ihren Bedürfnissen und damit schließlich auch unseren eigenen irgendwann entsprechen können. Wir müssen Modelle wie barrierefreies Wohnen, Mehrgenerationenwohnen, Wohnen mit Service, Hausgemeinschaften oder genossenschaftliches Wohnen weiter vorantreiben. Dies sind neue Herausforderungen, aber auch große Chancen, denen wir uns zusammen mit der Wohnungswirtschaft, den Kommunen und vor allem mit den älteren Menschen in unserem Land stellen müssen.
Wohnerwartungen und Bedürfnisse sind für ältere Menschen völlig anders als für jüngere. Dies bezieht auch Hilfs- und Pflegeleistungen mit ein, die den Verbleib in der eigenen Wohnung, in der gewohnten Umgebung ermöglichen. Neben der Wohnung muss hier natürlich auch das Wohnumfeld einbezogen werden, denn es geht, wie eingangs bereits erwähnt, nicht mehr nur um das individuelle, sondern vor allem auch um das kollektive Altern.
Im Jahr 2020 werden 36,2 Prozent der Menschen in unserem Land 60 Jahre und älter sein. Alle diese Menschen haben einen Anspruch darauf, einen möglichst offenen und weiten Lebensraum vorzufinden, der ihnen Teilhabe und Selbstständigkeit möglich macht.
Wir dürfen nicht weiter zulassen, dass Menschen aufgrund von Barrieren pflegebedürftig werden. Es ist eine Schande für eine moderne Gesellschaft, dass ein Drittel aller Pflegebedürftigkeit zum Beispiel aus Stürzen folgt, die sich als umfeldbedingt herausstellen. Es wäre so einfach, schon bei der Planung – gerade im öffentlichen Raum – darauf zu achten, dass Handläufe an Treppen angebracht werden, dass Stufen Kennzeichnungen erhalten, dass keine reflektierenden oder spiegelnden Fußböden verlegt werden. Uns geht es um eine präventive Umweltgestaltung, die eine Maßnahme darstellt, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Aber dort, wo Pflege trotz aller präventiven Maßnahmen notwendig ist, muss sie selbstverständlicher Teil der regionalen Infrastruktur sein. Pflegebedürftige ältere Menschen müssen notwendige Pflegeleistungen dort in Anspruch nehmen können, wo sie es für sich als erträglich empfinden. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Lebensqualität, die im Übrigen jeder Mensch anders für sich definiert. Das müssen wir als Gesellschaft respektieren.
Und schließlich ist es sehr wichtig, dass die Menschen in unserem Land auch selbst über die letzte Phase ihres Lebens mit Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten entscheiden, die ambulante und stationäre Palliativmedizin weiter ausgebaut wird und die Hospizbewegung unsere Unterstützung erfährt und stärker gefördert wird. Jeder von uns und jeder in dieser Gesellschaft hat einen Anspruch darauf, in Würde zu leben und zu sterben.
Meine Damen und Herren, wir, die wir heute über diesen Antrag entscheiden, werden im Durchschnitt alle 90 Jahre alt. Manch einer von uns mag sich heute noch nicht vorstellen können, wie wichtig vielleicht eines Tages ein Treppengeländer oder ein abgesenkter Gehweg für ihn werden könnte. Das berechtigt uns aber nicht, offensichtliche, einfach zu lösende Probleme älterer Menschen oder von Menschen mit Behinderungen und/oder chronischer Erkrankung abzutun.
Wir können viel dazu beitragen, eine präventive Umwelt zu schaffen, die ein aktives Altern und ein Leben in Selbstbestimmung ermöglicht. Und unser Antrag kann einen großen Beitrag dazu leisten, eine breite Öffentlichkeit für die vielfältigen Herausforderungen und Chancen der demografischen Entwicklung zu sensibilisieren.
Dem Änderungsantrag der FDP-Fraktion stimmen wir gerne zu. Er beinhaltet eine Steigerung der Lebensqualität für all diejenigen, die durch Behinderung und/oder chronische Erkrankungen im alltäglichen Leben eingeschränkt sind. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Herr Schlotmann. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleich zu Beginn kann ich nur bestätigen, was Frau Lochner-Borst gesagt hat. Herr Grabow, Ihnen und Ihrer Fraktion vielen Dank für diesen Änderungsantrag, finden wir gut, finden wir richtig. Und deswegen, denke ich mir, wird das dann auch Einfluss finden.
Meine Damen und Herren, wer heute geboren wird, wird im Durchschnitt 30 Jahre älter als jemand, der noch vor hundert Jahren geboren worden ist. Auch das sollten wir uns immer wieder mal vor Augen führen. In Mecklenburg-Vorpommern – wie im Übrigen in ganz Deutschland – werden in Zukunft nicht nur weniger Menschen, sondern auch Menschen mit einem deutlich höheren Lebensalter leben. Diese Entwicklung zeigt die vierte Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, die vom Verkehrsministerium im September vorgelegt worden ist. Auch die aktuellen Ergebnisse der Studie der Bertelsmann Stiftung kommt zu ähnlichen, vergleichbaren Ergebnissen.
Und, meine Damen und Herren, bevor manch einer allzu schnell von Problemen redet, die damit verbunden seien, gilt es – aus meiner Sicht zumindest – auch einmal Folgendes festzustellen: Ein längeres Leben ist zunächst einmal ein Gewinn für jeden Einzelnen – ich denke, das ist unbestritten – und für die Gesellschaft als Gesamtes. Der demografische Wandel beinhaltet nämlich auch Chancen und die müssen wir nutzen.
Meine Damen und Herren, wir wollen auf der einen Seite Sorge dafür tragen, dass sich junge Menschen und Familien in unserem, in diesem Land wohlfühlen. Sie bilden die Basis unserer zukünftigen demografischen Entwicklung und sie sind Innovationsträger für Wirtschaft und Forschung. Und auf der anderen Seite kann sich das Gesundheits- und Familienland Mecklenburg-Vorpommern als erstrebenswerter Wohn- und Lebensstandort für die dritte Generation profilieren. Ich denke, das ist ganz klar eine Chance für dieses Land. Deshalb finde ich es gut, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag stellen, um darüber zu sprechen oder, wie Frau LochnerBorst sagt, dieses Thema auch in die Öffentlichkeit zu rücken, was wir bereits getan haben, um diese Chance zu nutzen, und was wir noch tun wollen.
Was ist bisher geschehen? Zunächst einmal haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und haben die demografische Entwicklung zu einem wesentlichen Maßstab für das 2005 beschlossene Landesraumentwicklungsprogramm gemacht. Unter anderem haben wir das Zen trale-Orte-System umgebaut und damit zukunftssicher gemacht. Gemeinden und Städte, die als zentrale Orte festgelegt sind, übernehmen Versorgungsaufgaben für benachbarte Kommunen mit und garantieren auch zukünftig flächendeckend eine ausreichende Versorgung. Insbesondere für kleine Landgemeinden, in denen der Anteil älterer Bürger steigt, ist es enorm wichtig, in erreichbarer Nähe Einkaufsmöglichkeiten, Gesundheits-, soziale und kulturelle Einrichtungen vorzufinden. Der Öffentliche Personennahverkehr ist auf diese zentralen Orte ausgerichtet.
Ein weiteres wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang heißt städtebauliche Integration. Das bedeutet, Infrastrukturen so zu konzentrieren, dass mehrere Besorgungen auf einem Weg erledigt werden können, und Dienstleistungen da anzusiedeln, wo sie mit dem ÖPNV gut erreichbar sind, das heißt also, in Innenstädten oder nahe der Wohnquartiere und nicht auf der grünen Wiese. Dies gilt insbesondere auch für Pflegeeinrichtungen, denn die Mobilität sinkt mit dem Alter, das ist nun mal unbestritten so. Vereinfacht ausgedrückt: Kommen die Menschen nicht mehr zu den Einrichtungen, müssen wir dafür sorgen, dass es genau umgekehrt ist.
Meine Damen und Herren, zu den veränderten Infrastrukturanforderungen gehört auch ein altengerechtes Wohnen und die entsprechende Gestaltung des Wohnumfeldes, denn ebenso wie in der Raumordnung bestimmen die demografischen Anforderungen der Zukunft auch die Umsetzung von konkreten Formen maßgeblich mit. Ältere Menschen möchten so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung leben und die neuen Alten wollen nicht zum alten Eisen gezählt werden, sondern so lange wie möglich selbstständig bleiben und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Dazu gehört auch, meine Damen und Herren, dass diese älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger ihr Wissen und ihr Können weiterhin mit einbringen können und sie nicht sozusagen eine ungenutzte Ressource für unsere Gesellschaft darstellen. Deshalb müssen Wohnung und Wohnumfeld so gestaltet sein, dass sie ihren Bedürfnissen gerecht werden.
Die Wohnungs- und Städtebauförderung hat sich bereits frühzeitig darauf eingestellt. Mit gezieltem Mitteleinsatz wird im Modernisierungsprogramm der Abbau von Barrieren, Anpassungen in Küche und Bad, die Teilung von großen Wohnungen in Ein- und Zweiraumwohnun
gen und nicht zuletzt die Schaffung von altengerechten Wohnungen mit Betreuungsangebot im vorhandenen Wohnungsbestand gefördert. Von 1992 bis heute wurden rund 4.000 altengerechte Wohnungen mit Betreuungsangebot gefördert. Die Städte und Gemeinden in der Städtebauförderung haben in den letzten 18 Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt, die die Bedürfnisse Älterer berücksichtigen. Das sollte auch die beiden Koalitionsfraktionen, die dankenswerterweise diesen Antrag gestellt haben, interessieren.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Offensichtlich nicht, Herr Minister – Heinz Müller, SPD: Offensichtlich doch.)
Dazu zählen das Anlegen von Verweil- und Ruhezonen mit Sitzbänken, Geh- und Radwege, Bürgerbegegnungszentren und Stadtteiltreffs mit speziellen Angeboten für Senioren, wie zum Beispiel der Bürgertreff in Neustrelitz-Kiefernheide, der Aufenthaltsbereich im Umfeld des Alten- und Pflegeheims CURA in PasewalkOststadt oder auch das Stadtteilbegegnungszentrum in Rostock-Groß Klein.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist übrigens auch das Thema Geschossrückbau. Dankenswerterweise hat es hier Initiativen einzelner Abgeordneter gegeben, die ich gerne aufgegriffen habe. Zu diesem Thema wird es – weil es nicht nur für die Wohnungsunternehmen wichtig ist, da sicherlich auch, sondern gerade auch für die Bewohner – im ersten Quartal des nächsten Jahres ein erstes Werkstattgespräch geben mit den Beteiligten, mit den interessierten Abgeordneten und allen anderen Beteiligten. Ich werde diese alle an einen Tisch holen und wir werden dann gemeinsam nach weiteren Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem suchen.