Protocol of the Session on October 22, 2008

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir jedoch ausnahmsweise, zwei kurze, ausdrücklich als rein persönlich zu verstehende Anmerkungen zu machen, die ich aus dem Verlauf der Behandlung der Volksinitiative herleiten möchte.

Erstens. Man kann selbstverständlich über das Ergebnis der Beratungen und der damit verbundenen Beschlussempfehlung unterschiedlicher Auffassung sein. Dies ist auch ein Zeichen einer lebhaften demokratischen Auseinandersetzung und wird sich sicherlich noch im Verlauf der anschließenden Landtagsdebatte widerspiegeln. Ungeachtet aller unterschiedlichen Auffassungen hat sich der Wirtschaftsausschuss meiner persönlichen Auffassung nach insbesondere im Rahmen der Anhörung der Volksinitiative bemüht, die durch die anwesen

den Vertreter vorgetragenen Bedenken eingehend zu diskutieren. Meiner Auffassung nach ist es auch eine Aufgabe einer funktionierenden Demokratie, wenn am Ende einer Anhörung die Vertreter der Volksinitiative in dem Bewusstsein gehen können, dass sie nicht nur pro forma die Gelegenheit zur Darlegung ihrer Interessen hatten.

Ich möchte hier die Worte des früheren Landtagspräsidenten und Mitvertreters der Volksinitiative Hinrich Kuessner in der Anhörung zitieren, der am Ende ausführte, Zitat: „Ich möchte mich hier erst mal bedanken für diese Anhörung und die Diskussion. Ich muss sagen, dass ich mit sehr viel negativen Gefühlen hierher gefahren bin, ich fahr mit besseren Gefühlen weg.“ Und Herr Kuessner fuhr fort: „Ich werde selbst mit rüber bringen, dass wir hier die Möglichkeit hatten zu einer sachlichen Diskussion und zu einer sachlichen Darstellung, und dass wir uns gegenseitig angehört haben, auch wenn wir unterschiedliche Auffassungen haben, das halte ich für ein hohes Gut in der Demokratie.“

Allerdings, meine Damen und Herren, erlaube ich mir auch eine zweite Anmerkung, vielleicht eher einen Hinweis an Sie, geehrte Kolleginnen und Kollegen, für zukünftige Behandlungen von Volksinitiativen. Die Behandlung der hier vorliegenden Volksinitiative hat verschiedene formale Zwänge aufgezeigt, die durchaus – und ich glaube, da spreche ich zumindest für eine Mehrheit der Ausschussmitglieder – als misslich bezeichnet werden können. Das Gesetz zur Behandlung von Volksinitiativen schreibt zwingend in Paragraf 9 Absatz 2 Volksabstimmungsgesetz vor, dass der Landtag binnen drei Monaten nach Eingang der Volksinitiative einen Beschluss über den Inhalt der Volksinitiative fassen muss. Fristverlängernd wird dabei die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. August eines jeden Jahres berücksichtigt. Diese Fristsetzung ist grundsätzlich richtig und begrüßenswert, da Initiatoren und Unterzeichner einen Anspruch darauf haben müssen, dass sich der Landtag innerhalb einer angemessenen und nicht willkürlich verlängerbaren Frist mit einer Volksinitiative befasst.

Im vorliegenden Fall hat sich jedoch gezeigt, dass es Situationen geben kann, in welchen im Interesse aller Beteiligten ein größeres Maß an Flexibilität sinnvoll wäre. Die Volksinitiative ist am 29. Mai 2008 dem Landtag zugeleitet worden. Danach musste die Volksinitiative in der darauf folgenden Sitzung behandelt werden. Da dieses aus verfahrenstechnischen Gründen in der Junisitzung des Landtages nicht mehr möglich war, erfolgte die erste Beratung und Überweisung in den federführenden Ausschuss in der Julisitzung des Landtages. Der Beratung der Volksinitiative ging damit aus rein formalen Gründen faktisch ein Monat zwischen der Zuleitung an den Landtag und Erstberatung im Landtag verloren.

Der Wirtschaftsausschuss hatte bereits unverzüglich nach der Überweisung auf seiner Sitzung am 16. Juli 2008 eine erste Beratung durchgeführt und für die erste Sitzung nach der Sommerpause am 10. September dieses Jahres die Anhörung der Vertreter der Volksinitiative anberaumt. Für den 19. September war den mitberatenden Ausschüssen der Termin für die Stellungnahme gesetzt, sodass der Wirtschaftsausschuss am 8. Oktober seine abschließende Beratung durchführen konnte. Nur unter Setzung dieser knappen Terminleiste und unter Verkürzung der Frist zur Anmeldung gegenüber der Landtagspräsidentin konnte der gesetzlich vorgeschriebene Zeitraum und die Befassung durch den Landtag auf der heutigen Sitzung eingehalten werden.

Der Landtag sollte sich unter Berücksichtung der hier gemachten Erfahrungen Gedanken darüber machen, ob sinnvollerweise Regelungen geschaffen werden sollten, die es erlauben, im Einvernehmen mit den jeweiligen Initiatoren einer Volksinitiative den jeweiligen Befassungszeitraum befristet zu verlängern. Gleichzeitig sollte darüber nachgedacht werden, inwieweit es sinnvoll sein könnte, gleichfalls im Einvernehmen mit den jeweiligen Initiatoren die Möglichkeit zu schaffen, dass neben der bisher ausschließlich vorgesehenen Anhörung von Vertretern einer Volksinitiative auch eine weitergehende Anhörung von Sachverständigen einbezogen werden könnte.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist bisher bei allen Volksinitiativen gemacht worden.)

Im vorliegenden Fall hatte der Wirtschaftsausschuss glücklicherweise bereits eine Anhörung von Sachverständigen zum Komplex „Steinkohlekraftwerk Lubmin“ durchgeführt – dies wird aber sicherlich nicht bei der Behandlung von Volksinitiativen der Regelfall sein.

Meine Damen und Herren, das Letzte – darauf möchte ich noch mal hinweisen – ist ausdrücklich meine persönliche Meinung. – Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Danke schön, Herr Schulte.

Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion DIE LINKE hat der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Herr Professor Methling von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gerade mal acht Monate her, da haben Frau Ulrike Berger, die Landessprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Herr Hinrich Kuessner, der ehemalige Präsident dieses Hohen Hauses, und ich die Volksinitiative „Kein Steinkohlekraftwerk in Lubmin“ gestartet. Frau Berger und Herr Kuessner sind hier heute als Zuschauer in diesem Hause. Sie folgen aufmerksam unserer Debatte und ich darf sie herzlich begrüßen.

Heute soll die Volksinitiative ad acta gelegt werden, wie die Ausschussempfehlung des Wirtschaftsausschusses dem Plenum nahelegt. Ehrlich gesagt hatte ich mir nicht vorstellen können, dass die Koalitionsfraktionen ein solches Vorgehen wagen würden. Übrigens, Herr Kuessner hat das auch nicht für möglich gehalten. Nach der Anhörung der Vertreter der Volksinitiative im Wirtschaftsausschuss hatte er sogar den Eindruck, Herr Schulte hat das wörtlich hier wiedergegeben, mit seinen eindringlichen Worten die Abgeordneten erreicht zu haben. Er hat sich geirrt, wie ich auch. Insofern müssen die Ausführungen des Ausschussvorsitzenden ergänzt werden. Ich will mal nicht kommentieren, ob seine persönlichen Anmerkungen für einen Ausschussvorsitzenden angemessen waren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Das ist heute dann möglicherweise noch zu bewerten, aber ich kann verstehen, dass er solche Anmerkungen machen möchte.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Bitte. Was war das, Herr Reinhardt?

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Das war ja so was von daneben, das habe ich selten gehört in diesem Haus.

Wir ahnten, wie das Votum der Mehrheit des Wirtschaftsausschusses ausfallen würde.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Deshalb haben wir innerhalb der Frist den vorliegenden Antrag eingereicht, der eben das Gegenteil von dem will, was der Wirtschaftsausschuss hier vorgeschlagen hat.

Meine Damen und Herren, innerhalb weniger Wochen hatten nicht nur die nötigen 15.000 Menschen, sondern mehr als die doppelte Anzahl, nämlich 32.000, mit ihrer Unterschrift die Volksinitiative unterstützt. Nicht umsonst spricht Herr Kuessner davon, dass er seit der Wende in Vorpommern noch nie eine solche Massenbewegung erlebt hat. Gelegentlich gibt es Menschen, auch in diesem Hause, die verächtlich die Nase rümpfen über eine Zahl von 32.000, vor allem, wenn sie sie mit der Einwohnerzahl von Vorpommern vergleichen. Auch Herr Liskow hat das im Wirtschaftsausschuss getan, als Herr Kuessner von dem großen Widerstand in Vorpommern gegen das Kraftwerk sprach.

Nun, Herr Kollege Liskow, Herr Kuessner hat Ihnen die entsprechende Antwort gegeben. Ich möchte dazu nur noch ergänzen, dass eine solche geringschätzige Haltung gegenüber dem Engagement von Bürgerinnen und Bürgern zum einen von einer unglaublichen Arroganz zeugt. Die Parteien in Mecklenburg-Vorpommern haben übrigens zusammen lediglich 19.000 Mitglieder und nicht mal 32.000 Mitglieder. Zum anderen zeigt es aber auch, dass Sie noch nicht oder schon lange nicht mehr auf der Straße gestanden haben, um Unterschriften zu sammeln,

(Egbert Liskow, CDU: Ha, ha, ha! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

gerade in einer Zeit, in der Schlagzeilen von einem Datenskandal die Runde machen. Die Menschen mussten ja nicht nur ihre Unterschrift unter den Text setzen, sie mussten auch ihre volle Adresse eintragen. 32.000 Unterschriften, die Zahl entspricht fast der Einwohnerzahl Wismars.

(Michael Roolf, FDP: Na, na, na, na, na! – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ist das nicht ein Hinweis,

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Egbert Liskow, CDU)

ist das nicht ein Hinweis …

Ja, Wismar wächst natürlich unaufhörlich, ja.

Ist das nicht ein Hinweis auf die Qualität des öffentlichen Interesses? Wir beantragen, dass der Landtag dem Wirtschaftsausschuss empfiehlt, Sachverständige zu den Fragen des öffentlichen Interesses und des Eingriffs in die Natur zu hören.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Das öffentliche Interesse spielt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine wichtige Rolle. Es ist so wichtig, dass das Wirtschaftsministerium sich veranlasst sah, ein umfangreiches Schreiben an Dong Energy zu verfassen, in dem dem Investor die zwingenden Gründe für das überwältigende öffentliche Interesse sozusagen in den Mund oder in den Computer gelegt worden sind. Das Schreiben ist übrigens interessanterweise aus den Unterlagen für die zweite Auslegung verschwunden. Die Gründe darzulegen ist erforderlich, weil sich im Umkreis von 40 Kilometern vom geplanten Standort des Kraftwerkes 15 FFH-Gebiete und Vogelschutzgebiete befinden. Deren Zustand unterliegt einem sogenannten Verschlechterungsverbot. Nur unter der Bedingung ist nach europäischem Naturschutzrecht eine Nutzung überhaupt möglich.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das hat der damalige Umweltminister gemacht.)

Für die Gewässer gilt nach EU-Wasserrahmenrichtlinie sogar ein Verbesserungsgebot.

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Grob zusammengefasst sind Gründe des öffentlichen Interesses das Erreichen der Ziele des Klimaschutzes – auch in Mecklenburg-Vorpommern –, die Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Frage, ob das Kraftwerk zur Stromversorgung gebraucht wird.

Meine Fraktion hat am vergangenen Freitag in Greifswald eine öffentliche Anhörung zu diesen Fragen durchgeführt. Professor Dr. Stefan Rahmstorf, einer der renommiertesten Klimaforscher Deutschlands, mitbeteiligt an der Erarbeitung der Weltklimaberichte, hat uns noch einmal eindringlich aufgezeigt, dass es unumgänglich ist, sofort Maßnahmen zu ergreifen, damit der Temperaturanstieg gestoppt werden kann.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Dazu gehört eine Energiepolitik mit dem schnellstmöglichen Verzicht auf die Verbrennung der fossilen Ressourcen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich will nicht auf alle vier Problemfelder eingehen, die für die Öffentlichkeit so wichtig sind. Das ist es ja, was wir eigentlich gemeinsam sachlich und fachlich in unserer Verantwortung als Gesetzgeber erörtern wollten. Nur auf das Argument der Schaffung von Arbeitsplätzen will ich noch hinweisen.

Sie behaupten ja, dass das Kraftwerk keine Arbeitsplätze im Tourismus gefährdet, mal abgesehen davon, dass eine solche Behauptung ziemlich fahrlässig scheint, weil allein schon ein Imageschaden für eine solche sensible Region gravierende Auswirkungen haben kann. Und Sie wissen wie ich, dass der erste Platz für MecklenburgVorpommern unter den Tourismusländern nicht von Gott gegeben und ein ewiger Zustand ist, sondern dass wir in einem außerordentlich harten Konkurrenzkampf, zum Beispiel mit Schleswig-Holstein, stehen. Aber nehmen wir einmal an, das Steinkohlekraftwerk schadet unserem Ruf und den davon abhängigen Arbeitsplätzen nicht, ist es nicht angesichts dessen, was wir mit Klausner in Wismar und den Auswirkungen auf die ganze Region erleben, besser, auf eine kleinteilige Wirtschaftsansied

lung als auf ein Kohlekraftwerk dieser Dimension zu setzen?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wenn sich der Emissionshandel so entwickelt wie bisher geplant, nämlich mit jährlich drastisch steigenden Kosten für die größten CO2-Emittenten, wird das Kraftwerk in Lubmin in wenigen Jahren eine Investruine darstellen.

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)