Protocol of the Session on November 20, 2008

Armutsfestes Familieneinkommen hängt ganz eindeutig mit der Armutsdefinition zusammen. Schauen Sie sich den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung an, dann werden Sie …

(Toralf Schnur, FDP: Erklären Sie es uns doch mal! – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Nein, das würde ich gerne machen, aber meine Redezeit reicht dazu nicht. Ich will nämlich noch auf Dinge eingehen, die mir wirklich wichtig sind: dieser Präventionsgedanke, den Frau Müller vorhin angetippt hat.

Aber abschließend im vierten Eingang auf einen Redebeitrag der Ministerin. Frau Ministerin, Sie haben die Schuldnerberatungsstellen gewürdigt und das ist völlig korrekt so. Das wollen wir auch gern machen und darauf hinweisen, dass die Schuldnerberatungsstellen in diesem Land eine sehr gute Arbeit leisten. Und wenn die Schuldnerberatungsstellen selber anerkennen für sich und sagen, die Qualität ist bei uns noch differenziert aus

geprägt, einige sehr gut und einige nicht so gut, dann ist das ein Punkt, den man konstatieren darf.

Die Daten und Fakten, die Sie genannt haben, sprechen auch für sich. Aber das war für uns nicht der Punkt. Der Punkt war für uns – und vielleicht haben Sie da Frau Müller bewusst oder unbewusst missverstanden –, der Punkt war für uns die Überschuldung privater Haushalte und nicht allein die Situation der Schuldnerberatungsstellen. Wenn man sich die Überschuldungssituation der privaten Haushalte anguckt, dann sieht man, die Schuldensumme aller Neufälle – das ist ein interessanter Aspekt, wie ist die anfallende Neuverschuldung quantifiziert – belief sie sich im Jahr 2000, also die Schuldenfälle, die in den Beratungsstellen aufgelaufen sind, auf 82 Millionen Euro und im Jahr 2007 auf 116 Millionen Euro. Die Zahlen erwähne ich, um deutlich zu machen, welche Brisanz, auch volkswirtschaftliche Brisanz hinter diesen Zahlen steht und was da für eine Dimension zu erkennen ist.

Nun zu dem Maßnahmebündel: Wir müssen uns auseinandersetzen mit der Frage geringfügiger Beschäftigung. Gerade Sie seitens der CDU sagen, die Arbeitslosenzahlen sinken. Und die statistischen Zahlen sprechen auch dafür. Aber man muss sich angucken, welche Arbeitsplätze denn geschaffen werden.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wenn Sie darauf verweisen, dass ausgewiesene Arbeitsplätze im Land Mecklenburg-Vorpommern 725.000 sind, dann haben wir auch zu konstatieren, dass es im letzten Jahr alleine 100.000 Arbeitsplätze gab mit geringfügiger Beschäftigung. Also sich auf die Schulter zu klopfen und zu sagen, wir haben Arbeitsplätze geschaffen, es geht voran, das ist ein bisschen dünn. Denn so viele Menschen, die neue Arbeit gefunden haben, können von dieser Arbeit nicht leben. Und nicht wenige Rentnerinnen und Rentner nehmen aus ihren Rentenbeiträgen Geld, also aus ihrer Rente, und geben es ihren Kindern und Enkelkindern, damit die über die Runden kommen. Das spielt alles in diese Frage mit rein und wir müssen uns aussprechen gegen diese prekäre Beschäftigung,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Toralf Schnur, FDP: Das steht ja nicht in Ihrem Antrag.)

gegen Arbeit, die dennoch zur Armut führt.

(Toralf Schnur, FDP: Dazu muss man es aber reinschreiben.)

Deswegen rede ich ja. Ich will Ihnen gern diesen Antrag interpretieren.

Zweiter Punkt ist das Arbeitseinkommen schlechthin für die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das ist in unserem Land ziemlich kritikwürdig. Das durchschnittliche Arbeitseinkommen beträgt 20.773 Euro im Jahr. Das liegt 6.300 Euro unter dem Bundesdurchschnitt und ist darüber hinaus noch rückläufig. Wir hatten im Jahr 2000 78,3 Prozent zu 100 Prozent Bundesdurchschnitt. Also wir haben in Mecklenburg-Vorpommern schon weniger Einkommen zu verzeichnen gehabt, aber diese 78,3 Prozent sind noch mal abgesenkt worden

(Egbert Liskow, CDU: Machen!)

und betrugen im letzten Jahr 76,7 Prozent. Das ist ein Punkt, der hier hineingehört. Und wenn wir über die Überschuldungssituation sprechen, wie wir der entgegenwirken wollen, dann müssen wir über Mindestlohn reden. Frau Tegtmeier hat darauf Bezug genommen, völlig zu Recht.

Letzter Punkt: Prävention. Frau Schlupp, Sie haben recht, wenn Sie sagen, wie soll man das in den Unterricht einbauen. Das ist ein hoch komplexes Thema. Ich komme jetzt zum Schluss. Es ist ein hochkomplexes, schwieriges Thema. Hier, Frau Ministerin, ist ein ganz wichtiger Punkt für die Schuldnerberatungsstellen, Kindern und Jugendlichen den Umgang mit Geld klarzumachen und sie starkzumachen gegen die Manipulation und das Heraufbeschwören von Kaufsucht. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor und ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1954. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1954 bei Zustimmung durch die Fraktion DIE LINKE, ansonsten Ablehnung durch die Fraktion der SPD, der CDU und der Fraktion der FDP sowie Stimmenthaltung der Fraktion der NPD abgelehnt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Kostenübernahme für künstliche Befruchtung wieder herstellen, Drucksache 5/1969.

Antrag der Fraktion der FDP: Kostenübernahme für künstliche Befruchtung wieder herstellen – Drucksache 5/1969 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Grabow. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kaum eine Landtagssitzung vergeht, ohne dass über Initiativen für mehr Kinderfreundlichkeit gesprochen wird.

(Heinz Müller, SPD: Das ist auch gut so.)

Die FDP-Fraktion hat in vielfältiger Weise ihre Vorschläge hierzu eingebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Wir haben einen Kindergipfel gefordert, wir sprachen uns für einen Zuschuss zur Antibabypille für sozial schwache Frauen aus, wir haben uns für eine zweite Schuluntersuchung starkgemacht und wir diskutierten über die dringend erforderlichen Reformen im KiföG mit Ihnen zusammen. Die Debatten im Landtag haben uns gezeigt, dass wir mit unseren Anträgen stets richtig lagen und auch eine breite Öffentlichkeit erreicht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Vincent Kokert, CDU: Selbstlob ist immer gut.)

Die Beispiele Antibabypille, Schuluntersuchung, KiföGNovellierung beweisen das.

(Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU)

Sie können noch mal lachen. Das war nämlich wirklich so.

Unser heutiger Antrag ist somit im Zusammenhang zu sehen mit den eben genannten Initiativen der FDP. Wir wollen das Thema Kinderfreundlichkeit möglichst breit diskutieren. Nach unserer Auffassung heißt Kinderfreundlichkeit auch, dass denjenigen Familien geholfen wird, die ungewollt kinderlos sind. In unserer Antragsbegründung haben wir dargelegt, welche Breitenwirkung dieses Problem hat. Jeder dritte Kinderlose in Deutschland, der früher gerne Kinder gehabt hätte, nannte als Grund für die ungewollte Kinderlosigkeit, dass es zu keiner Schwangerschaft gekommen sei.

Insgesamt sind in Deutschland rund 1,4 Millionen Frauen und Männer zwischen 25 und 59 von ungewollter Kinderlosigkeit aus medizinischen Gründen betroffen. Oft führt dieser unerfüllte Kinderwunsch zu schweren Beeinträchtigungen bei den betroffenen Paaren. Ungewollt kinderlos zu sein, wird meist als schwerer Mangel in einer persönlichen Lebensplanung angesehen, der oftmals einen erheblichen psychischen und physischen Leidensdruck zur Folge hat.

Eine künstliche Befruchtung ist für viele ungewollt Kinderlose deshalb die letzte Hoffnung. Aber seit der Gesundheitsreform im Jahr 2004 ist die Chance, noch Kinder zu bekommen, mit einer finanziellen Hürde versehen. Gesetzlich Versicherte müssen die Hälfte der Kosten selbst bezahlen. Je Behandlungszyklus sind das durchschnittlich 2.000 Euro. Dies hat in der Folge zu einem dramatischen Rückgang sowohl der Behandlungszyklen als auch der Kinder geführt, die durch eine künstliche Befruchtung gezeugt worden sind. Wir haben durchschnittlich jährlich 10.000 Kinder weniger, die auf diese Weise den Weg ins Leben gezeigt bekommen, und dadurch einen deutlichen Rückgang um die Hälfte.

Das deutet darauf hin, dass die Beteiligung an den Kosten dazu geführt hat, dass viele aus finanziellen Gründen diesen letzten Strohhalm nicht ergreifen können. Aufgrund moderner Familienpolitik muss es aber möglich sein, gerade hier die Mittel sehr effektiv einzusetzen, damit mehr Kinder geboren werden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Deutschland ist darüber hinaus in einer demografischen Falle, die es erfordert, alle Maßnahmen zu fördern, um auf die bevorstehende Vergreisung und den damit einhergehenden Druck auf die Steuer- und Sozialsysteme einzugehen. Familienpolitik beginnt eben nicht nur bei der Frage von Erziehungsgeld, Kinderkrippe und Kindergarten. Familienpolitik muss bereits dort ansetzen, wo es um die Frage geht, ob ein Kind zur Welt kommen darf.

Dieser integrierte Ansatz ist auch durch die Gesundheitsreform 2004 teilweise zerstört worden. Wir plädieren deshalb dafür, diese Fehlentscheidung zu korrigieren und die Kosten wieder zu übernehmen. Denn die Erfüllung des Kinderwunsches darf nicht vom Portemonnaie abhängig sein. Die mit der Reform aus dem Jahr 2004 angestrebte Konsolidierung der Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung ist anzuzweifeln. Im Gegenteil, langfristig vergrößert sich die Finanzierungslücke dadurch sogar noch.

Durch die teilweise Ausgliederung künstlicher Befruchtung aus den Leistungen der GKV würde dem Zugang neuer Beitragszahler eine Hürde gesetzt. Dagegen bewirkt die neue Regelung lediglich eine Kostendämpfung im Promillebereich der GKV. Lesen Sie bitte dazu die entsprechenden Studien (Berliner Institut). Bitte unterstützen Sie unseren Antrag. Begrüßen Sie den

Beschluss des Bundesrates zu diesem Thema, damit der alte Rechtszustand wiederhergestellt werden kann. Mecklenburg-Vorpommern hat sich seinerzeit im Bundesrat enthalten und sollte deshalb nochmals deutlich für dieses Projekt eintreten. – Ich bedanke mich und werbe für die Zustimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat um das Wort gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kinder sind das größte Glück im Leben. Das ist meine politische Überzeugung und auch meine ganz persönliche Erfahrung. Deshalb ist es mir ein großes politisches Anliegen, Kinder zu unterstützen, Familien zu unterstützen.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Mecklenburg-Vorpommern versteht sich als Kinderland. Wir haben verstanden, wie wichtig Kinder sind. Wir haben auch verstanden, dass man Mühe, Zeit und Geld aufwenden muss, um Kinder gesund und möglichst sorglos aufwachsen zu lassen. Aus diesem Grund novellieren wir das Kindertagesstättenförderungsgesetz, aus diesem Grund unterstützen wir Familien, wo immer es geht. In dieses Paket gehören aber auch Maßnahmen gegen ungewollte Kinderlosigkeit, denn Familienpolitik beginnt nicht erst bei der Frage von Mutterschutz, Elterngeld und Kitas, sondern Familienpolitik muss bereits dort ansetzen, wo es um die Frage geht, ob ein Kind zur Welt kommen darf.

Kinder sind das größte Glück im Leben. Dieses Glück wird vielen Frauen und Männern durch ungewollte Kinderlosigkeit verwehrt. Medizinische Maßnahmen für sogenannte künstliche Befruchtung sind hoffnungsvolle und erfolgreiche Möglichkeiten, den Kinderwunsch zu erfüllen. Diese Möglichkeiten sind für viele Frauen und Männer bedauerlicherweise erheblich erschwert worden.