Protocol of the Session on September 24, 2008

Danke schön, Herr Kreher.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Lüssow von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes sollte nicht beschönigt mit dem Schlagwort „Entwicklung der Selbstständigen Schule“ überschrieben werden, sondern besser mit „Knebelung der Familien und die Wiederauflage einer staatssozialistischen Erziehung“.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Für einen solchen Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der CDU, wären Sie in Ihren eigenen Reihen noch vor 20 Jahren gesteinigt worden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ah, ich glaube, da ist die CDU davor. – Zurufe von Heike Polzin, SPD, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Jetzt erleben wir eine Neuauflage eines Schulsystems nach der Art von Margot Honecker. Freilich tarnt sich dieses liberal-kapitalistische System mit nebulösen, schön klingenden Vokabeln.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Oh, Vokabeln sind Ihre Stärke, ne?! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Sie wollen die Schule zum Ort der Erziehung und Normung von Menschen machen, weil Sie wissen, dass Sie die Unterstützung der Menschen verloren haben.

Schauen wir uns Ihren Gesetzentwurf einmal genauer an,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, dann los!)

der strotzt nur so vor Allgemeinplätzen.

(Heike Polzin, SPD: Oh!)

Die Freiheit der Schule, die Sie hier propagieren, ist vor allem eine Freiheit im Sinne des Wettbewerbs, aber selbst der ist noch nicht einmal geklärt. Keine Gleichstellung freier Schulträger ist hier vorgesehen. Wie konkret die Eigenverantwortung der Schulen gestärkt werden soll, darüber schweigt sich Ihr Gesetzentwurf ebenfalls aus. Alle selbst gewählten Ziele auf dem Weg zur angeblich freien Schule, die Sie hier formulieren, haben Sie mit Ihren bisherigen Bestrebungen jedenfalls nicht erreicht. Sie streben die Erhöhung der Qualität des Unterrichts an. Das ist nicht schwierig, denn unser Land liegt in dieser Bewertung bundesweit auf dem letzten Platz.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das kann nicht sein.)

Sie fordern die Sicherung eines bedarfsgerechten Bildungsangebots, aber die Stunden fallen aus. Sie fordern eine Vergleichbarkeit der Bildungsangebote. Die würde aber gerade hier verändert, wenn jede Schule sich ihre eigenen Pläne schreiben könnte. Sie streben Bildungsgerechtigkeit an, noch nie war die Herkunft für den Bildungsabschluss so entscheidend wie jetzt. Sie schreiben hier, die Förderung der Selbstständigkeit sei nun Ziel und Mittelpunkt der schulischen Arbeit. Was aber hat das bitte schön mit der Organisationsform „Schule“ zu tun? Und schlagen Sie doch die Schüler nicht altersmäßig über einen Leisten! Ab der 9. Klasse mag Selbstständigkeit sinnvoll sein, bis dahin bedürfen die Kinder insbesondere der Autorität und eines geführten Unterrichts. Sie wollen wunderbare Fachleistungsdifferenzierungen vornehmen. Damit geben Sie doch zu, dass Ihr Projekt „Einheitsschule“ gestorben ist.

Aber mit dem, was Sie da vorschlagen, richten Sie wiederum nur Chaos an. Statt, wie es die NPD fordert, das dreigliedrige Schulsystem einzuführen, streben Sie eine total chaotische Differenzierung in den Klassen an. Schülerbezogene Förderpläne – in welcher Welt leben Sie eigentlich? Die Schulen sind so schlecht im Land ausgestattet, dass man noch nicht einmal die Klassen als Gesamtheit fördern kann. Und Sie wollen dann in einem durch und durch heterogenen Klassenverband auch noch individuelle Förderpläne aufstellen? Da müssen Sie aber erst einmal Lehrer einstellen, meine Damen

und Herren. Wenn Sie in einem dreigliedrigen Schulsystem von vornherein begabungsgerecht trennen, können Sie auch in diesen Fragen effizienter und damit besser im Sinne der Schüler unterrichten.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich bin ja gespannt, wo Sie dann landen würden. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Jörg Heydorn, SPD: Gute Frage!)

Aber wenn Ideologie das Denken vernebelt, kommt man auf so nahe liegende Schlüsse nicht.

Sie wollen die Schule zur Erarbeitung schulinterner Lehrpläne verpflichten. Wie sollen die Lehrerinnen und Lehrer das denn auch noch schaffen? Mit den derzeitigen Planstellen arbeiten die Pädagogen jetzt schon am Leistungslimit, aber sie sollen noch schulinterne Lehrpläne erstellen, ganz frei auf der Basis der ministeriellen Rahmenpläne.

Bei der Stärkung der Ganztagsschulen stellen sich die gleichen Fragen. Wer will das? Sie schaffen erst die Strukturen und damit den Bedarf nach Ihren Wünschen. Sie haben nicht genug Geld, um das Schulsystem für einen halben Tag auszustatten, aber muten sich eine Ganztagsschule zu. Wie wäre es mit dem nahe liegenden Schluss, erst einmal für einen geregelten halben Tag an den Schulen zu sorgen? Denn die Pflicht zur Qualitätssicherung – nichts mit frei –, das ist QMS für Lehrer. Sie dürfen sich dann zukünftig nicht nur mit den Schülern und ihren Leistungen beschäftigen, sondern vor allem auch noch mit der neuen Bürokratie der Qualitätssicherung.

Fragen Sie mal in der Wirtschaft nach, wie viel Zeit das raubt und wie teuer das ist! Und mit Ihrem neuen Institut für Qualitätssicherung haben Sie dann die Gewähr, dass auch nicht zu viel Geld in die schulische Arbeit einfließt. Auf den Planstellen dieser neuen Behörde können Sie dann wieder ein paar abgehalfterte Parteipolitiker platzieren.

Sie wollen keine konstruktive Mitwirkung der Eltern, wie Sie das unter „2. Lösung“ beschreiben, sondern Sie wollen sich in die Erziehungsangelegenheiten einmischen.

(Ilka Lochner-Borst, CDU: So ein Blödsinn!)

Da muss man nur mal in Ihren Neuentwurf schauen.

In Paragraf 49 des alten Schulgesetzes hieß es noch zu den Pflichten der Erziehungsberechtigten, Punkt 1, „den Schulpflichtigen zur Schule an- und abzumelden“, Punkt 2, „den Schüler zweckentsprechend auszustatten“, Punkt 3, „für die Einhaltung der Schulpflicht“, Punkt 4, „für seine Gesundheitspflege und“, Punkt 5, „für die Teilnahme des Schulpflichtigen an Untersuchungen zu sorgen.“

(Heike Polzin, SPD: Das möchte ja wohl auch sein.)

Jetzt sieht die Sache etwas anders aus. Jetzt müssen die Eltern zukünftig gewährleisten, dass die Kinder Angebote der Schule zur Unterstützung und Förderung umfassend wahrnehmen können.

(Heike Polzin, SPD: Ja, genau. – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, sicher.)

Dann nehmen wir das doch mal ganz praktisch.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wofür veranstalten wir das Ganze?)

National denkende Menschen müssen dann ihre Kinder in Ihre Umerziehungsprogramme stecken.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Heike Polzin, SPD: Ach, du lieber Himmel! – Peter Ritter, DIE LINKE: Vielleicht hilft es den Kindern ja. – Dr. Armin Jäger, CDU: Welcher Märchenerzähler hat Ihnen das denn wieder aufgeschrieben?)

Eltern, die meinen...

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Eltern, die meinen, dass Computer für Kleinkinder nichts sind,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Bring ihn nicht aus dem Konzept!)

und diese Einflüsse von ihren Kindern fernhalten wollen,

(Heinz Müller, SPD: Er hat es schwer genug beim Ablesen.)

werden nun verpflichtet, Ihre Förderung wahrzunehmen. Das ist Totalitarismus im 21. Jahrhundert. Die Eltern werden nun verpflichtet, die Schule über besondere Umstände, die die schulische Entwicklung des Kindes betreffen, zu unterrichten.

(Heike Polzin, SPD: Richtig.)

Verpflichtung? Haben Sie schon einmal etwas von Schutz der Privatsphäre gehört?

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und wie wollen Sie die Nichteinhaltung sanktionieren?

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Was machen Sie in Ihren Schulungen dann? Umerziehungsprogramm. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Werden dann zukünftig Stichprobengesuche bei den Familien gemacht? Ja, Sie wollen die Kinder erziehen, deshalb auch die Neufassung.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ja, die Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule.)

Pflege und Erziehung sind aber Aufgaben der Familien.

(Irene Müller, DIE LINKE: Bildung und Erziehung getrennt?)

Sie nutzen die tatsächlich tragischen Fälle von Kindesvernachlässigung dazu aus,