Seit 2003 existiert in Cuxhaven das Havariekommando sowie das Maritime Sicherheitszentrum, kurz MSZ. Dieses wurde 2007 eingerichtet. Das Zentrum ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer, zu denen wir als Mecklenburg-Vorpommern bekanntermaßen auch gehören. Das dort stationierte gemeinsame Lagezentrum See umfasst alle Behörden und versucht, eine gemeinsame Koordination auf den Weg zu bringen.
Das Maritime Sicherheitszentrum umfasst dabei folgende Behörden: die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Maritimen Sicherheitszentrum, die Bundeszollverwaltung, die Bundespolizei, die Wasserschutzpolizei sowie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Dies sind fünf Bundesbehörden, die doch eigentlich die gleiche Aufgabe haben, nämlich den Schutz der Küstengewässer im Falle einer Havarie, eines Terroranschlags oder sei es einfach die Überwachung der Küste. Kompetenzüberschneidungen ergeben sich zum Beispiel im Bereich der Fischereiaufsicht. Neben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sind auch hier die Bundespolizei, die Bundeszollverwaltung und auch noch die Wasserschutzpolizei zuständig. Warum das so ist, das verstehe, wer will.
Nach der Havarie der „Pallas“ im Jahr 1998 in der Deutschen Bucht wurde eine Expertenkommission gebildet. Diese legte im Jahr 2000 ihren Bericht vor, ganz klar ihre Empfehlung in die Richtung, dass Deutschland gut beraten wäre, eine Nationale Küstenwache zu schaffen. Doch bis heute ist leider in diesem Themenfeld nichts weiter passiert. Stattdessen wurden über ein hoch kompliziertes Verwaltungsverfahren Verwaltungsverträge für ein organisiertes Maritimes Sicherheitszentrum eingerichtet.
Die Kritik an dem Sicherheitszentrum ist bis heute nicht abgerissen. Nicht nur vonseiten der Politik, sondern vielmehr auch vonseiten des Bundesrechnungshofes, von Umweltschutzorganisationen und anderen Verbänden kam immer mehr Kritik. Der Bundesrechnungshof hat zu Recht angemerkt, dass mit der Einführung des Maritimen Sicherheitszentrums es keine wirkliche Zusammenführung von Aufgaben gegeben hat. Vielmehr werkelt man lieber nebenher immer weiter so.
Wir fordern nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das hat meine Fraktion im Bundestag bereits im März 2008 getan,
dass es endlich zu einer Bündelung der Kräfte kommt und eine echte Nationale Küstenwache geschaffen wird!
Als Bundesland Mecklenburg-Vorpommern sollten wir an solch einer erwünschten Entwicklung sehr interessiert sein. Unser Land muss dann auch Kompetenzen abgeben. Das wird manchem hier wehtun, aber für eine sinnvolle Lösung sollte dies uns wert sein. Und wir Liberalen stehen mit dieser Forderung ja nicht allein. Ich will die Kolleginnen und Kollegen der SPD und CDU daran erinnern, auch an das Papier Ihrer Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2004, dass selbst Ihre Bundestagsfraktion
der Schaffung einer Nationalen Küstenwache grundsätzlich nicht mehr im Wege stehen würde. Nur der Bundesverkehrsminister – auch SPD-Mitglied – sieht dies leider anders. Leider wurde dieses Thema aus Gründen, die ich hier heute nicht zu kommentieren habe, aus dem Aufgabenkatalog der Föderalismuskommission II gestrichen.
Mecklenburg-Vorpommern muss allein schon aus Gründen des Selbstinteresses den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, dass sie sich zeitnah mit diesem Thema beschäftigt. Dazu müssen auch Gespräche mit den anderen Küstenländern geführt werden, da sie nur mit einer Stimme wirklich gemeinsam agieren können.
Und da sehen wir es als Aufgabe des neuen Verkehrsministers und auch des Innenministers, der leider heute hier nicht anwesend ist, die Gespräche mit den anderen Küstenländern zu suchen, insbesondere mit Niedersachsen, welches sich bisher gegen die Schaffung einer Nationalen Küstenwache ausspricht, bevor die Länder- und Bundeskompetenzen nicht klar geregelt sind.
Ich will den Minister Schlotmann und den Minister Caffier bitten, sich neben anderen Projekten, die wir ebenso als wichtig erachten, der Schaffung einer Nationalen Küstenwache als einem weiteren Schwerpunkt in ihrem Arbeitsprogramm anzunehmen.
Uns Liberalen ist es in diesem Rahmen noch wichtig zu sagen, es gibt bei der Überlegung zur Schaffung einer Küstenwache auch die Idee, die Bundeswehr mit einzubinden. Ich möchte noch einmal eindringlich auf die Trennung von äußerer und innerer Verteidigung hinwei
sen. Die neu zu schaffende Küstenwache soll geografisch für die Seehäfen, die Hoheitsgewässer, die 12Seemeilen-Anschlusszone sowie für die ausschließliche Wirtschaftszone zuständig sein. Und davon ist die Bundeswehr generell nicht betroffen, das will ich noch mal klarstellen.
Nach Auffassung der FDP sollte die Küstenwache darüber hinaus unter anderem für den gesamten Bereich der Erforschung und Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs zuständig sein sowie die Abwehr von externen Gefahren für den Seeverkehr und die Umwelt und die Aufgaben der Bundespolizei See der Fischereiaufsicht und der Zollkontrolle zur See übernehmen.
Die Küstenwache soll weiterhin die Einhaltung und Überwachung nationaler und internationaler Gesetze zum Beispiel der Hafenstaatenkontrolle sicherstellen. Auch polizeiliche Aufgaben wie die strom- und wasserschifffahrtspolizeilichen Aufgaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes, die allgemeine Gefahrenabwehr auf See und die Abwehr von Schwerstkriminalität sowie terroristischer Gefahren muss die neue Küstenwache übernehmen. Die Möglichkeit der Amtshilfe bliebe aber davon völlig unberührt.
Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Die Schaffung der Nationalen Küstenwache ist in zwei Schritten zu realisieren, erstens die Bündelung aller Bundeszuständigkeiten und zweitens die Übertragung der entsprechenden Landeskompetenzen auf den Bund durch eine entsprechende Grundgesetzänderung. Ich bitte Sie aus diesem Grund, unserem Antrag zuzustimmen, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort hat zunächst gebeten – in Vertretung des Innenministers Herrn Caffier – die Justizministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Kuder. Frau Kuder, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der FDP beantragt, die Landesregierung aufzufordern, bei der Bundesregierung dafür zu werben, dass eine Nationale Küstenwache geschaffen wird. In Ihrer Begründung lese ich leider nur Behauptungen: Ein Kompetenzgerangel zwischen Bund und Küstenländern soll es geben, eine Nationale Küstenwache könnte zu einer Effizienz- und Effektivitätssteigerung führen. Deswegen sollten wir das auch gleich umsetzen. Unzureichende föderale Kompetenzverteilungen soll es auch geben. Wo sind Ihre Analysen?
Wenn Sie so mutig Landeskompetenzen abgeben wollen, warum beziehen Sie die Bundesmarine nicht gleich mit ein?
Das ist inkonsequent, meine Damen und Herren, und lässt viele Fragen offen. Und ich glaube, Sie schauen manchmal zu viel Fernsehen. Die schöne Küstenwachenwelt, die im Fernsehen geschauspielert wird, gibt es in Wirklichkeit nicht, und wird es auch nie geben.
Meine Damen und Herren, seit dem „Pallas“-Unglück auf der Nordsee vor zehn Jahren ist ein fruchtbarer Prozess in Gang gesetzt worden, der zu einer effektiven Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden geführt hat. Zwei Meilensteine auf diesem Weg, den im Übrigen die Regierungen des Bundes und der Küstenländer einvernehmlich gegangen sind, sind die Bildung des Havariekommandos und des Maritimen Sicherheitszentrums.
Kernstück ist das Gemeinsame Maritime Lagezentrum, das zu Beginn des Jahres 2007 seinen Betrieb aufgenommen hat. In diesem arbeiten die beteiligten Behörden des Bundes, das Havariekommando und die Wasserschutzpolizeileitstelle der fünf Küstenländer unter Beibehaltung der jeweiligen Zuständigkeiten quasi als Netzwerk zusammen. Von hier aus werden die in Nord- und Ostsee eingesetzten polizeilichen Küstenstreifenboote und andere Einsatzmittel durch einen gemeinsamen Rundum-die-Uhr-Lagedienst und orientiert an einem behördenübergreifenden gemeinsamen maritimen Lagebild koordiniert. Die Erhaltung und Förderung unterschiedlicher Perspektiven und deren Einbringen in ein gemeinsames Netzwerk ermöglichen es, Probleme zu erkennen und rechtzeitig zu bearbeiten. Die Zusammenarbeit in Cuxhaven, meine Damen und Herren, klappt hervorragend.
Meine Damen und Herren, die Schaffung einer Nationalen Küstenwache unter Leitung des Bundes würde eine Grundgesetzänderung erforderlich machen,
Mit einem derartigen Modell würde das Land alle Zuständigkeiten zur Gefahrenforschung und -abwehr an der Küste an den Bund verlieren. Die Aufgaben der allgemeinen und besonderen Gefahrenabwehr im Küstenmeer nehmen nach Artikel 30 Grundgesetz grundsätzlich die Länder wahr. Mit der Einrichtung einer Nationalen Küstenwache würde der Bund für die Gefahrenabwehr zuständig sein. Wollen Sie das in der Endkonsequenz wirklich?
Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion in SchleswigHolstein Wolfgang Kubicki will es jedenfalls nicht. In seinem Redebeitrag vom 12. November 2008 zum zehnten Jahrestag des „Pallas“-Unglücks positionierte sich Ihr Parteifreund dezidiert gegen die Forderung nach einer einheitlichen Küstenwache.
Er konzediert, ich zitiere, „dass in der Folge dieses Unglücks die notwendigen Konsequenzen gezogen worden sind und wir inzwischen seit 2005 über ein einheit
liches Havariekommando, das Maritime Sicherheitszentrum in Cuxhaven, verfügen.“ Und Kubicki führt weiter aus: „Wer vor diesem Hintergrund trotzdem noch nach einer weitergehenden Kompetenzbündelung ruft, wer nach einer einheitlichen Küstenwache nach amerikanischem Vorbild ruft, dem widerspreche ich an dieser Stelle nachdrücklich. Eine Aufgabenwahrnehmung à la Coast Guard in den USA ist für die Bundesrepublik aber keinesfalls eine bessere Lösung – im Gegenteil. Sie gefährdet unser föderales System.“ Ende des Zitats.
Diesen Äußerungen Ihres Parteifreunds ist nicht zu widersprechen. Ich sehe derzeit jedenfalls keinen Anlass, die verfassungsmäßige Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern für den Bereich des Küstenmeeres infrage zu stellen und Zuständigkeiten der Polizei, die neben dem Kultusbereich die Kernkompetenz im föderalen System abbildet, ohne zwingende Notwendigkeit auf eine Bundesbehörde zu übertragen. Behördenübergreifendes Verwaltungshandeln wird im Allgemeinen durch Koordinierung und nicht durch Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten gelöst. Komplexe Situationen, die die Zuständigkeit mehrerer Behörden berühren, kommen überall vor und sind kein Exklusivtatbestand für die See.
Die Kompetenzverteilung im maritimen Bereich ist nur ein Spiegelbild der bestehenden Aufgabenvielfalt, die in jeder modernen Verwaltung durch jeweils spezialisierte Behörden wahrgenommen wird. Hier unterscheidet sich der Seebereich nicht grundsätzlich von der Aufgabenwahrnehmung an Land, wo noch niemand die Zusammenlegung aller Ministerien und Behörden zu einer einzigen Verwaltungseinheit gefordert hat. Die Küstenländer haben mit der Einrichtung einer gemeinsamen Leitstelle der Wasserschutzpolizei in Cuxhaven bereits eine sehr gute Basis für die Koordinierung ihrer Ressourcen geschaffen. Dieser Weg soll weiter beschritten werden.
Hierzu befinden sich die Regierungschefs der norddeutschen Länder unter Einbeziehung der zuständigen Fachressorts in einem intensiven gemeinsamen Prüfungs- und Abstimmungsprozess. In diesem Verfahren wird allerdings der sorgfältigen Prüfung geeigneter Lösungsmöglichkeiten der Vorrang vor Patentrezepten und Schnellschüssen gegeben.
Für die besondere Situation einer Katastrophe oder komplexen Schadenslage ist eine einheitliche Führungsverantwortung durch das Havariekommando bereits geschaffen worden. Durch die Verzahnung zwischen dem gemeinsamen Lagezentrum See mit dem Bestandteil Wasserschutzpolizeileitstelle und dem Havariekommando sind ein enger Informationsverbund sowie ein lückenloser Übergang vom Alltagsgeschäft zum Notfallmanagement sichergestellt. Im Rahmen der Terrorismusabwehr sind durchaus Szenarien denkbar, die den Einsatz der Deutschen Marine erforderlich machen könnten. Aber Sie wissen alle, wie schwer man sich in Berlin mit der Lösung dieses Problems tut. Ein Regelungs- oder Organisationsdefizit beziehungsweise in Ihren Worten ein Kompetenzgerangel, das nur durch eine Nationale Küstenwache zu beseitigen wäre, ist nach alledem nicht erkennbar.